Aufgenommen in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Dr. Ulrich
Schumacher und im Archiv der Emil Schumacher Stiftung mit der Werknummer G-2/1973
unter der Nr. 0/1.418 registriert
Expertise: Dr. Ulrich Schumacher, Hagen
Die Natur dient Schumacher als unerschöpflicher Ideenfundus. Das Bewusstsein vom
allgegenwärtigen Wirken der Natur als einer Energie, die hinter der Erscheinung der
Dinge verborgen liegt, ist seinen Arbeiten immanent. Landschaftsverweise vermischen
sich mit Vorstellungen elementarer Naturkraft, die eruptiv ausbricht, erkaltet, zerfällt und
zum Rohstoff neuer Linien wird. Auf zahlreichen Reisen insbesondere an die
nordafrikanische Mittelmeerküste und in die alpine Welt sucht der Künstler mehrmals
jährlich den unmittelbaren Kontakt zur Landschaft, zur Tierwelt und einer naturnahen
Lebensweise. Ohne Gesehenes oder Erlebtes abbilden zu wollen, entstehen seine Linien,
Formen, Strukturen und Farbe gleichsam parallel zur Natur.
Schumachers Aufmerksamkeit gilt vor allem der Materialität seiner Mittel. Er verarbeitet
Malerei zum Relief und zur Plastik, hebt sie auf eine sinnliche Stufe, die einzigartig ist.
Das verwendete Pigment wird oft zum zentralen Akteur seiner Bilder. Schumacher mischt
dieses zumeist selbst an. Seine bevorzugten Farben sind vor allem Blau, Rot und Gelb,
häufig durchbrochen von den typischen schwarzen Bögen oder Linien.
Oft verwendet Schumacher diese Pigmente in kaum gebundener Form, um einen
möglichst intensiven Ausdruck zu erzielen und auf die Plastizität des Pigments hinweisen
zu können. Schumacher fordert bei allem, was er tut, den Widerstand des Materials
heraus. Kaum ein stoffliches Relikt existiert, das für ihn nicht bildwürdig wäre. So
verbiegt er Metallfolien, zerknetet und modelliert Papiermassen, zerschlägt Holz, schmilzt
ganze Teerbrocken ein und befestigt sie als Klumpen in seinen Bildern.
Den Schöpfungsakt beschreibt Schumacher mit folgenden Worten: „Ich gehe das Bild
unmittelbar an, dabei kommt es zu einer Begegnung des Materials mit mir, wobei ich ihm
den Willen lasse, denn ich habe erfahren, dass es weiser ist als alle Berechnung.
Handwerk, Technik, Erregung sind eins. Die Farben reißen die Formen an sich, die
Zeichen verlangen die Farben – indem ich mich mitreißen lasse, gewinne ich mein
Bild." Dabei weiß Schumacher um die spezifischen Fähigkeiten einer Farbe, er kennt die
Schwingungswerte seiner Materialien und die durch sie ausgelösten Assoziationsketten.
Der Farbwert in seiner unendlichen Vielfalt drückt emotionale, sensitive Empfindungen,
Wahrnehmungen und Reaktionen aus, die sich im Augenblick der schöpferischen
Handlung zu einem Ausdruckszeichen verdichten.
Schumachers Malerei ist großzügig und kraftvoll, zugleich aber auch von einer großen
Sensibilität getragen, die um die Notwendigkeit der malerischen Nuancen und
graphischen Wertigkeiten weiß. Seine Bilder sind herb im Aufzeigen ihrer
Materialbezogenheit, in der Vehemenz einer eingegrabenen und aufreißenden
Strichführung, und sie konfrontieren im selben Augenblick mit der verhaltenen Poesie des
organisch Gewachsenen, mit der unanzweifelbaren Richtigkeit einer überlegten Gestik
und inneren Rhythmik, die sich durch Ruhe und Geschlossenheit auszeichnet. Wandlung
als Phänomen an sich wird vor Augen geführt. So erweist sich seine Kunst als Huldigung
an alles Lebendige.
Das mit „G-2“ betitelte Werk aus dem Jahr 1973 veranschaulicht die vorangegangenen
Gedanken sehr deutlich. Das zerknitterte und stark faltige Papier weist auf die intensive
Bearbeitung durch den Künstler hin. Schumacher scheint das Papier mehrfach mit Farben
durchtränkt zu haben, sodass sich strukturelle Verwerfungen gebildet haben, die an eine
sandige Berglandschaft aus Vogelperspektive
erinnern. Das Papier wird von der sinnlichen Leuchtkraft eines Bronzetons dominiert, der
sich aber keineswegs flächig über das Papier
verteilt. Nacheinander scheint Schumacher auf dem Papier in unterschiedlichen Bereichen
Farbpfützen in Ocker, Rostrot und anderen
Farbtönen angelegt zu haben, die dann langsam ausgetrocknet zu sein scheinen, sodass
das Pigment sich in den Niederungen der jeweiligen Partien des Papiers hat niederlassen
können. Schumacher hat diesen Effekt in der Natur beobachtet. Hierdurch gelingt es ihm
die scheinbar brüchige, unruhige Bildoberfläche zu betonen, bevor er auf diese
‘Grundierung’ seinen sehr markanten, schwarzen Bogen setzt, der sich zeichenhaft von
dem leuchtenden Hintergrund abhebt.