Marcel van Eeden: Particles of grain, and earth, and air, and rain

Marcel van Eeden: Particles of grain, and earth, and air, and rain

Löwenbräu complex Zurich, Switzerland Saturday, March 22, 2014–Saturday, May 31, 2014

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Marcel van Eeden
Particles of grain, and earth, and air, and rain

22 March - 31 May, 2014

„Ein Zuhause haben bedeutet verletzlich sein. Nicht nur für die Angriffe anderer, sondern auch für unsere eigenen Abenteuer der Entfremdung“, stellt der Literaturkritiker James Wood fest. Doch Migration und Bewegung sind die Norm unserer Zeit. Die Person, die ihr Leben an nur einem Ort verbringt, ist heute die Ausnahme, wenn auch historisch die Regel. Die Heimatlosigkeit der heutigen Migranten, von jenen von uns, die entschieden haben, ihr Zuhause zu verlassen, ob nun des Studiums oder der Arbeit wegen oder auch dem einfachen Wunsch, mehr von der Welt zu sehen, nennt Wood „säkulare Heimatlosigkeit“. Ob und wann wir heimkehren, das Zuhause ist wahrscheinlich nicht mehr der Ort, den wir verlassen haben. Doch sollten wir deshalb bleiben? Vermutlich nicht. „Säkulare Heimatlosigkeit ist womöglich der unvermeidbare Normalzustand. Säkulare Heimatlosigkeit ist nicht nur das, was unweigerlich im Garten Eden geschehen wird, sondern was geschehen soll, wieder und wieder.“

Marcel van Eedens neue Arbeiten handeln von der Rückkehr an seine Geburtsstätte. Er hat Den Haag schon früher dokumentiert, nicht jedoch in diesem Massstab. Grosse Arbeiten in schwarzer Ölkreide zeigen Strassenszenen: die Aussicht unter einer Eisenbahnbrücke hervor, einen Boulevard, ein grosses Gebäude aus der Ferne gesehen, mit beleuchteten Fenstern. Ein Werk derselben Serie zeichnet die Linien eines dichten Musters von Blättern und Blüten nach, wie auf einer Tapete oder einem Vorhang, und erinnert an ein bedrückendes bürgerliches Interieur. In einer anderen Arbeit drängt sich die Nachricht „UTMOST IMPORTANCE“ (HÖCHSTE WICHTIGKEIT) in fetten Lettern in die rechte obere Ecke des ansonsten leeren Blatts. In die Landschaften gekritzelte Aufschriften scheinen die Arbeiten zu datieren oder auf Ereignisse in den Jahren 1930 oder 1939 zu verweisen – oder steht da 1950? Van Eeden wurde 1965 geboren und hat immer wieder Werkgruppen geschaffen, die Ereignisse vor seiner Geburt dokumentieren. Einige von ihnen verweisen auf wahre Geschichten, einige sind blosse Erfindung und einige vereinen beides in sich. Nichtsdestotrotz beziehen sie sich stets auf Erfahrungen, die der Künstler selbst nicht machen konnte. Wie also sind sie einzuordnen?

