Please scroll down for English version
Republic of Illusions
Curated by Peter Nagy
Anita Dube, Sheba Chhachhi, Probir Gupta, Pushpamala N., Ram Rahman, Raqs Media Collective, Dayanita Singh
17. September bis 17. Oktober 2009
New Delhi ist die dritte Station der Ausstellungsserie über zeitgenössische indische Kunst, die die Galerie Krinzinger seit September 2008 zeigt. Nach Bangalore und Mumbai ist diesen Herbst die aktuelle Kunstszene in New Delhi Schwerpunkt der Präsentation.
New Delhi ist die Hauptstadt Indiens, eine politische und administrative Metropole mit insgesamt mehr als 14 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von über 1.480 km2. In vielerlei Hinsicht sind es drei Städte in einer: eine Hauptstadt des Mogulreiches (im 17. Jahrhundert), die Planhauptstadt des British Empire (errichtet im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts) und die Folge der urbanen Zersiedelung seit der Unabhängigkeit 1947, bei der sich die Stadt in alle Richtungen ausgebreitet hat.
Mumbai (ehemals Bombay) ist das kommerzielle Zentrum Indiens, eine sehr rege und produktive Stadt für die zeitgenössische Kunst und den Kunstmarkt. Das kulturelle Leben in New Delhi hingegen ist intellektueller und internationaler, durch seine zahlreichen Universitäten und durch die internationalen Botschaften und ihr kulturelles Programm. So wie das Kino, die Medien und die Werbeindustrie die zeitgenössische Kunstszene in Mumbai beeinflussen, wird die Gegenwartskunst in New Delhi durch die politische und historische Vergangenheit, die überall in der Stadt spürbar ist, geprägt. Das Stadtbild ist gekennzeichnet durch alte, monumental-repräsentative Architektur, während das Herz der Stadt das administrative Zentrum des Landes ist - für Prunk, Privilegien und Herrschaft stehend. New Delhi als Melting Pot – haben doch Gemeinschaften aus allen Teilen Indiens ihre eigenen, speziellen Unterbereiche erschaffen.
Ohne bewusst „politische Kunst“ zu machen, erschaffen viele Künstler aus New Delhi Arbeiten, die stark an den politischen und historischen Strömungen der Stadt orientiert sind. Viele sind angezogen von den idealistischen und fantastischen Bildern, die die Stadt prägen, Erinnerungen an vergangene und gegenwärtige Ambitionen und Torheiten, Anstrengungen und Errungenschaften. Sowohl die Regierung als auch das indische Volk kommen in dieser Bildsprache vor, auch mit ironischen Querverweisen, um eine zunehmend komplexe Wirklichkeit entstehen zu lassen. Die Ausstellung „Republic of Illusions“ soll kein Porträt von New Delhi werden, sondern vielmehr eine der vielen Möglichkeiten, wie man die Stadt und ihre Einwohner interpretieren und wie man eine Nation als ein Ganzes artikulieren kann.
Anita Dube (geb. 1979) ist eine Populistin und ihre Arbeit, in der ganzen Vielfalt der Medien, bezieht sich auf den gewöhnlichen Menschen und auf die untergebene Gemeinschaft. Sie verarbeitet Bilder und Materialien, recycelt beides in neue Konstruktionen - sowohl poetisch als auch metaphorisch. In ihrer Arbeit „Little Weapons of Defense“ verwandelt sie Verpackungsabfälle in filigrane Steingitterfenster, sogenannte Jalis, die typisch sind für indische Architektur. Dube verwendet für die Wand Styropor-Verpackungsmaterial, verkleidet mit samtbedeckten Steinen in den Ecken und Ritzen des Schirmes, wo sie sowohl als Fetischobjekte als auch als angedeutete Waffen erscheinen. In „Ah (a sigh)“ nimmt sie das Foto von kämpfenden Indern aus einer Zeitung und setzt Hindi-Buchstaben mit samtbedeckten Wurzeln auf die Oberfläche. Beide Arbeiten zeigen etwas von der allgegenwärtigen Komplexität und den Anstrengungen der indischen Gesellschaft.
