ANDY COOLQUITT
THIS MUCH
Eröffnung am Freitag den 7. März 2014 um 19 Uhr
Dauer: 8. Mär. 2014 - 4. Apr. 2014
Es spricht: Severin Dünser
(Kurator, 21er Haus)
Der Künstler ist anwesend.
Andy Coolquitt wurde 1964 in Texas geboren und lebt in Austin. Er studiert bei Paul McCarthy an
der UCLA und ist wahrscheinlich am meisten für ein Haus in Austin bekannt, das er als
Performance-, Arbeits- und Lebensraum seit 1994 kontinuierlich ausbaut. Und er sammelt Dinge
von der Straße. Dinge, die andere wegwerfen oder zurücklassen: marginale Objekte aus
öffentlichem Raum und Unorten. Der Künstler teilt das Zusammengetragene in Somebody-Mades
und In-Betweens auf. Somebody-Mades sind anonyme, selbstgemachte Dinge, die mehr oder
weniger nachvollziehbare Funktionen erfüllen. In-Betweens sind weder etwas noch nichts und
werden meist als Rohmaterial für die Produktion von Legitimen Skulpturen benutzt. Aber der
Status der Objekte ist nicht wirklich wichtig für die Rezeption. Es geht vielmehr darum, dass der
Künstler an einem gewissen Punkt eine Entscheidung über ihre Entität fällen muss (und manchmal
an einem gewissen Punkt wieder ändert). Was wichtiger ist, hat mit der Individualität dieser Dinge
und der Sozialwelt, in der sie leben, zu tun. Diese autonomen Objekte sind nicht nur in ihrem
Wesen fragil und brüchig, sondern hinterfragen auch Autorschaft und ihren eigenen Status. Das
führt zu einer prekären Situation mit ihrem Nachleben als Exponate, obwohl die Objekte in ihrem
Vorleben schon so etwas wie eine Öffentlichkeit hatten.
Diese Dinge sind in ihrer Komplexität als Objekte also schwierig. Um die Dinge noch komplizierter
zu machen, bedient sich Coolquitt für die Präsentation seiner Sammlungen in Museen und
Galerien bei Designkonzepten aus dem Einzelhandel und ergänzt seine Ausstellungen so um eine
sozioökonomische Fragestellung. Nach den ästhetischen Strukturen dieser starken Metapher
gefragt, nennt er drei Grundformen: Comme des Garçons (ein Minimal-Theater), Urban Outfitters
(1950er-Künstlerloft-Stil) und die Heilsarmee (ein All-Over). Sie stehen für drei Stufen von
Offenheit und Dichte. Wie im echten Leben beeinträchtigen sich diese Gegensätze auch in
Coolquitts Ausstellungen. Sie können als Beeinträchtigung des autonomen und individuellen
Objekts im ästhetischen Feld gelesen werden, aber auch als Beeinträchtigung des individuellen
Subjekts in ländlicher und urbaner Gesellschaft.
Für die Ausstellung in der Galerie Krinzinger arbeitet Andy Coolquitt nicht mit einem klinischen
White Cube, sondern mit einem Raum mit Geschichte. In dessen Mittelpunkt standen einst nicht
Kunstwerke, sondern Menschen, die hier ein Offizierskasino belebten. Es war also ein
Lebensraum, und den versucht Coolquitt mit seiner Ausstellung als Ausgangspunkt für eine
Setzung seiner Werke zu nehmen.
Schon bei früheren Werken wie „A nice soft place for meeting people“ von 2010, das als eine Art
Kissen an der Wand montiert war, versuchte er etwas herzustellen, das Leuten eine Hilfestellung
gibt, und das nicht nur im körperlichen sondern auch im sozialen Sinne. Weniger von Neurosen
inspiriert als Wests Passstücke, geben seine Arbeiten hier in der Galerie nun Anlass sich über
gesellschaftlichen und individuellen Gebrauchswert auszutauschen. Er hat seine Arbeiten hier
„häuslich“ eingerichtet, bzw. so als ob sie hier häuslich wären. Sie oszillieren zwischen Funktion
und Funktionalität und eröffnen so ein Spannungsfeld bzw. eine Bühne für die Besucher, die er
selbst so beschreibt: „[A mise-en-scene] of many discrete objects placed either close enough to
suggest a tableaux, or just out of reach to suggest a gap. This space in between is carefully
considered as both a place of rest between objects (when you're looking at it), and a place in
which the viewer could occupy (when you're in it).“
Severin Dünser