Wir möchten Sie nochmals sehr herzlich zur Eröffnung der ersten Einzelausstellung des israelischen Künstlers Erez Israeli in Deutschland einladen. Sie findet morgen, Freitag, 27. März 2015 von 19:00 bis 21:00 Uhr in den Räumen der Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin statt und trägt den Titel „The Difference Between OOOOH and AAAAH“.
Erez Israeli zählt zu den bekanntesten Künstlern der jüngeren Generation in Israel. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit dem Antisemitismus, dem Holocaust, der Beziehung zwischen Deutschland und dem Judentum, aber auch mit der politischen Situation in seiner Heimat.
Beispielweise nähte er sich für seine Video- und Fotoarbeit „Jewish Lessons“ (2009) mit Nadel und Bindfaden einen Davidstern in die Brust, um ihn in seiner grausamen, im wahrsten Sinn des Wortes schmerzhaften Bedeutung zu versinnbildlichen. An diese Arbeit knüpft er jetzt in seiner aktuellen Ausstellung bei Crone an, allerdings indem er die Konnotation genau ins Gegenteil verkehrt. Acht Wochen lang besuchte er an jedem Sonntag den Berliner Techno-Klub Berghain. Am Eingang erhielt er wie üblich jedes Mal einen Einlassstempel. Diesen Stempel wusch er am nächsten Tag nicht ab, sondern ließ ihn sich in die Haut eintätowieren. Den Vorgang hielt er in zehn Photographien und einer Video-Arbeit fest. Sie bilden ein zentrales Element der Ausstellung und verbinden kollektive Erinnerung mit kollektiver Ektase: Unweigerlich wird dem Betrachter vor Augen geführt, dass selbst das radikalste Bekenntnis eines jungen Israeli zum heutigen, kontemporären Deutschland mit seiner faszinierenden Tanz- und Nachtclubkultur nicht ohne Bezug zu den historischen Gegebenheiten gesehen werden kann, dass also beim freiwilligen Eintätowieren von Einlassstempeln des erklärten Lieblingsclubs sofort auch die Erinnerung an das Eintätowieren der Häftlingsnummer in den Vernichtungslagern der Nazis mitschwingt.
Ergänzt werden die Video- und Photoarbeiten durch vier großformatige Tuschemalereien auf Holz. Sie tragen den Titel „Rooms“ und zeigen Sex-Szenen aus den Darkroom-Bereichen des Berghains. In Verbindung mit den Einlassstempel-Tätowierungen verweist die ausgesprochen explizite Darstellung homosexueller Praktiken darauf, dass auch Schwule zu den Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie zählten, in Israelis Heimat aber heute von konservativen Kräften gleichwohl geächtet werden.
Einen ähnlichen radikalen Ansatz wählt Israeli in seiner Zeichnungs-Serie „Jokes“, die im Untergeschoß der Galerie gezeigt wird. Er konfrontiert den Besucher mit gängigen Stereotypen, indem er besonders „harte“, teils geschmacklose Juden- und Deutschen-Witze illustriert. Damit thematisiert er nicht nur den grassierenden Antisemitismus, sondern er paraphrasiert auch die Debatte nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen und den Protest gegen islamkritische Karikaturen.
Zu den weiteren, zentralen Werken zählt ein skulpturales Wandpanel mit dem Titel „Ship of Fools“. Israeli bezieht sich darin deutlich erkennbar auf Dürers „Narrenschiff“. Allerdings gibt er dem Segelboot, mit dem die Narren über das Meer fahren, den Namen „T4“, den Code für das Euthanasieprogramm der Nazis. Die Narren an Bord wiederum sind ausschließlich Juden, für Israeli ein Sinnbild dafür, dass sie von ständiger Vernichtung bedroht sind und gleichzeitig absolute Narrenfreiheit genießen, dass ihre Identität also sowohl von schlimmstmöglicher Fremd-, als auch von größtmöglicher Selbstbestimmung geprägt ist
Mit deutscher Symbolik spielen auch andere Arbeiten in der Ausstellung. Immer wieder verwendet Israeli kitschige, heimelige Spielzeug- und Märchenfiguren, die er mit düsteren, expressionistischen Motiven verknüpft. In der Arbeit „Nudes in the Sun“ treffen beispielsweise liebliche, idyllische Laubsägepuppen auf Szenarien, die an Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix erinnern. Die verharmlosende, romantisierende Heimatliebe-Ästhetik der Nazis wird auf diese Weise mit dem Schrecken konfrontiert, der ihr sublim innewohnt.
In zwei Skulpturen und mehreren Selbstporträts greift Israeli wiederum das Klischee der großen jüdischen Nase auf und verwendet es gleichzeitig zur Selbstbezichtigung und zur Anklage. Dadurch adressiert er auch hier Doppeldeutigkeit, die bis heute das Verhältnis anderer Kulturen zum Judentum sowie jenes innerhalb der jüdischen Kultur selbst bestimmt.
