Friedrich Schröder Sonnenstern
10. August - 19. Oktober 2013
Eröffnung: 10. August 2013, 18 - 21 Uhr
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Anlässlich des 121. Geburtstages von Friedrich Schröder-Sonnenstern präsentieren wir am
Mittwoch, dem 11. September 2013, um 19 Uhr, in der Galerie Brockstedt/Berlin, Mommsenstraße 59, in Berlin-Charlottenburg,
das neue Buch von
Klaus Ferentschik und Peter Gorsen
"Friedrich Schröder-Sonnenstern und sein Kosmos"
Parthas Verlag
340 Seiten, mit 50 teils farbigen Abbildungen,
Hardcover mit Schutzumschlag, 12,5 x 20,5 cm
ISBN: 978-3-86964-069-3
Herr Ferentschik wird anwesend sein, das Buch vorstellen und unbekannte Filmdokumente zu Schröder-Sonnenstern präsentieren.
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„Wäre nicht das Auge sonnenhaft, wie könnten wir das Licht erblicken?
Lebt nicht in uns des Gottes Kraft, wie könnt uns Göttliches entzücken?“
Diese Worte Goethes treffen beides: Die „Spezialität“ der „Sonnenstern-Bewegung GmbH“, welche der Ostpreuße, doch größtenteils in Berlin lebende Friedrich Schröder in den Zwanzigerjahren gegründet hatte. Goethe stellte sich vor, „im Auge wohne ein ruhendes Licht, das bei der mindesten Veranlassung von innen und von außen erregt werde“, deshalb könne man sowohl in der Finsternis wie auch im Traum und im „wachen Zustande“ sehen (vgl. Zeichnung „Der Sonnenstern“ von 1950, auf der Einladungskarte).
Diese Worte unterstreichen gleichermaßen auch das Motto der diesjährigen „Biennale der Outsider“ in Venedig, die ihr bisher jüngster (39) Leiter Massimiliano Gioni vom NY Museum of Contemporary Art mit dem Motto überschrieb: „Was sehen Künstler, wenn sie die Augen schließen und wie funktioniert die Wahrnehmung von Bildern?“ Er hat dort mit
150 Künstlern seiner Wahl ein Museum auf Zeit konzipiert, mit denen er sich seinem Traum vom universellen totalen Wissen nähern möchte. Unter den Bildern der 40 Künstler, die nicht mehr leben, sind zehn Arbeiten Schröder-Sonnenstern.
Zeitgleich zeigt die Galerie Brockstedt vom 10 August bis zum 10. Oktober 2013 über 50 Inkunabeln seines Schaffens.
Auf der Einladungskarte unter anderem die „Anthrotrilogie“, eines seiner 67 immer wieder in Variationen aufgenommenen Themen, die seine Sicht der Welt beschreibt: Ein Esel mit den drei Säcken Glaube (blau), Liebe (rot) und Hoffnung (grün) auf dem Rücken, wird von einem Mann mit der Flasche genährt und bekommt zur selben Zeit die Peitsche; der Esel weint, nimmt aber trotzdem die Flasche an. Ein Affe, Sinnbild für den Spiegel des Menschen, zupft ihm an seiner Schärpe und zeigt ihm den Vogel: Der Mensch als Hypokrat.
Schon zu Lebzeiten erreichte Schröder-Sonnenstern als Künstler Weltgeltung. Jean Dubuffet wollte ihn für die „Art brut“ vereinnahmen, Selbiges versuchten auch die Surrealisten wie Hans Bellmer und André Breton, die Arbeiten von ihm sammelten.
Wer war dieser seltsame Mann, dieser „Moralist unter der Narrenkappe“, wie ihn Wieland Schmied in seiner Würdigung anlässlich seines Todes 1982 beschrieb? „Ein Genie, wie Henry Miller meinte, oder bloß ein Original, ein Irrer, ein komischer Heiliger, ein liebenswerter Kauz?“ Er spielte alle diese Rollen und zog rastlos umher, „als Kriegsdienstverweigerer und Nervenkranker, als Wahrsager und Quacksalber, als wundertätiger „Eliot vom Sonnenstern“ oder als „Schrippenfürst von Schöneberg“, der reichen Leuten mit vielerlei Einfällen das Geld abknöpfte, um Brötchen an Kinder zu verschenken. Sein ganzes Leben hat er der Rebellion gegen die herrschenden Normen gesellschaftlichen Verhaltens gelebt. Seine Biographie liest sich als die Geschichte fortwährenden Aufbegehrens und immer wiederkehrender Einweisungen in Anstalten.
Sein zeichnerisches Werk, im Jahrzehnt 1949 bis 1959 in einem gewaltigen Schub entstanden, ist der radikalste Angriff auf unsere entfremdete und entsinnlichte, von künstlichen Bedürfnissen und zwanghaftem Konsum genährte Lebensweise. All seine erotisierten Dämonen und Mondgeister sind kultur- und sozialkritisch gemeint, in ihren Ansätzen naiv, in ihrer Wirkung noch gar nicht abzusehen, eine Revolte gegen den „eindimensionalen Menschen“. Als Sitten-und Seelenspiegel eines Utopisten gehört es zur Geschichte der unterdrückten Phantasie des Menschen, in einem bis zur Selbstzerstörung von Rationalität geprägten Zeitalter, die sich aus dem Unbewussten der Psyche eines einzelnen warnend zu Wort meldet. „Weckt mich, wenn ich tot bin“, sagte Sonnenstern. Aber wer weckt uns heute?“
Schon Ende der 50er Jahre, zum Zweck der Verbreitung seiner Gedanken, ließ er mehrere Kunststudenten seine Arbeiten ausführen und entwickelte somit eine Art Werkstatt/Factory, wie auch u.a. Holbein, Rembrandt, Rubens oder Warhol. Ab 1959 legte der Sonnenstern kaum noch selbst Hand an.
Auf der 55. Biennale in Venedig sind bis zum 24. November 2013 im "Enzyklopädischen Palast" zehn großformatige Farbstiftzeichnungen von Schröder-Sonnenstern zu sehen.