Jupp Linssen und Thomas Reifferscheid
15. Mai - 12. August 2014
BERLIN, Mommsenstr. 59, Di - Fr 10-18 + Sa 10-14 Uhr
"Ein Schlüsselloch zurück in die Zeit"
Schicht um Schicht trägt Jupp Linssen Materie - wie Öl, Sand, Fragmente von
Zinkblech, Papier oder Holz - ohne sie um ihre stoffliche Qualität zu bringen, auf
seine robusten Leinwände auf. Er baut daraus reliefartige "Objekte", welche ihre
Umwelt physisch verändern, zu einem intensiven Dialog auffordern.
Dies ist einer der Berührungspunkte der beiden hier ausgestellten befreundeten
Künstler, eine Verwandtschaft mit den Skulpturen von Thomas Reifferscheid.
Beide bewegen sich im Bereich der Abstraktion, die gelegentlich in ihrer Arbeit leise
an etwas Figurales erinnern oder von ihm beunruhigend durchkreuzt werden.
Auf unterschiedliche Weise haben sich beide in ihrer Gestaltung einer dichten
ruhigen Strenge verschrieben, die hier und da jedoch eines humorvollen, leise
angedeuteten Schwungs nicht entbehrt.
Stefan Skowron erscheint ein Werk Linssens wie eine Luftaufnahme einer realen
brach liegenden Landschaft, ein "Schlüselloch zurück in die Zeit" - "zu erkennen sind
Linien von Farbe, tiefe Gräben von verletzenden Pinsel-oder Spachtelspuren,
oberflächliche Kanäle und Seen voller fremden Materials und spinnennetzartige
Craqueles als Beweis für die Lebendigkeit der Materie, doch das Offensichtliche wird
zum Geheimnis erklärt." Jürgen Schilling denkt an "schrundige Wände, die dem
Wetter ausgesetzt, benutzt, abgeschabt, zersetzt, bekratzt, ein weiteres Mal
übertüncht und verputzt...werden, bis schließlich eine locker angelegte Zeichnung -
wie zufällig - darübergelegt wird....Das Verhältnis von Realität und Imagination will
hier "über die sinnliche Wahrnehmung hinaus - neu durchdacht werden."
So sind auch die meist aus harten Gesteinen wie Granit, Basalt, Marmor und
Kalkstein gehauenen abstrakten Skulpturen für Thomas Reifferscheid "eine freie
Formulierung ohne eine Funktion. Ich suche nach einer Poesie, die sich bildet aus
Material, Volumen und Struktur. Dabei sind meine Arbeiten stark beeinflusst durch
die natürliche Umgebung des Standortes sowie der Materialeigenschaften einerseits
und andererseits reflektiere ich auf die Einflüsse der jeweiligen kulturellen
Umgebung. Meist bevorzuge ich zeitlose Symbole wie ein Tor oder den Kubus als
Ausgangspunkte, während der Arbeit verändern diese sich in eine neue eigene
Identität." Häufig setzt er zwei oder mehrere Arbeiten nebeneinander, so dass sich
ein lebendiger Dialog entfaltet.
Für beide Künstler gilt die Charakterisierung Skowrons: "Wer die Topographie dieser
Werke als eine Kulturlandschaft aus Raum und Zeit, Idee und Gegenstand, Gefühl
und Tat anerkennen kann, mag mehr von ihnen haben als den fragwürdigen Genuß,
den bloße Dekoration bietet."