Erez Israeli wurde 1974 in Beer Sheva geboren und lebt heute in Tel Aviv. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem im Martin-Gropius-Bau, Berlin, im Tel Aviv Art Museum und im Georg Kolbe Museum, Berlin. Für große Beachtung sorgte sein monumentales Wandgemälde „Firewall Mural“, das er im letzten Jahr an der Feuerwand des Kunsthauses Bethanien in Berlin anbrachte.
Die Arbeiten für die Ausstellung „The Difference Between OOOOH and AAAAH“ bei Crone entstanden im Rahmen einer Künstlerkooperation anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel: Für drei Monate tauschte Erez Israeli dabei sein Atelier mit dem deutschen Künstler Norbert Bisky. Biskys Tel-Aviv-Impressionen sind zeitgleich im Atelierhaus der Bötzow Brauerei Berlin zu sehen.
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We would like to once again invite you to the opening of Erez Israeli’s first solo exhibition in Germany. It takes place tomorrow, Friday, 27 March 2015 from 7:00 until 9:00 pm at Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin and is entitled “The Difference Between OOOOH and AAAAH”.
Erez Israeli is one of the most renowned young artists in Israel. His work addresses antisemitism, the Holocaust, the relationship between Germany and Judaism but also the political situation in his homeland.
In the process he often uses his own body as a surface for projecting and representing judaism in general. He uses it as a ‘collective body’ upon which he makes history’s traumatic and cultural influences real and tangible, because they can rapidly become empty, technical codes as part of a culture of remembrance and loses their original meaning.
For example, in his video and photo work "Jewish Lessons" (2009), he sewed a Star of David with needle and thread on to his chest to symbolise its cruel and painful meaning – in the truest sense of the word. His current exhibition at Crone follows on for this work, although this time he turns the connotation inside out. Every Sunday for eight weeks, he visited Berghain, Berlin’s legendary and world famous techno club. On every occasion, he received an entry stamp at the entrance. Instead of washing it off the next day, he had it tattooed onto his skin. He documented the process in ten photographs and in a video work. They form a central element in the exhibition and connect collective memory with collective ecstasy – it becomes inevitably clear for the viewer that even a young Israeli’s devotion to contemporary Germany with its fascinating dance and night club culture cannot be seen without reference to the historical facts, and freely tattooing the entry stamps of a favourite club immediately recalls the tattooing of prisoner numbers in the Nazi concentration camps.
The video and photo works are complemented by four large-format ink paintings on wood. Entitled ‘Rooms’, they depict sex scenes from the dark room area in Berghain. Together with the entrance stamp tattoos, the explicit representation of homosexual acts reminds us that gay people were also amongst the victims of National Socialism, yet today, are just as equally despised in Israeli’s homeland by the conservative forces.
Israeli chose an equally radical approach in his drawing series ‘Jokes’, which are presented on the ground floor of the gallery. He confronts the viewer with common stereotypes by illustrating particularly ‘harsh’, at times tasteless, Jewish and German jokes. He thus addresses not only the rampant antisemitism, he also paraphrases the debate following the Charlie Hebdo attack and the protest against caricatures critical of Islam.
A further key work is a sculptural wall panel entitled ‘Ship of Fools’. Israeli clearly references Dürer’s own ‘Ship of Fools’. Although here he gives the sailing boat in which the fools sail across the sea the name ‘T4’ – the code for the Nazi’s euthanasia program. The fools on board are solely Jewish, for Israeli an allegory that they are constantly threatened with extermination, simultaneously enjoying a blissful state of ignorance that is shaped both from the worst kind of friend as well as the greatest possible self-determination.
Other works in the exhibition play with German symbolism. Israeli repeatedly uses kitsch, homely figures of toys and fairytales, which he combines with morbid, expressionist motifs. For example, in ‘Nudes in the Sun’ sweet, idilic wooden puppets encounter scenarios that recall Ernst Ludwig Kirchner or Otto Dix. The Nazi’s seemingly harmless, romanticised, patriotic aesthetic is confronted with its inherent horror.
Israeli incorporates the cliché of the big Jewish nose in two sculptures and several self-portraits and uses it as both indictment and self-designation. Thus, he addresses a double meaning here as well; one which defines the relationship other cultures have with Judaism as well as within the Jewish culture itself.
Erez Israeli was born in 1972 in Beer Sheva and lives in Tel Aviv. His work has been shown in numerous international group and solo exhibitions, including the Martin Gropius Bau, Berlin, the Tel Aviv Art Museum and the Georg Kolbe Museum, Berlin. His monumental mural ‘Firewall Mural’, which he installed at the Kunsthaus Bethanien in Berlin, received considerable publicity.
The works for the exhibition ‘The Difference Between OOOOH and AAAAH’ at Crone were created as part of an artistic cooperation on the occasion of the 50 anniversary marking the beginning of diplomatic relations between Germany and Israel: Erez Israeli exchanged his studio for three months with the German artist Norbert Bisky. Bisky’s impressions of Tel Aviv can be currently seen at the Bötzow Brauerei in Berlin.