Ein kurzer Blick auf van Eedens Zeichnungen mag Nostalgie wecken angesichts der meist schwarz-weissen Farbpalette und film-noir-artigen Einstellungen und Ausleuchtung. Heutzutage ist Nostalgie oft Gegenstand von Spott, wird als Schwäche, als sinnloses Sichgehenlassen oder als regressiv betrachtet. Svetlana Boym beschreibt sie als „unschuldige Heimkehr, ein ethisches und ästhetisches Versagen … Der Nostalgiker strebt danach, Geschichte auszulöschen und sie in private oder kollektive Mythologie zu verwandeln, zu Zeit wie zu Raum zurückzukehren, und weigert sich, die Unumkehrbarkeit der Zeit, von der die menschliche Existenz überschattet ist, zu akzeptieren.“ Es ist offensichtlich, dass auch van Eeden nicht gewillt ist, sich dieser Unumkehrbarkeit zu unterwerfen. Gleichzeitig aber weigert er sich, die Unumstösslichkeit der dokumentierten Vergangenheit anzuerkennen. Seine Herangehensweise ist nicht der Relativismus des Historizismus, sondern eine Alchemie, die freizügig plausible und unmögliche Geschichten vermischt. Die Mischung ist jedoch nicht immer offensichtlich. Einige Werke wirken vage anachronistisch, andere Szenen scheinen plausibel (dass etwa van Eedens Protagonist Oswald Sollmann vor dem Pergamonaltar stand wie in der Serie Die Archäologe. Die Reisen des Oswald Sollmann, 2006-2008) und wieder andere stellen die Gutgläubigkeit des Betrachters auf die Probe (ein Untertitel in der Serie K.M. Wiegand Life and Work, 2005, behauptet, der Protagonist habe Elizabeth Taylor geheiratet). Und van Eeden arbeitet nicht ausschliesslich in einem dokumentarischen Format. Andere Arbeiten tauchen ins Absurde und Surreale (A Cutlet Vaudeville Show, 2010) oder die Welt des Kriminalromans (The Zurich Trial Part 1: Witness for the Prosecution, 2008-2009). Text innerhalb dieser Zeichnungen, in der Form von Bildunterschriften oder Sprechblasen, verschleiert ebenso oft wie er erklärt und suggeriert stets mindestens zwei mögliche Lesarten.

Auch wenn Marcel van Eedens neueste Arbeiten im Vergleich einfacher wirken, so haben wir mittlerweile von ihm gelernt, der Einfachheit zu misstrauen. Im Verlauf seiner bisherigen Karriere sind auch Social-Media-Plattformen immer wichtiger geworden. Heute verwenden wir Instagram, um den gegenwärtigen Tag um Jahrzehnte älter erscheinen zu lassen. Nathan Jurgensen schrieb dazu: „Social Media haben die User eingeladen, eine Art dokumentarische Sichtweise anzunehmen, in der die Gegenwart zu jeder Zeit als potenzielle Vergangenheit wahrgenommen wird.“3 Vielleicht ist es ein Akt des Widerstands gegen diese „Entdeckung“ der Retro-Optik und der nostalgischen Gegenwart, dass die Filter, die van Eeden verwendet, Vergangenheit nicht als Schauplatz tröstlicher Reminiszenzen vorschlagen, sondern als archäologischen Schauplatz. Und so wurde Den Haag beobachtet und wurden die Beobachtungen ihrerseits untersucht, überschrieben, nach ihren architektonischen Vorzügen durchforstet und wurden ihnen vielleicht die nächsten Schritte in ihrer Geschichte eingeschrieben. Dies ist keine Rückschau, denn das war es nie, aber diese dunklen Schatten unter der Brücke sind nicht beruhigend.

Aoife Rosenmeyer

Marcel van Eeden wurde 1965 in Den Haag, Niederlanden geboren. Er lebt und arbeitet in Zürich und Den Haag. 2013 gewann er den Ouborgprijs von Den Haag; Einzelausstellungen: Tel Aviv Museum of Art, Israel (2014), Kunstmuseum St. Gallen (2011); Galerie Bob van Orsouw (2014, 2010, 2007); Haus am Waldsee, Berlin (2010); Hamburger Kunsthalle, Hamburg (2009); Centraal Museum, Utrecht (2008); Gemeentemuseum GEM, The Hague (2003). Internationale Gruppenausstellungen u.a.: Martin-Gropius-Bau, Berlin (2011); Kunstmuseum Bonn (2010); Magasin 3 / Stockholm Konsthall (2010); Kestnergesellschaft, Hannover (2007).

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Marcel van Eeden
Particles of grain, and earth, and air, and rain

22 March - 31 May, 2014

‘To have a home is to become vulnerable. Not just to the attacks of others, but to our own adventures in alienation’ observes literary critic James Wood. Yet migration and movement are the norm in our time. The person who lives their life in just one place is now the exception, if historically the rule. Wood calls the homelessness of the contemporary migrant, those of us who have chosen to leave home, be that for study, work, or the straightforward desire to see more of the world, ‘secular homelessness’.1 If and when we return home, that home is unlikely to be the same place we left. But should we stay? Probably not. ‘Secular homelessness… might be the inevitable ordinary state. Secular homelessness is not just what will always occur in Eden, but what should occur, again and again.’

