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Der definierte Raum
15. April – 21. Mai 2011
Eröffnung, Donnerstag, 14. April, 18 - 20 Uhr
Die Galerie Eva Presenhuber freut sich, mit der Ausstellung «Der definierte Raum», gleichzeitig neue Arbeiten
des österreichischen Künstlers Franz West zeigen zu können, als auch ihre neuen Räume im Gebäude Diagonal zu
beziehen.
Nachdem Franz West früh entschieden hatte nicht im Zweidimensionalen zu arbeiten, sondern sich (und auch
anderen) mittels der Skulptur eine Welt zu ermöglichen, die in jeder Hinsicht erleb- und nutzbar sein sollte,
entstehen erste so genannte Passstücke, Formgebilde, die jeder seinem Belieben entsprechend in Relation zum
eigenen Körper bringen konnte.
Mit diesen Passstücken formulierte Franz West erstmals eine für sein weiteres Arbeiten grundlegende
Charakteristik: nicht er als Künstler sollte im Werk eine autonome und abgeschlossene Gültigkeit schaffen,
sondern erst der Betrachter und Nutzer konnte dies mit seiner je von und für ihn vollzogenen Handlung
vervollständigen. Ganz in diesem Sinne sagt Franz West: «Der Tod des Autors ist ein Thema aus der Perikles Zeit,
Bildhauer zu sein, hieß damals, dass Ideen durch dich hindurch fließen. Sie waren passive Instrumente, die dazu
dienten, Skulpturen zu schaffen.»i
Als logische Fortführung dieser Ideen entstanden die ersten Möbel. Sie haben es dem Rezipienten einfacher
gemacht einen Umgang zu finden. Konnten sie einerseits im privaten Bereich tatsächlich als Objekte genutzt
werden, so bekamen sie im institutionellen Rahmen einen rätselhaften Status: handelte es sich nun um Kunst
oder Möbel?
Die ebenfalls in der Folge der Passstücke entstehenden «legitimen Skulpturen» verweigern dem Betrachter einen
direkten physischen Kontakt. Die auf Sockel gestellten oder allein schon aufgrund ihrer Größe nicht mehr
handhabbaren Arbeiten «wollen nicht als in sich ruhende Objekte einer kontemplativen Betrachtung verstanden
werden, sondern sind wiederum in erster Linie Angebote zu einem Dialog, der nun aber vornehmlich auf einer
gedanklichen Ebene stattzufinden hat.»ii
Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet Franz West an großformatigen Außenskulpturen, anfangs aus Blech und
später dann aus Aluminium. Für eine Ausstellung im Schlosspark Ambras in Innsbruck entstehen ein ganze Reihe
von Arbeiten, welche formal besonders schlicht gestaltet sind: die Wuste, Qulze und Qwertze werden von West als
«Leibformen» bezeichnet. Aufgrund ihrer niederen Höhe laden vor allem die Wuste dazu ein, sich auf ihnen nieder
zu lassen und können so wie ein Bindeglied zwischen den Passstücken und den Möbeln genommen werden. Völlig
abstrakt in der Form lassen sie sich dennoch leicht einer gewohnten Funktion unterordnen.
In der Ausstellung «Der definierte Raum» vereint Franz West Arbeiten aus den oben genannten Gruppen:
Dabei zeigt, anders als in den meisten Arbeiten von Franz West, eine dreiteilige Stuhlinstallation klare und streng
definierte Umrisslinien: in je einen Kreis, ein Quadrat und ein Dreieck sind eine Anzahl von West Stühlen gestellt.
Jeder der Stühle fordert, wie gewohnt, zur Nutzung auf und wird somit zum konstituierenden Element der Arbeit.
Wo die rein geometrischen Elementarformen eine geradezu ausweglose Situation suggerieren, wird dem Nutzer
die Möglichkeit zum kreativen Ausgleich gegeben, Stühle werden verrückt, neue Konstellationen werden
permanent ermöglicht.
Auch in der Arbeit «Stonehenge» thematisiert Franz West eindrücklich seine Auseinandersetzung mit den
beschriebenen Mechanismen kommunikativer und interaktiver Praktiken.
Zwei neue großformatige Arbeiten, die seit 2009 für den Außenraum entstehen, lassen sich auf Franz West
intensive Auseinandersetzung mit dem Philosophen Ludwig Wittgenstein beziehen. Schon 1985 hatte West ein
Modell mit dem Titel «Wittgensteinzitat» entworfen, welches einen Kritzel, den er in den «Vorlesungen über
Ästhetik» gefunden hatte und der dort als Beispiel für Sinnlosigkeit und Beliebigkeit aufgeführt wird, im
dreidimensionalen Raum als «Schleife» zu realisieren sucht.
