Gerne laden wir Sie ein zur Vernissage der zweiteiligen Ausstellung der amerikanischen Künstlerin Jessica Craig-Martin
Vernissage: Freitag, 16. Juni 2017, 18 Uhr – 20 Uhr
Die Künstlerin wird anwesend sein
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Teil 1: Elements of Style
Ausstellung 5. Mai - 11. Juni 2017
Teil 2: Social Security
Ausstellung 17. Juni - 15. Juli 2017
Vernissage Freitag, 16. Juni 2017
Jessica Craig-Martin hat ein Auge für sprechende Details. Sie sieht die haarfeinen Risse in den gleissenden Oberflächen sorgfältiger Selbstinszenierung in einer Welt des Luxus. An Festen und Galas, Wohltätigkeitsbällen und Dinner-Partys der „Happy Few“ macht sie Aufnahmen von weichen Pelzen und harten Juwelen, Platin und Pailetten, gebräunter Haut und goldenen Kreditkarten. Ihre Bilder wirken wie Puzzleteile eines grösseren, umfassenderen Gesellschaftsporträts.
Alles begann auf einer grossen Party, zu der sie ihr erster Fotoauftrag für die amerikanische „Vogue“ führte, wie Jessica Craig-Martin in einem Interview mit Angus Cook erzählt. Während sie auftragsgemäss perfekt gestylte, junge Frauen fotografierte, bemerkte Craig-Martin, dass sich hinter diesen makellosen Schönheiten viel interessantere Motive zeigten: Film- und Bühnenlegenden wie Gina Lollobrigida, Carol Channing und Joan Rivers, „die in glitzernden Abendroben und Platinperücken über den roten Teppich schritten, um noch als 70-Jährige ihre neueste Broadway Show zu promoten“. Für Jessica Craig-Martin waren diese älteren Frauen die eigentliche Story. „Sie waren Kämpferinnen. Die hübschen Mädchen hatten ihre Schönheiten, diese Frauen aber hatten Schneid. Sie waren eine Sensation, und das wussten sie auch. Doch hinter ihrer glänzenden Fassade und ihrer gespielten Tapferkeit war ihre grosse Verwundbarkeit fühlbar.“ Das war der Moment, in dem Craig-Martin ihr Sujet für sich entdeckte.
Glänzende Oberflächen faszinieren, weil sie die Verheissung des Neuen und Unberührten, des Reinen und Makellosen in sich bergen. Der deutsche Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich hat sich in seiner Veröffentlichung „Habenwollen: Wie funktioniert die Konsumkultur?“ intensiv mit dem Phänomen der glänzenden Overflächen beschäftigt und dabei festgestellt: Kaum einer kann ihrer Verlockung widerstehen. Dem Glanz eignet eine beinahe metaphysische Kraft, was glänzt ist dem Alltäglich und scheinbar auch der Vergänglichkeit enthoben. Zugleich ist er das Zeichen für Wohlstand, Luxus, Erfolg, für Unberührbarkeit oder gar Unsterblichkeit.
Jessica Craig-Martin ist eine Expertin darin, die Lücken in den glanzvollen Selbstinszenierungen der Superreichen und Superprominenten zu sehen. Ihr Blick ist hellwach aber nicht hämisch; sie hat nicht die Absicht, Fotografierten der Lächerlichkeit auszuliefern. Meist bleiben die Gesichter oder zumindest die Augenpartie sogar ausgespart. Wenn Jessica Craig-Martin die Risse im Glamour der Reichen fokussiert, sieht sie dahinter keine Karikaturen, sondern Verletzlichkeit, Eitelkeit, Sehnsucht nach Anerkennung. Verwundbare Jedermänner und -frauen, allerdings mit einer soliden Schicht aus Geld und Glamour gepanzert. Manchmal verrutscht dieser Panzer eben ein wenig. Die Künstlerin ist sich durchaus bewusst, dass auch sie von der Fixierung auf glänzende Oberflächen infisziert ist. „Ich sehe die Partygäste, die ich fotografiere, als Teil eines gesellschaftlichen Phänomens. Ich bin zugleich Dokumentaristin wie auch ihre Komplizin. Das Blitzlicht verrät Anwesenheit. Ich bin Teil des Problems.“
Teil Eins: Elements of Style
Im ersten Teil ihrer Doppel-Ausstellung in der Galerie Andres Thalmann zeigt Jessica Craig-Martin zum ersten Mal eine Auswahl ihrer Modefotografien in einer Galerie. Es ist eine Auswahl an Auftragsarbeiten für Hochglanz-Magazine, die jedoch deutlich die Handschrift der Künstlerin verraten. Für die Ausstellung wurden sie in Grossformaten gedruckt, die die Sujets aus der Luxuswelt beinahe abstrakt wirken lassen. Wie auch in ihren künstlerischen Arbeiten, bewegen sich die abgebildeten Personen oft am Rande sozialer Katastrophen. Sie erscheinen eingebunden in eine dekadente Welt, in der Luxus und Verfall die zwei Seiten einer Medaille sind. In ihrer Ästhetik sind ihre Auftragsarbeiten deutlich mit ihren künstlerischen Fotografien verwandt, doch der Entstehungsprozess dahinter sei deutlich verschieden, erklärt Craig-Martin: „Meine künstlerischen Arbeiten entstehen spontan. Die Auftragsarbeiten hingegen in einer Art „arrangierter Spontanität“.“