Sheba Chhachhi (geb. 1958) war lange Chronistin der Frauenbewegung in Indien, Fotografin und Aktivistin. In ihren künstlerischen Arbeiten verwendet sie häufig alte Ikonographien, antike Mythen und Sehtraditionen, um eine Thematik in der Gegenwart zu bringen. In ihren aktuellen Werken macht Chhachhi Lichtboxen mit beweglichen Bildern, bestehend aus einer Reihe von lichtdurchlässigen Schichten überlappender Szenen. Bei Betrachtung der Lichtboxen entsteht eine faszinierende Dimension, weil die einzelnen Schichten ineinander und miteinander verschmelzen und eine fast cinematische Ästhetik erschaffen. In „The Trophy Hunters“ erscheint eine der beiden Lichtboxen wie eine beleuchtete Schriftrolle, die Bilder von Gebäuden, Königen und Eroberern in die Zwischenräume eines Jamawar Schals verwebt. Chhachhi benutzt die kostbaren, ehemals königlichen Stoffe, um die Geschichte von Invasion und Gewalt zu erzählen. Die andere Lichtbox zeigt einen Text, der sich auf den AK 47, die Kalaschnikow, bezieht und der an die ständige tägliche Gewalt in der Kaschmir-Gegend erinnert. Die Arbeit verbindet übergreifende Anspielungen um aufzuzeigen wie Geschichte aufgenommen wird und wie sowohl Gewalt als auch Ansehen an diesem Prozess der öffentlichen Kodifizierung Teil hat.
Probir Gupta (geb. 1969) hat eine lebenslange Hingabe zum Menschenrechtsaktivismus, in seiner Arbeit thematisisert er Probleme wie Krieg, Religion, Entwicklung, Globalisierung und Völkermord. Gupta ist ein Maler der auch skulpturale Arbeiten macht. Seine Bilder vereinen sowohl die Traditionen des Expressionismus als auch die der Abstraktion, arbeiten mit buchstäblichen Verweisen auf die Industrieproduktion, mit politischer Ikonographie und sprachlichen Hilfsmitteln. „Capitalists Symbolis and Productions“ huldigt dem politischen System Indiens, das in letzter Zeit mit tiefen Änderungen in seinen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen zu kämpfen hat. Seine große skulpturale Installation „The National Product (Gandhi) and Others“ stellt die monumentale, mit Graffitis übersäte Figur von Mahatma Gandhi mitten in eine Reihe von Werbeschilder, die er von Berufsschildermalern machen ließ. Jedes dieser Zeichen hat einen raffinierten und ironischen Verweis auf Indiens Verlust der Unschuld, spielt mit religiösen Assoziationen oder der Verdrehung des Namens eines bekannten Politikers. Die Installation spiegelt das voll gestopfte Pasticchio des Lebens in Indien wider und nimmt gleichzeitig auf das sich verändernde politische Klima bezug. Das verunstaltete Denkmal des Landesvaters Gandhi steht für den Niedergang vieler innovativen und leuchtenden politischen Ideen Indiens.
Pushpamala N. (geb. 1956) inszeniert sorgfältig Kostümszenen, die sie dann fotografisch festhält um verschiedenen Frauenrollen im heutigen Indien zu hinterfragen. Ihre „Ethnographic Series“ ist ein Teil des größeren Projekts "Native Women of South India: Manners & Customs“ (eine Zusammenarbeit mit Clare Arni). Die Künstlerin selbst begibt sich in die Rolle verschiedener Charaktere durch die Wahl von sepia-getönter Fotografien, die Ende des 19. Jahrhunderts üblichen waren, nimmt sie Bezug auf die Kolonialzeit des British Empire und auf die wissenschaftliche Vermessung und Katalogisierung des indischen Volkes. In der Serie „Mother India“ zeigt Pushpamala das anthropomorphisierte Bild des Nationalstaats Indiens (zu sehen auf Postern, Lebensmittelverpackungen und politischer Propaganda) mit schwarzem Humor. Insgesamt behandelt Pushpamalas Werk die Theorien einer postkolonialen Identität gepaart mit einem feministischen und historischen Blick.
Ram Rahman (geb. 1955) ist Fotograf und Grafikdesigner, spezialisiert auf architektonische Themen und auf das Stadtleben. Seine Posterserie, eigens für die Aktivistengruppe SAHMAT entworfen, erinnert an Schlüsselereignisse und an Persönlichkeiten der Geschichte des modernen Indiens. Ausgehend von der visuellen Sprache des russischen Konstruktivismus kombiniert er Text und Bild, um von dem Gedächtnis zu sprechen und zieht Parallelen zu zeitgenössischen sozialen Konflikten. In der laufenden Serie von Schwarz-weiß Straßenfotografien dokumentiert er Plakatwände und Beschilderungen die für politischen Kampagnen und öffentlichen Veranstaltungen entworfen wurden. Der Fotograf entleert diese grandiosen Demonstrationen von Ego und Ambition und stellt sie als skurril, unfähig und belanglos dar.
