Joseph Beuys
Werke aus einer Privatsammlung
26. Oktober - 6. Dezember 2013
Eröffnung: Samstag, den 26. Oktober 2013, 18:00 - 21:00h
40 MULTIPLES und ZEICHNUNGEN DER 70er/80er JAHRE AUS EINER SUEDDEUTSCHEN PRIVATSAMMLUNG
U.a. werden gezeigt: die noch vollständig geschlossene Lithographiemappe „Spur 1“ von 1974,
18 handbearbeitete Multiples des „Bonzenbunker“ von 1981, „Das Kapital“ von 1971 u.v.m.
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„Die Revolution, das sind wir. Mich interessiert Transformation, Wandel, Umwälzung – die Verwandlung von Chaos durch Bewegung in eine neue Ordnung.“
Joseph Beuys
In Europa steht die singuläre Figur Beuys für sich und berührt doch viele Richtungen: Fluxus, Happening, Prozesskunst, Environment. Ein Einzelgänger im Zentrum der sechziger und siebziger Jahre. Erst als die Kunst Mitte der sechziger Jahre konstruktivistische und expressionistische Entwürfe hinter sich lässt und offene Prozesse als direkte Energiepotentiale zu aktivieren beginnt, fließt sein erweiterter Kunstbegriff in breite Strömungen ein: „Jeder Mensch ist ein Künstler – Auf dem Weg zur Freiheitsgestalt des sozialen Organismus.“ (1978). Für ihn ist Kunst Therapie, und er bezieht die künstlerische Praxis auf die gesamte politische, gesellschaftliche und soziale Realität, seine Forderung nach Toleranz.
Beuys verfügt damals bereits über ein höchst individuelles Werk, in dem einen besonders die zarten, Lebensprozesse und –ordnungen nachtastenden Zeichnungen und Multiples berühren: In dieser Ausstellung zeugen eindrucksvoll u.a. die Werkgruppe „Spur 1“, „Das Kapital“ und „Bonzenbunker“ davon.
Als begeisterter Anhänger von Rudolf Steiners Anthroposophie sieht er den Menschen als ganzheitliches Wesen, das sich mit der Natur versöhnen und die starren Begriffe rationalen Denkens mittels der Imagination verflüssigen soll. Der Mensch darf sich durch seine Gabe des Denkens als Teil des Kosmos mit einer totalen grenzenlosen Wirklichkeitserfahrung begreifen. Zum Natur- beziehungsweise Gesellschaftswesen ist der Mensch geschaffen, als Denkender jedoch ist er selbst Schöpfer. Beuys fasst die gesamte Evolution als beständiges Werden und Vergehen auf, als einen plastischen Prozess, der sich aufspalten lässt in die Triade Chaos - Bewegung - Form. Das Denken selbst ist gleichfalls ein plastischer Prozess, und zwar ein solcher, der nicht im Bereich des Materiellen, sondern im rein Geistigen sich vollzieht. Indem wir im intuitiven Denken aus dem Chaos unserer Wahrnehmungen innerhalb des Geistigen die konkreten Begriffe tätig hervorbringen, sind wir Gestaltende, das Gestaltete ist die Idee oder der Begriff. Maßgeblich an diesem Gestaltungsvorgang innerhalb des Geistigen ist, dass er frei, das heißt unabhängig von äußerlichen Bestimmungen ist. Indem wir als Denkende innerhalb des Geistigen frei formen, sind wir gottgleich, das heißt, wir wiederholen, wie Beuys sagt, „das Evolutionsprinzip ganz vom Urbeginn an“. Was das Kunstobjekt vom Naturprodukt unterscheidet, ist einzig, dass es eine Hervorbringung des in seinem Denken freien Menschen ist, umgekehrt ist jede frei vom Menschen hervorgebrachte Schöpfung Kunst, gleichgültig, ob sie im Museum steht oder nicht.
Barbara Brockstedt