Teil Zwei: Social Security
Der zweiten Ausstellung präsentiert Jessica Craig-Martins neue Serie von „Momentaufnahmen“, die im Rahmen luxuriöser Events entstehen, die die Künstlerin im Auftrag grosser Zeitschriften besucht. Die Bilder zeigen ihr fortgesetztes Interesse an den Stammesritualen und geheimen Regeln der High Society. „Idealerweise kann ich unbemerkt durch die Menge schlüpfen, bis das Blitzlicht mich verrät“, sagt Craig-Martin über ihre Arbeitsweise und fügt an: „Auch wenn es so scheint, als bewegte ich mich viel in Gesellschaft, so bleibe ich bei diesen Partys und Events doch in einer Kapsel der Zurückgezogenheit. Ich bin ganz auf mein fotografisches Ziel fokussiert, auf meine Augen, mein Objektiv.“ In ihren jüngsten Arbeiten rückt Craig-Martin etwas von jener „forcierten Heiterkeit“ ab, die in vielen ihrer Fotografien sehr präsent ist. Humor spielt noch immer eine wichtige Rolle in ihrer Arbeit, allerdings entwickelt sie in ihren neuen Aufnahmen das Spiel mit visuellen Möglichkeiten weiter.
Alice Henkes und die Künstlerin
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Jessica Craig-Martin sees things. Her lens reveals hairline cracks in the carefully structured surfaces of self-presentation. Taken at fund-raisers, gala events and dinner parties held for the “lucky few”, her images isolate details that reveal a bigger picture, as the viewer follows clues of soft furs and hard jewels, sequins and self-tanner, gold credit cards and platinum hair.
In an interview with Angus Cook, she describes her first commission as a party photographer for American Vogue. As Craig-Martin dutifully captured the beautiful, impeccably packaged young women, she noticed that to the left and right of these impeccably packaged starlets and socialites were women she felt were more interesting subjects. They included Joan Rivers, Gina Lollobrigida and Carol Channing, legend of stage and screen, “who arrived on the red carpet poured into a white sequined gown and a golden wig to promote, at 70, her new Broadway show." To Craig-Martin, these older women were the real story. Where the pretty girls had ‘pretty’, they had balls. They had all conquered Hollywood in their own way, decades back, and were currently worshipping devoutly at the Temple of Nips, Tucks, Spackle and Spanx. They were spectacle and they loved it. That was the moment when Craig-Martin discovered her subject. As she says: “One is never so naked as when dressed for a party."
We are drawn to glossy surfaces that seem to promise immaculate newness and virginal purity. German cultural historian Wolfgang Ullrich has studied the phenomenon and its near-metaphysical power. He notes that most of us find the allure of unusual glittering objects irresistible. Symbolising wealth, luxury and success, they also appear to be indestructible; even immortal.
Craig-Martin often crops her subject's eyes out of the frame, occluding identity. She is not interested in exposing identity; instead she uses the camera to capture her subject’s desire for approval; optimism, the vanity and fragility. These vulnerable “everywomen” and “everyone” may well feel safer within their carapace of moneyed glamour, but the armour inevitably slips.
Part One: Elements of Style
This is the gallery debut of Craig-Martin’s fashion-related photographs. The works are selected from commissioned editorials for the glossies, to which Craig-Martin has brought her signature style and wit. Here they have been printed at a scale no magazine could handle. At this scale, the luxe items they promote become almost abstract. As in her art works, the subjects of these photographs are often in a state of imminent social disaster, enmeshed in decadent tableaux in which luxury and degradation are two sides of the same coin.
Part Two: Social Security
This exhibition offers the latest of Craig-Martin’s ‘caught moments.’ Of working in this spontaneous way, she says: “ I like to slip through the crowd unnoticed, chasing perfect unposed moments. Although it would appear that I am very much in public, I experience a paradoxical state of extreme privacy and solitude at these events; a blissful simplicity of purpose in which there is only my eye and the lens.”
Alice Henkes and the Artist