Focus Photographie
Die Anfänge der Photographie gehen bis auf Aristoteles (384 – 332 v. Chr.) zurück. Denn er kannte bereits das Prinzip der Camera obscura (lat. dunkle Kammer). Jedoch erst Leonardo da Vinci deutete um 1500 ihre Funktionsweise richtig. Die Camera obscura ist eine dunkle Kammer, in der durch Lichteinfall ein auf dem Kopf stehendes Abbild der Außenwelt erzeugt wird. Ausgehend davon wurden im 17. Jahrhundert transportable Kästen nach diesem Prinzip entwickelt. Von dem Begriff der „Camera obscura“ leitet sich auch die moderne Bezeichnung „Kamera“ ab.
Im Jahr 1826 gelang Joseph N. Niépce in Frankreich die erste Fotographie. Mit Hilfe einer Camera obscura und einer asphaltbeschichteten Zinnplatte, konnte er zum ersten Mal eine Projektion fixieren. Der Begriff „Photographie“ wurde allerdings erst ab 1839 gebräuchlich.
Zur etwa gleichen Zeit begann auch Louis Daguerre ein photographisches Verfahren zu entwickeln. Für einige Jahre arbeiteten Niépce und Daguerre intensiv zusammen, wobei sie die anfänglichen Belichtungszeiten von mehreren Stunden auf wenige Minuten reduzieren konnten und ein verbessertes Verfahren entwickelten. Die so genannte Daguerrotypie. Zwischen 1835 und 1839 wurde diese neue Technik vor allem in der Portraitfotographie genutzt. Durch die relativ knappen Belichtungszeiten verkürzten sich die Portraitsitzungen auf ein angenehmes Maß. Diese ersten Photographien waren aber ausschließlich Unikate, erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es möglich, Abzüge herzustellen.
Bereits in Texten aus dem 19. Jahrhundert wird der Kunstcharakter des Mediums Photographie diskutiert, indem auf eine ähnliche Verwendungsweise wie in anderen graphischen Techniken hingewiesen wird. Seitdem gilt die Photographie als künstlerische Technik, die es vermag, eigene Bildwirklichkeiten zu schaffen. Bis heute haben vielfältige Schwerpunkte wie die Landschafts- und Naturphotographie, die Akt- und Portraitphotographie und die photographische Auseinandersetzung mit öffentlichen Räumen eigene Wirkungsfelder innerhalb der Photokunst etabliert.
„Focus Photographie“ ist eine außergewöhnliche Zusammenschau dieser photographischen Wirkungsfelder in Verbindung mit den spannenden Positionen neun exzellenter Künstler.
Candida Höfer (* 1944) gehört zur internationalen fotographischen Avantgarde. Seit 1980 zeigt sie Photographien von öffentlichen Innenräumen, wie Hörsäle, Museen oder Kantinen. Ein besonderes Merkmal ist die stete Abwesenheit der Benutzer, wobei diese doch kennzeichnend für die eigentliche Funktion dieser Räume sind. Durch diese Leere steigert sich die Präsenz der Räume über die Raumfunktion hinaus, was ihnen ein zeitloses und unverrückbares Antlitz verleiht.
Auch der in Berlin arbeitende Photograph Michael Wesely (* 1963) hat sich in seinem Werk bereits mit Räumen, Gebäuden und dem öffentlichen Raum auseinandergesetzt. Doch während Candida Höfer einen sehr präsenten Augenblick festhält, sucht Michael Wesely nach einem photographischen Weg, um Veränderungen, vor allem auch in der Natur, darzustellen. Mit extrem langen Belichtungszeiten und teilweise selbstentwickelten Kameras gelingen ihm beeindruckende Studien. So dokumentiert er beispielsweise den Verfall von Tulpen in einer Vase in einem einzigen Bild. Durch die langen Belichtungszeiten zeigen uns seine Photographien mehr, als wir in Wirklichkeit sehen können.