Die Lesbarkeit dieser neuen Arbeiten ist vielfältig. Auch sie mögen wieder, ganz wie die Passstücke, vom
Betrachter vereinnahmt werden, sei es als Sitzgelegenheit, sei es als Gedankenspiel. Im Gespräch mit dem
Philosophen Peter Keicher weist dieser auf eine mögliche Umdeutung eines wittgensteinschen Zitats hin: könne
nämlich die Idee, ob man einen Satz an sich versteht oder ob der Satz erst ein Satz wird dadurch, dass man ihn
versteht nicht ideal auf die Arbeiten von Franz West angewendet werden? Indem eben ein Passstück als solches
gebraucht wird oder aber erst ein Passstück wird, dadurch das es gebraucht wird. iii
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Björn Alfers([email protected]) in der Galerie Eva
Presenhuber.
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i „Hot Dog. Email Exchanges Between Franz West and Anthony Spira“ in: Franz West, Ausst. Kat. Whitechapel Gallery, London, 2003, S. 140.
ii Eva Badura-Triska „Wuste, Qulze oder Qwertze in der Natur“ in: Franz West, Die Aussenskulptur, Ausst. Kat. Galerie Thoman, Innsbruck, 2000,
S. 11
iii Franz West im Gespräch mit Peter Keicher und Peter Pakesch am 30.11.2010 in Graz aus Anlass der Ausstellung „Franz West. Autotheater,
Köln-Neapel- Graz
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Der definierte Raum
April 15 – May 21, 2011
Opening on Thursday, April 14, 6 – 8pm
Galerie Eva Presenhuber is pleased to present new works by Austrian artist Franz West in the exhibition «Der definierte Raum», which also inaugurates their new space at Gebäude Diagonal.
When, early in his career, Franz West decided to not just work with the two dimensional, but by way of sculpture rather to allow himself (and others) a world that was to be usable and available to experience in every sense, the first so-called «adaptives» emerged, sculptural forms that anyone can bring into relation to his or her own body.
With his adaptives, Franz West first formulated a characteristic that would became foundational for his further work. He did not seek to create as an artist an autonomous and closed validity; instead, the beholder and user could complete the work with the acts he or she undertakes. Quite in this sense, Franz West once said, «The death of the author is a theme from the time of Pericles, being a sculptor then meant that ideas flowed through the individual. They were passive instruments that served to create sculpture.» (1)
As a logical continuation of these ideas, the first furniture pieces emerged, which made it easier for the beholder to find a way of approaching the works. While they could actually be used as objects in private space, in an institutional space they took on a puzzling status: are they art or furniture?
The «legitimate sculptures» which emerged after the adaptives deny the beholder any direct physical contact. These works, which are placed on a plinth or are no longer easy to handle simply because of their size, «do not want to be understood as objects of a contemplative beholding at rest in themselves, but are in turn primarily offerings toward a dialog that is now to take place primarily on a conceptual level.» (2)
Since the mid 1990s, Franz West has been working on large format external sculptures, initially using iron sheeting later using aluminum. For an exhibition at Innsbruck’s Schlosspark Ambras, a whole series of works emerged that are particularly simple in terms of form: West describes the «Wuste», «Qulze», and «Qwertze» as «body shapes». Due to their low height, the «Wuste» especially can be seen as an invitation to sit, and thus can be seen as a link between the adaptives and the furniture. Entirely abstract in form, they can still be subjected to a standard function.
In the exhibition «Der definierte Raum», Franz West combines works from each of these groups: Here, unlike most works by the artist, a three-part chair installation shows clear and strictly defined outlines: several West chairs are placed in a circle, a square, and a triangle. Each of the chairs demands to be used, and thus becomes a constitutive element of the work. Where the purely elementary forms suggest an almost hopeless situation, the user is given the possibility of a creative response. Chairs can be moved, new constellations are constantly made possible.
In the work «Stonehenge», too, Franz West impressively explores the described mechanisms of communicative and interactive practices.
Two new large format works created for outdoor spaces in 2009 attest to Franz West’s intense engagement with the philosopher Ludwig Wittgenstein. Already in 1985, West created a model with the Wittgenstein quotation, which takes a scribble from his «Vorlesungen über Ästhetik» as an example of meaninglessness and randomness, translating it to three-dimensional space as a «ribbon».
The legibility of these new works is multifarious, they too can be used by the beholder, just like the adaptives, be it is as a form of seating or as a mind game. In conversation with the philosopher Peter Keicher, he points to a possible reinterpretation of a quotation from Wittgenstein. Could the idea of whether a statement is then understood in itself or that a statement only becomes a statement in that it is understood not be applied to the works of Franz West? In that an adaptive is used as such, or only becomes an adaptive in that it is used? (3)
For more information, please contact Björn Alfers ([email protected]) at Galerie Eva Presenhuber.
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(1) «Hot Dog: Email Exchanges Between Franz West and Anthony Spira», Franz West (London: Whitechapel Gallery, 2003), 140.
(2) Eva Badura-Triska, «Wuste, Qulze oder Qwertze in der Natur», Franz West: Die Aussenskulptur (Innsbruck: Galerie Thoman, 2000), 11
(3) Franz West in conversation with Peter Keicher and Peter Pakesch, November 11, 2010, Graz, for the exhibition Franz West: Autotheater (Cologne, Naples, Graz).