Nam June Paik (1932-2006) brachte das Medium Fernsehen in die bildende Kunst und behandelte es als taktiles und multisensorisches Medium und Objekt. Ausgebildet als klassischer Pianist, kam er durch sein frühes Interesse an Komposition und Aufführung mit Protagonisten der Counterculture und der Avantgarde-Bewegungen der 1960er Jahre in Kontakt, und dieses Engagement prägte seine Sichtweise in einer Zeit, in der elektronische Bilder im Alltag immer präsenter wurden. Sein bahnbrechendes Werk gilt als wegweisend für die Entwicklung der Videokunst.
Geboren in Seoul, floh Paik 1950 mit seiner Familie vor dem Koreakrieg und reiste zunächst nach Hongkong und dann nach Japan. Nach seinem Abschluss an der Universität von Tokio im Jahr 1956 zog er nach Westdeutschland, um sein Studium fortzusetzen. Dort lernte er die Komponisten Karlheinz Stockhausen und John Cage sowie die Konzeptkünstler George Maciunas und Joseph Beuys kennen, die seine Gedanken zur Aufführungspraxis zutiefst beeinflussten. 1962 schloss er sich der Fluxus-Gruppe an und ging von der manuellen Manipulation von Tonbändern zum Experimentieren mit Fernsehgeräten und deren Bildschirmen über. Zwei Jahre später, zu dieser Zeit in New York lebend, traf Paik die Cellistin Charlotte Moorman, eine zentrale Figur der Avantgarde der Stadt, und die beiden begannen eine Zusammenarbeit, die bis zu ihrem Tod 1991 andauern sollte. Paik schuf viele seiner bekanntesten Werke für Moorman, darunter TV Bra für Living Sculpture (1969) und TV- Cello (1971).
Vor seiner Übersiedlung in die Vereinigten Staaten hatte Paik den Ingenieur Shuya Abe getroffen, der ebenfalls ein langjähriger Mitarbeiter und sein Assistent werden sollte. Abe half Paik 1964 bei der Herstellung seines ersten Roboters, des Roboters K-456. Der Roboter K-456 besteht aus Metallfragmenten, Stoff, einem Datenrekorder und einem Lautsprecher, der Aufnahmen von Reden von John F. Kennedy abspielt. Der Roboter K-456 fängt Paiks Interesse an der Verschmelzung von populären Medien und Technologie mit menschlichen Eigenschaften ein; er besitzt abstrahierte Brüste und einen Penis, bewegt sich auf Rädern und ist so programmiert, dass er periodisch Bohnen reinigt. Paik zeigte diesen ferngesteuerten Roboter in den 1960er Jahren in mehreren Ausstellungen und Performances im New York der 1960er Jahre. Im Jahr 1982, während seiner ersten großen Museumsausstellung im Whitney Museum of American Art, nahm er den Roboter K-456 mit auf die Straße, um einen "Unfall" zu inszenieren: Der Roboter lief die Madison Avenue hinunter und wurde bei dem Versuch, die 75th Street zu überqueren, von einem Auto angefahren. Für Paik stellte dieses Spektakel eine "Katastrophe der Technologie im zwanzigsten Jahrhundert" dar.
Neben seinen Arbeiten mit Robotern pflegte Paik eine dynamische zeichnerische Praxis, sowohl in Arbeiten auf Papier als auch in multimedialen Skulpturen und Installationen. Vor allem seine modifizierten Fernsehgeräte verbinden das bewegte Bild mit der freien, expressiven Geste der Abstraktion; mit bunten Markern, Farben und anderen Materialien fügte Paik den Bildschirmen expressive Schichten hinzu.
“Die Haut ist unzulänglich geworden, um mit der Realität zu interagieren. Die Technologie ist zur neuen Existenzmembran des Körpers geworden."
-Nam June Paik
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Der Einzug der Galerie Max Mayer und der Galerie Hans Mayer in das Schmela Haus in Düsseldorf ist die Wiedereröffnung des 1971 von Aldo van Eyck erbauten Galeriehauses: Ehedem für den Galeristen Alfred Schmela konzipiert, war es das erste, eigens für eine Galerie errichtete Gebäude in Deutschland. Nach dem Auszug der Galerie Schmela sowie späterer musealer Zwischennutzung durch die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen kommt dem Haus nun wieder seine ihm ursprünglich zugedachte Nutzung zu – jetzt jedoch als ein Ort, an dem neben dem Ausstellen von Kunst und ihrem inhärenten ökonomischen Wert auch der kunstwissenschaftliche Dialog und Diskurs im Fokus stehen, initiiert durch das lokale Zusammentreten der beiden Mayer-Galerien und somit durch die Arbeit von zwei Galerie-Generationen.
Mit den Eröffnungsausstellungen von Ei Arakawa in der unteren Ebene (Galerie Max Mayer) und Nam June Paik in der ersten Etage (Galerie Hans Mayer) werden im Schmela Haus so auch zwei Künstlergenerationen zusammen gebracht: der 1932 in Seoul geborene und 2006 in Miami verstorbene Paik, der über Jahrzehnte hinweg – nicht zuletzt durch seine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie und seine intensive Zusammenarbeit mit Hans Mayer – weltweit buchstäblich Medienkunstgeschichte geschrieben hat, und Arakawa (1977 geboren in Iwaki, Japan, lebt in Los Angeles), der seinerseits im benachbarten Düsseldorfer Kunstverein seine erste institutionelle Einzelausstellung hatte. Fast so also, wie vormals der Galerist Schmela dieses Haus mit einer weitreichend rezipierten Ausstellung mit Joseph Beuys eröffnete, zeigt Hans Mayer jetzt Nam June Paik, den eine prägende künstlerische Freundschaft mit Beuys verband, und der seinerseits die künstlerische Sprache eines multimedial und performativ arbeitenden Künstlers wie Ei Arakawa mitgestaltet hat.
Eine essentielle Verbindung zwischen diesen (Künstler-)Generationen, insbesondere zwischen Hans Mayer und Nam June Paik, ist die hohe Einschätzung der Gleichwertigkeit der Medien und des Medialen. So war es Paik, der durch die Fusion von Musik wie Kunst als auch spirituell ausgerichteter Denkmotive, bewusster Lebensführung und technischer Entwicklungen das Ineinanderfließen von Zeit, Raum und Ästhetik grundlegend vertreten hat und durch künstlerische Konfrontationen in Bewegungen wie Fluxus mit internationalem Einfluss ausgestaltet hat. Nam June Paiks Werk zeichnet sich durch das aus, was sich der Struktur nach dialogisch zusammensetzt – die Symphonie des Existierenden mit der Rhetorik der Dinge – hin zu all dem, das sich durch den (äquivalenten) Gehalt von Information und Magie immer wieder neu erfindet.
Text: Christina Irrgang