Julio Rondo: Going South

Julio Rondo: Going South

Knöbelstraße 27 Munich, 80538, Germany Saturday, September 25, 2021–Saturday, November 6, 2021 Opening Reception: Friday, September 24, 2021, 6 p.m.–8 p.m.


Unter dem Titel „Going South“ zeigt die Galerie Andreas Binder die bereits neunte Einzelausstellung des Künstlers Julio Rondo (*1952). Dieser Jahrzehnte langen Zusammenarbeit und dem umfangreichen Oeuvre des Künstlers zu Ehren, erscheint – unterstützt von der Stiftung Kunstfonds – begleitend zur Ausstellung eine 176seitige Publikation im Distanz Verlag mit Textbeiträgen von Philipp Bohlmann und Heike Fühlbrügge.
Der Malerei hinter Glas stets treu geblieben, bewegen sich Julio Rondos neue Arbeiten weiterhin zwischen abstrakter Malerei und Objekthaftigkeit. Die zunehmende Dominanz des Pinselstrichs als elementarstes künstlerisches Ausdrucksmittel des Malers lässt dabei die für ihn charakteristischen Bildräume entstehen, in denen der Künstler nicht allein die erinnerte Vergangenheit, sondern eine erlebte Gegenwart in ihrer ganzen Subjektivität und Stringenz einfängt und konserviert.
Der malerische Auftrag ist dabei Ergebnis einer dem bildschaffenden Prozess vorangegangenen Planung von Technik, Mitteln und Komposition und entspricht nicht einem expressiven, spontanen Akt der Malerei. Sich aus seinem individuellen, visuellen Archiv bedienend, schafft Rondo mit schnell trocknender Acrylfarbe, eindrückliche Dokumente eines Lebens, die - ohne seine Umwelt mimetisch abzubilden - Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen als Malerei zu aktivieren vermögen. Die runden, organischen Formen aus früheren Werken verschwinden und weichen geometrischen Farbfeldern, die durch das Medium des Auftrags aus der Starre ihrer Form gelöst, eine dreidimensionale Lebendigkeit im Bild entwickeln.
Ähnlich wie die Erinnerung in ihrer Färbung, aber niemals identisch mit dem objektiv Erlebten, sind auch die neuen Arbeiten nicht lediglich das Resultat der natürlichen künstlerischen Entwicklung des Künstlers. Vielmehr transportieren sie eine Energie, die sich - fernab von jeglichem verbalen oder intellektuellen Ausdruck - allein aus dem jetzigen Moment speist und im Bildraum festgehalten wird. Die Farbwahl spiegelt dabei die von der grellen Popkultur geprägten vergangenen Jahrzehnte wieder und macht sie zum festen Bestandteil des Jetzt. So gelingt es Rondo die nicht fassbaren, subjektiv wahrgenommenen, kollektiven Grundstimmungen und individuelle Erfahrungen, die durch die Filterfunktion des Gedächtnisses stets in den Hintergrund rücken, durch einen künstlerischen Abstraktionsprozess in seinen Gemälden einzufangen.
Die Abstraktion dient hier weder dem Ausdruck des Kontextverlusts des postmodernen Individuums, noch erhebt es die Werke in eine Sphäre der Autonomie. Vielmehr lässt sich von einer Art „Romantischen Abstraktion“ sprechen, die zwischen Intellekt und Gefühl eine weitere Form der Wahrnehmung ermöglicht, die Vergangenheit und Zukunft zugunsten des Erlebens der Gegenwart als geistige Konstrukte offenbart.
Die Referenzlosigkeit ist dabei trotz bewusst aleatorischer Benennung der Werke jedoch nicht derart absolut, dass ein Zugang nur diskursiv kunstimmanent möglich wäre; Rondo stellt seine Kunst in einen Zusammenhang mit dem alltäglichen Leben, indem er die persönliche Erfahrung in Bildobjekte verwandelt, die logozentrisch nicht erkennbare Stimmungen abbilden. Ohne jeglichen Wahrheitsanspruch macht der Künstler also die sich stets von der Vergangenheit speisende und gleichzeitig von ihr losgelöste Gegenwart in ihrer Essenz erfahrbar. Denn trotz und gerade aufgrund der autobiographischen Färbung seiner Werke, wird in ihnen und durch sie deutlich, dass jedes Erleben und jedes Kunstwerk individuell und spezifisch ist und dass Leben und Kunst nicht das Ergebnis des Vorangegangen sein müssen, sondern jedem Augenblick das Potential für Neuerfindung innewohnt.                                              

Text: Leni Senger