Marcel van Eeden’s new works mark a return to his birthplace. He documented Den Haag before, earlier in his career, but not at this scale. Large works in black oil pastels present street scenes: a view from under a railway bridge; a boulevard; a large building observed from a distance, lights burning in its windows. In the same series a dense pattern of leaves and flowers - wallpaper or a curtain - is described in line, calling to mind a stifling bourgeois interior, and in another work the message ‘UTMOST IMPORTANCE’, in thick characters, crowds into the top right hand corner of the otherwise blank sheet. Scrawled writing over the landscapes appears to date the works, or make reference to events of 1930, 1939 and maybe that says 1950? Van Eeden was born in 1965 and has consistently created bodies of work that document events or lives prior to his birth. Some of these reproduce true histories, some are inventions and several combine the two. Nonetheless, they are always experiences the artist could not have direct knowledge of, so how can they be classified?

A brief glance at the artist’s drawings might suggest nostalgia, given the largely black and white palette and film noir-ish framing and lighting. Nowadays nostalgia is a subject of derision, seen as a weakness, wasteful indulgence or regressive. Svetlana Boym identifies it as a ‘guilt free homecoming, an ethical and aesthetic failure…The nostalgic desires to obliterate history and turn it into private or collective mythology, to revisit time like space, refusing to surrender to the irreversibility of time that plagues the human condition.’2 It is clear that van Eeden also refuses to surrender to the irreversibility of time, though he also refuses to acknowledge the recorded past’s fixedness. His approach is not the relativism of historicism but an alchemy that liberally blends plausible and impossible histories. The admixture is not always evident, some works seem vaguely anachronous, other scenes are feasible (that van Eeden’s protagonist Oswald Sollman stood before the Pergamon Altar as recorded in the series Die Archäologe. Die Reisen des Oswald Sollmann (The Archeologist. The Travels of Oswald Sollmann, 2006-2008), for instance) and others clearly test the viewer’s credulity (a caption in the series K.M. Wiegand Life and Work (2005) states that the protagonist married Elizabeth Taylor). And van Eeden does not work exclusively in a documentary format; other works embrace the absurd and surrealistic (A Cutlet Vaudeville Show, 2010) or detective fiction (The Zurich Trial Part 1: Witness for the Prosecution, 2008-9). Text within these drawings, in the form of captions or speech bubbles, obfuscates as frequently as it clarifies, and nearly always provokes at least two layers of reading.

If van Eeden’s most recent works seem, in comparison, simpler, by now he has taught us to distrust simplicity. Over the course of his career to date, social media platforms have also become extraordinarily prevalent. Now we use Instagram filters to render the current day decades older; as Nathan Jurgensen has written ‘social media have invited users to adopt a sort of documentary vision, through which the present is always apprehended as a potential past’.3 Maybe as an act of resistance to this ‘discovery’ of the old look and the nostalgic present, the filters van Eeden uses propose a past not as a site for comforting reminiscence, but excavation. Den Haag has been observed, and those observations in turn examined, written over, considered for their architectural merits, perhaps the next stages in their history inscribed upon them. It is not hindsight, for it never was, but those dark shadows under the bridge do not reassure.

Aoife Rosenmeyer

Marcel van Eeden was born in The Hague, The Netherlands in 1965, he lives and works in Zurich and The Hague. In 2013 he won the Ouborgprijs, Den Haag; Major Solo Exhibitions: Tel Aviv Museum of Art, Israel (2014), Kunstmuseum St. Gallen (2011); Galerie Bob van Orsouw (2014, 2010, 2007); Haus am Waldsee, Berlin (2010); Hamburger Kunsthalle, Hamburg (2009); Centraal Museum, Utrecht (2008); Gemeentemuseum GEM, The Hague (2003). International Group Exhibitions a.o.: Martin-Gropius-Bau, Berlin (2011); Kunstmuseum Bonn (2010); Magasin 3 / Stockholm Konsthall (2010); Kestnergesellschaft, Hannover (2007).