Thomas Struth (* 1954) widmet dem Thema Natur ebenfalls verschiedene Werkgruppen. Dabei fokussiert er den Blick auf Landschaftsausschnitte, die der Betrachter in realer Natur nur unbewusst wahrnimmt. Er präsentiert scheinbar Bekanntes als etwas Besonderes und Außergewöhnliches, indem er die traditionellen Sehgewohnheiten unterläuft.
Die überkommenen photographischen Sujets stellt Thomas Struth in Frage und erweitert so den photographischen Kunstbegriff.
Harry Meyer (* 1960) sucht in seiner Landschaftsphotographie und Landschaftsmalerei gleichermaßen nach dem Wesen der Natur. Naturgegebenheiten, wie eine weite, freie Ebene, einen Baum oder einen Hügel betrachtet er singulär. Durch diese Konzentration ist es ihm möglich, zur inneren Funktion, zum Wesen der Natur vorzudringen. Während seine Malerei von expressivem Gestus bestimmt ist, liegt über seinen Photographien eine edle Einfalt und stille Größe.
Neben den eigentlichen Formen der Natur gilt Andy Goldsworthys (* 1956) besonderes Interesse den in der Natur vorkommenden Materialien. Daraus erstellt er meist schnell vergängliche Werke, die er mittels Photographie dokumentiert. Diese Natur-Kunst, eine Variation der Land Art, ist vor allem von Vergänglichkeit bestimmt, da seine Konstrukte ausschließlich aus natürlichem Material bestehen und sehr fragil sind. Diese Faktoren lassen an den von Andy Goldsworthy bearbeiteten Orten und Kompositionen eine verborgene Mystik entstehen, die er in seinen Photographien festzuhalten versucht.
Das photographische Werk der Kölner Künstlerin Cony Theis (* 1958) ist zwischen den Feldern von Landschafts-, Portrait- und Aktfotographie angesiedelt. Malerei auf Haut, szenische Photographie, die völlig unerwartete Seherlebnisse hervorruft oder Portraitserien, die nach der Individualität der Dargestellten forschen. Letztendlich möchte Cony Theis den Identitäten über ihre Oberflächen auf die Spur kommen und schafft dabei durch die Verflechtung verschiedener Medien stille Metamorphosen.
Die Arbeiten von Petra Warrass (* 1970) weisen zunächst auffällige Bezüge zur Portraitphotographie auf. Doch den inszenierten Bildwelten fehlt etwas Entscheidendes: das Gesicht - die Projektionsfläche der Persönlichkeit – bleibt verborgen. Stattdessen sehen wir angehäufte Stofftiere. Eine skurrile Hülle entsteht, die für den Betrachter zu maximaler Verwirrung führt. Petra Warrass setzt Wahrnehmung und Wirklichkeit in einen völlig neuen Kontext. Sie verleitet den Betrachter dazu, seine eigene Interpretations- und Wahrnehmungsfähigkeit zu erneuern und einen persönlichen Zugang zum Abgebildeten zu finden.
Ein persönlicher Zugang zum Portraitierten ist die Grundlage der Arbeit des Photographen Benjamin Katz (* 1939). Er ist seit mehr als vierzig Jahren der Portraitphotograph der Kunst- und Kulturszene. Indem er die eigene Intensität und die selbst gewählte Rolle von Künstlern und Mäzenen hervorhebt, wirken seine Bilder komplizenhaft und diskret zugleich. Es sind keine gestellten Portraits sondern stets Aufnahmen eines flüchtigen Moments.
Ein gleichermaßen sensibles wie sinnliches Thema ist die Aktphotographie. Im Vergleich mit der Portraitphotographie ist sie in erster Linie von ästhetischen Gesichtspunkten determiniert. Unter dem Einfluss von Symbolismus und Art Nouveau inszenierte
Frantisek Drtikol (1883-1961) den für die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts charakteristischen Typ Frau. Sein Werk nimmt aktuell einen hohen Stellenwert innerhalb der tschechischen Photographie ein.