Expertise Rainer Noeres vom 28. 08. 2013, Otto Modersohn Museum, Fischerhude
- mit Modellrahmen -
Die besondere Stimmungsqualität düsterer Herbst- und Wintertage, abendlicher Dämmerung oder des fahlen nächtlichen Mondscheins darf als das Leitthema von Otto Modersohns Spätwerk bezeichnet werden. Die entschiedene, bisweilen kräftige Farbigkeit der früheren Bilder weicht nun einer zarten, lasierenden Tonigkeit, das Sonnenlicht einem neblig-trüben Dämmerschein, klar umrissene Bildgegenstände einem feinen Gewebe sich durchdringender, filigraner Pinselstriche. „Die breiten Pinsel sind gut zur Anlage”, schrieb der Künstler 1933, „später arbeite ich besonders gern mit kleinen spitzen Pinseln, wenn man damit über farbige, ausgeführte Stellen geht, wird die Fläche lockerer, geheimnisvoller ... es entsteht ein Weben, Vibrieren ... – alles Harte verschwindet ...”
So auch hier, in dem Blick des Malers auf die spätherbstliche oder winterliche Landschaft. Die Wümme, das kleine Flüsschen, welches sich bei Fischerhude zu einem Binnendelta, den sogenannten „Wümmewiesen”, verästelt, ist über die Ufer getreten und hat bis auf wenige grüne Inseln die gesamte Ebene überschwemmt. Überall in den riesigen Wasserflächen finden sich spiegelnde Reflexe der umgebenden Landschaft, die dem Gemälde eine reizvolle, vibrierende Leichtigkeit verleihen. Dicht stehende Bäume entlang des breiten Weges, der sich in die Bildtiefe hineinzieht und an einem einsamen Gehöft endet, recken ihr kahles winterliches Geäst in den fahl erleuchteten Himmel hinein. Die Konturen der Bildgegenstände befinden sich in Auflösung und scheinen ganz in der duftigweichen Atmosphäre des Wintertages aufzugehen. Die Farbtupfer im tonigen Gefüge der Figuren mit ihren roten und blauen Kleidern und der weißen Haube sowie die Pferdekutsche und dem Mann mit dem Borstenvieh.
Es sind die stillen, melancholischen Momente der Landschaft, die der Maler nun festhält, durchdrungen von sensibler Empfindung, verträumt,
mystisch, „ganz zart, innig, intim”. „Mir liegt vor allem nur das Geahnte, Angedeutete”, schreibt Otto Modersohn 1935 in sein Tagebuch, „darum liegen mir vor allem Dämmerungen, Mondschein etc. Das war der Reiz vieler Kompositionen, das ist meine persönliche Art.”
(Doris Hansmann)
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Expertise Rainer Noeres from August 8, 2013, Otto Modersohn Museum, Fischerhude
- with craftsman's frame -
The unique atmosphere of bleak autumnal and wintery days, evening twilight and the pallid nocturnal moonshine can be identified as the principal themes of Otto Modersohn's late works. The dominant, at times bold colours of the early pictures are now giving way to a delicate, more translucent palette, the radiant sunlight to a nebulous dusky light, and the clearly delineated motifs to a filigree texture of intricate brush strokes. "The broad brushes are fine for the lay-in", wrote the artist in 1993, "but subsequently I particularly enjoy working with the small pointed brushes to go over the coloured areas. The surface becomes amenable, more mysterious ... a vibrating web emerges ... – all hardness dissipates ..."
As is the case here, in the eyes of the artist gazing out onto the late autumnal or wintry landscape. The Wümme, the small river which branches out into an inland delta known as the "Wümme meadows", has burst its banks and, with exception of some green islands, has flooded the entire plain. Shimmering across this vast sea of water are mirrored reflections of the surrounding countryside, which lend the painting an enchanting, resonating lightness. Dense rows of trees flanking the broad track, which extends into the depth of the picture and ends at an isolated farmstead, stretch out their naked wintry branches into the pallid glow of the sky. The contours of the earth-toned figures, clad in red and blue garments and a white bonnet, the horse-drawn coach and the peasant driving the swine, all appear to melt into the soft, heavy atmosphere of a winter's day.
It is these still, melancholic moments in the landscape which the artist sought to capture, and infuse the entire scene with a dream-like, mystical quality, "gentle, heart-felt and intimate". "I am drawn to that which is only adumbrated or intimated", wrote Otto Modersohn in his diary in 1935, "which is why I love the twilight, moonshine etc.. That was the inspiration of many compositions. That is my personal nature."
(Doris Hansmann)