Eva Schlegel - Annelies Strba

Eva Schlegel - Annelies Strba

Friday, November 5, 2004–Saturday, December 11, 2004

Eva Schlegel beschäftigt sich seit einiger Zeit mit Unschärfe in der Fotografie. Sie untersuchte sowohl Textstrukturen wie auch Landschaftsbilder auf wahrnehmbare räumliche Ausdehnung in der Unschärfe. Selbst bei transparenter Überlagerung beider Sujets wurde erkennbar, dass unscharfer Text immer zweidimensional bleibt, während sich Landschaften oder auch Personen im Raum aufzulösen scheinen und so auch über Tiefe und dreidimensionalen Raum verfügen.
In einer weiteren Werkgruppe wird das Medium Portrait bearbeitet, private Fotos von Kuratorinnen, Sammlerinnen und Künstlerinnen, die sich über einen Zeitraum von 20 Jahren ansammelten wurden unscharf abfotografiert, die Gesichter von direkt erkennbaren Gesten und Mimik durch verschiedene Grade von Unschärfe befreit, um zu untersuchen, ob man (immer noch) von Portrait sprechen kann, ob es eine individuelle Unverwechselbarkeit gibt. In den neueren Arbeiten geht es um idealisierte mediale Bilder von Frauen in unserer Gesellschaft, verschiedenster Ausprägung, überlebensgroß und in der Unschärfe auf Stereotypen reduziert, denen man sich schwer entziehen kann, da die Verführung der Präsentation des Körpers erhalten bleibt.

Zahlreiche Interpretationen der Fotokünstlerin und Videastin Annelies Strba stützen sich auf ihre Biografie. Die hier ausgeführten Gedanken versuchen nun, die Rezeption von Strbas Werken in eine etwas andere Richtung zu lenken: Nicht ihr Leben, sondern ihre Bilder und die Frage nach der Interaktion zwischen Bild und Medium sowie zwischen dem Blick der Künstlerin und dem eigenen Sehen gilt es im Sinne eines anthropologischen Bildverständnisses zu reflektieren.
Wer Strba kennt, weiss, dass es in ihren Bildern der letzten 25 Jahren um ganz per-sönliche Äusserungen und Wahrnehmungen geht - vielleicht eine Art Lebensbe-wältigung durch Bilder. Wir betrachten Strbas Bilder und verstehen, ohne dass wir das Leben der Künstlerin kennen. Wir schauen fasziniert in die von der Künstlerin gesehene und ins Bild gebrachte Wirklichkeit hinein und verbünden uns dabei automatisch mit ihrem Blick. Zwischen der Bildwelt der Künstlerin und unserer eige-nen Wirklichkeit scheint es keine Unterschiede mehr zu geben. „Die Fotografie gibt den Blick wieder, den wir auf die Welt werfen“, sagt Hans Belting.
Es ist diese Suggestivwirkung der Fotografie, die uns die Spannnung zwischen der eigenen und der von Strba erzeugten Wirklichkeit im Bild bewusst macht. In Strbas Bildern beginnen wir zu sehen, jedoch bisweilen ohne genau zu wissen, was wir sehen: Ist es das Eigene? Ist es die foto-digitale Wirklichkeit der Künstlerin? Oder ist es beides - gleichsam das Eigene und das Fremde?
Man hat Strba als ‚Hellseherin' (Simon Maurer) oder als ‚Virtuosin des magischen Augenblicks' (Ralf Bartholomäus) bezeichnet. Tatsächlich bleiben die Bilder von Annlies Strba ‚hängen', gehen durch unser Betrachterauge hindurch und fliessen gleichsam in uns hinein. Hier können sie nun wirken - diese Kunstbilder. Strba nä-herte sich in den letzten Jahren einer malerischen Bildsprache. Durch Unschärfe und Abstraktion der Motive, durch Farben und strenge Bildkompositionen, die uns an vergangene Epochen erinnern, scheint sie am Bildgedächtnis der Kunstge-schichte weiterzuarbeiten. Damit hat sich die einstige Fotografin und heutige Vi-deastin einer intermedialen Bildstrategie zwischen Malerei, Fotografie und Video bemächtigt. Doch, was wären all diese Bilder und Strategien ohne das ‚Ichmässi-ge' der Künstlerin? Erst die subjektiv-ästhetische Transformation des Geschauten machen die Bilder von Strba überhaupt zugänglich - und dies im Sinne einer künstlerischen seinandersetzung. Strbas Kunst wirkt vielleicht deshalb so magisch, weil sie die den Blick des Betrachters verändert. In ihren Bildern führt sie nicht ihr Leben, sondern ihre künstlerische Wirklichkeit vor.