„Do I contradict myself?
Very well, then I contradict myself, I am large, I contain multitudes.“
Von der Zeit der Renaissance bis zum heutigen Tag beschäftigen sich die Künstler mehr und mehr mit den verschiedenen Nuancen des Gesichtsausdrucks. Nicht zuletzt weil die Bilder immer mehr als Drama angesehen wurden, eingefroren an einem entscheidenden Punkt der Entwicklung. Lehrbücher wurden produziert, in denen eine standardisierte Spanne von Ausdrücken in Form von Diagrammen dargestellt wurde. Diese Bücher gibt es bis heute, nur werden die Bilder heute durch Fotografien ersetzt.
Heinigs Arbeiten stellen eine Rebellion gegen diese externe Betrachtungsweise dar, eine Rebellion, die in der Geschichte des Deutschen Modernismus wurzelt. Der Künstler, dem er dabei am nächsten kommt, ist Alexej Jawlensky, von Geburt Russe, aber durch Adoption Deutscher. Ein großer Teil von Jawlenskys Arbeiten besteht aus einzelnen Köpfen, und im Wesentlichen nutzt er diese in der gleichen Art wie Heinig, als Vehikel für poetische Emotionen. Jawlensky wirkt häufig mehr wie ein Kubist als wie ein Expressionist, obwohl er eng mit der Künstlergruppe Blaue Vier in München verbunden war. Einige seiner eindrucksvollsten „Kopf-Bilder“ waren Arrangements von Flächen, die auf Inspiration durch afrikanische Masken aufzubauen schienen.
Heinig bewegt sich sogar noch freier von einer stilistischen Formensprache zur anderen. Manchmal entsteht die Form eines Kopfes durch geradezu raumgreifenden Gestus. Manchmal, wie im Gegensatz dazu, besteht sie aus einer Vielzahl von feinen dahin schwindenden Strichen. Einige der Köpfe nähern sich Karikaturdarstellungen im Sinne eines George Grosz, andere scheinen auf elegante Illustrationen von Art-Deco-Magazinen anzuspielen.
Heinig kreiert ein Ensemble von imaginären Charakteren, wie etwa in der Art eines Theaterdirektors, der ein Schauspiel castet. Er sucht nach einem Gesicht, das auf seine eigene momentane emotionale Stimmung passt. Die Köpfe sind keine objektiven Darstellungen von etwas Beobachtetem, sie sind Masken, durch die ein einziges Individuum in vielen Stimmen spricht.
Ihre Vielfalt (aber zugleich essentielle Einheit) erinnert mich an eine berühmte Zeile von Walt Whitman (gest. 1892) – das meistzitierte Zitat eines oft zitierten Poeten, der die Sensibilität der Modernisten vorausgesehen hat: „Do I contradict myself? Very well, then I contradict myself, I am large, I contain multitudes.“ Alles, was Heinig malt, ist unverwechselbar er, und alles ist anders.
Edward Lucie-Smith, 2007