Adriana Ciudad ∙ Johannes Grützke ∙ Johannes Heisig ∙ Torsten Holtz ∙ Christopher Lehmpfuhl
Andreas Leißner ∙ Ulrike Seyboth ∙ Volker Stelzmann ∙ Klaus Zylla
In der Gruppenausstellung Aus Berliner Sicht widmet sich DIE GALERIE der Malerei aus einer der produktivsten Kunst- und Kreativstätten der Welt: Berlin. Neben bekannten Namen wie Johannes Grützke (*1937), Volker Stelzmann (*1940), Johannes Heisig (*1953) und Klaus Zylla (*1953) sind auch nachfolgende Künstlergenerationen vertreten, deren unterschiedliche Malstile und Sujets einen Ausschnitt der dynamischen Berliner Kunstlandschaft widerspiegeln.
Als der wohl eigenwilligste Künstler Berlins kann sicherlich Johannes Grützke (*1937) gelten. In Berlin aufgewachsen und bei Prof. Peter Janssen zum Maler ausgebildet, studiert er 1964 an der Sommerakademie bei Oskar Kokoschka in Salzburg und gründet im selben Jahr den Künstlerzusammenschluss der Berliner Schule der neuen Prächtigkeit. Grützke ist Realist; er zeichnet in herausragender Technik menschliche Individuen aus den ungewöhnlichsten Perspektiven. Mit Vorliebe spielt er mit ironisch/sarkastischen Überzeichnungen und Verzerrungen in der Physiognomie der dargestellten Figuren und kehrt deren psychologische Eigenarten von innen nach außen. So gelingt ihm eine Annäherung an sein Sujet ganz ohne Pathos und Idealisierung.
Ungewohnte Seherlebnisse verschafft Johannes Heisig (*1953) nicht nur durch seine kennzeichnende expressiv-impressionistische Technik, dies vermag auch sein neugieriger Blick auf vielfältigste Sujets, darunter Porträts, Stillleben, intime Selbstbetrachtungen und Landschaften aus fremden Perspektiven. Seine persönlichen Reflexionen zur neueren deutschen Geschichte sind unzertrennlich mit der Hauptstadt verbunden und seine ungewöhnlichen Stadtansichten, die enge Hinterhäuser oder breite Panoramen zeigen, repräsentieren eine ganz eigene Wahrnehmung Berlins, das für den Künstler eine nicht versiegende Inspirationsquelle darstellt.
„Es ist ja kein Malen, sondern Modellieren mit Farbe.“ so der gebürtige Berliner Christopher Lehmpfuhl (*1972) zum Entstehungsprozess seiner Bilder, die auf unzähligen Reisen und Erkundungstouren in Natur und Stadt in Tradition der Pleinairmalerei entstehen. Zu seinen Motiven gehören besonders Landschaften, aber auch der sich stets im Wandel befindende urbane Raum seiner Heimatstadt. Ohne Pinsel, mit den bloßen Händen, türmt er zügig und intuitiv dickste Farbschichten auf der Leinwand auf.
Mit Rückbezug auf die Malerei der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre gehört der in Dresden geborene und in Berlin lebende Volker Stelzmann (*1940) heute zu den wenigen Feinmalern, die in altmeisterlicher Technik den „modernen Malweisen“, dem gewollt „Unfertigen“, entgegentreten. Der Malgrund bereitet bei ihm die Bühne einer Inszenierung menschlicher Verhaltensweisen, sowohl in ihrer zeitgenössischen als auch in ihrer zeitlos allgemeingültigen Dimension.
Dass das Leben in einer Metropole auch immer mit Isolation und Anonymität einhergeht, weiß Andreas Leißner (*1978) als gebürtiger Berliner und bringt diesen Aspekt in seinen zeitgenössisch-realistischen und sachlichen Werken zum Ausdruck. Seine meist männlichen Figuren in Teilansicht positioniert er groß und präsent neben urbane Strukturen wie Architekturen, Maschinen oder Industrieanlagen. Ob kämpferisch herausfordernd oder sich versteckend und in sich gekehrt, eine gewisse Verletzlichkeit bleibt stets erkennbar. Was allen Protagonisten jedoch gemein ist, ist ihre Vereinzelung und Selbstbezogenheit.
Auch die Protagonisten in den Gemälden von Torsten Holtz (*1973) scheinen – in Isolation gestrandet und vollkommen gelöst von gesellschaftlichen Bezügen – in einer Art Schwebezustand. Faszinierend emotionslos zeichnet der in Berlin geborene und lebende Künstler eine rosarote Welt mit weiten Horizonten, die überall und nirgendwo zugleich sein könnte. In der für den Betrachter oft nicht greifbaren Malerei vermischen sich reale Wirklichkeit und phantastische Imaginationen zu Darstellungen, die zwar Rückbezüge zum Magischen Realismus herstellen, jedoch vollkommen in die Gegenwart übersetzt sind.
In Lima geboren, kommt Adriana Ciudad (*1980) im Jahr 2002 nach Berlin, um an der UdK zu studieren. Ihr Sujet ist das Alltägliche; mit feinem, selbstbewusstem Strich zeichnet sie das Leben auf den Straßen einer Metropole nach, sei es Berlin, Bogota oder Lima, wo sie heute lebt und arbeitet. Mehr als die reine Widerspiegelung von Realität entlarvt sie die geistigen Landschaften und entrückten Welten, die hinter dem Offensichtlichen liegen. Ihre zumeist weiblichen Figuren verwachsen durch Lineament, geometrische Strukturen und wässrige Farbflecken mit ihrer Bildumgebung und verweisen so auf die Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt.
Gegensätzlich und sprunghaft, wild und expressiv, so ist Berlin und so sind die Arbeiten von Klaus Zylla (*1953). In gestisch ausdrucksvoller Manier beschreibt der in Cottbus geborene und heute in Berlin und Portugal lebende Künstler mit Hilfe verschiedenster künstlerischer Mittel eine reiche Bandbreite an Ausdrucksformen, oszillierend zwischen Abstraktion und Figuration, Komik und Ernst, Spott und Ironie, Trauer und Blasphemie, Obszönität und Koketterie, Erotik und Keuschheit.
Entrückt und erdacht sind die ungegenständlichen Bildwelten von Ulrike Seyboth (*1970), die die verschiedenen emotionalen Zustände des Bewusstseins der in Berlin und Paris lebenden Künstlerin widerspiegeln. Ihrer Arbeitsweise ähnelt der Écriture automatique der Surrealisten, sie lässt ihr Lineament intuitiv über die Leinwand tänzeln, sich übermütig aus einer Vielzahl von Übermalungen und Farbschichten hindurch schlängeln. Gefühl, Klang und Farbe gehen in vibrierende Formen und Farbfelder ein, die dem Betrachter viel Raum für assoziatives Sehen bieten.