Das Raqs Media Collective (gegr. 1992 von Jeebesh Bagchi, Monica Narula, und Shuddhabrata Sengupta) arbeitet mit einer breiten Auswahl an verschiedenen Medien und spricht mehrere Angelegenheiten durch ihre erforschende und vielstimmige künstlerische Praxis an. Ihre skulpturale Installation “The Reserve Army” untersucht den Schnitt zwischen einer persönlichen künstlerischen Praxis (in diesem Fall die des aus frühen 20. Jahrhundert stammenden indischen Bildhauers Ram Kinkar Baij) und der Herstellung von Ikonen, um den neuen unabhängigen Staat darzustellen, genauso wie den eher unbeholfenen Zusammenschluss von Modernismus und einer traditionellen, folkloristischen indischen Kultur. Durch das Reproduzieren und Ausschmücken der Skulpturen von Ram Kinkar Baij, die vor der Reserve Bank of India stehen sollte, werden die kürzlich entstandenen Änderungen der Wirtschaftspolitik Indiens innerhalb eines globalisierten Szenarios betont. “The Interrupted Cartographer” ist wie eine Theaterrequisite ohne Schauspieler, mit einem stilisierten und beleuchteten Tisch mit Stuhl, der über historische Trennungen und beschlossene Kompromisse spricht.
Dayanita Singh (geb. 1961) hat eine große Auswahl an Sujets fotografiert, von Familien bis zu Fabriken, Betten und Bollywood Theatern. Hier wird die Arbeit “Myself Mona Ahmed” (1989-2001) präsentiert, das Portrait der langjährigen Freundin der Fotografin, eine „hijra“ (eine „Transgender“- Frau). Diese Fotoserie ist zugleich enthüllend und verschweigend, zutiefst persönlich und verbindend. Die Geschichte von Mona findet jenseits von New Delhi statt, zeigt die Machtkampf innerhalb einer Randgesellschaft auf und schildert ihre Suche nach Stabilität und einer Art von Familie.
__________________________________________________________________________________________________________________________________________
Republic of Illusions
Curated by Peter Nagy
Galerie Krinzinger, Seilerstatte 16, Vienna
September 17 – October 17, 2009
Artists in the exhibition:
Anita Dube, Sheba Chhachhi, Probir Gupta, Pushpamala N., Ram Rahman,
Raqs Media Collective, Dayanita Singh
New Delhi is the capital of India, a political and bureaucratic city with a population of 14 million spread across 1480 square kilometers. In many ways it is three cities in one: a capital of the Moghul Empire (dating from predominantly the 17th Century); the planned ceremonial capital of the British Empire (built during the second decade of the 20th Century); and the urban sprawl that has spread in all directions out from these centers since Independence in 1947.
Bombay (Mumbai) is the commercial capital of the country and the more active city for contemporary art and its market. The cultural life of New Delhi is both more intellectual and more international, as it is the site of a number of major universities as well as all foreign embassies and their cultural programming. Just as the cinema, media and advertising industries influence the contemporary art made in Bombay, the political and the historical, which are readily apparent in the daily life of the city, influence the contemporary art of New Delhi. The landscape of the city, like Rome, is littered with the relics of monumental architectural extravagances while the beating heart of the city is the functioning administrative complex, reeking of pomp and circumstance, privilege and dominion. New Delhi is also the melting-pot metropolis, as communities from each part of India have created their own specialized sub-divisions within it.
Without consciously setting out to make “political art,” many of New Delhi’s artists do create works that are redolent of the political and historical currents that pulse through their city. Many tend to gravitate toward the quixotic icons that pepper the city, reminders of both past and recent ambitions and follies, struggles and achievements. Both the Government and the People of India are represented in these iconographies, cross-referenced to spotlight ironies, collaged together to speak of an increasingly complex reality. This exhibition is not meant to be a portrait of New Delhi but rather one of the many possible indexes through which to interpret the city, its inhabitants and how it comes to articulate the nation as a whole.
Anita Dube is a populist and her works, in a variety of medias, often refer to the common man and subaltern communities. She stumbles upon both imagery and materials, recycling both into new constructions that are both poetic and metaphorical. In her work Little Weapons of Defense she turns packing refuse into the carved stone screens characteristic of Indian architecture, sprinkling the most rudimentary form of weapon (stones, skinned in her signature velvet fabric) throughout its geometrical façade. Ah (a sigh) takes a newspaper image of striving Indians and spells out a Hindi character across its surface with velvet-covered tree roots. Both works communicate something of the omnipresent complexities and struggles of Indian society and the distance of these struggles from the cosmopolitan capital.
Sheba Chhachhi works with a range of photo based forms. Her work often recuperates ancient iconography, myth and visual traditions to calibrate an inquiry into the contemporary moment. In her current body of work, Chhachhi has created moving image light-boxes, which consist of a series of translucent layers of overlapping imagery. When viewed the works take on a startling dimensionality as the layers merge in and out of each other to create an almost cinematic aesthetic. In The Trophy Hunters, one of the pair of light-boxes is akin to an illuminated scroll, weaving images of architecture, kings and conquerors into the interstices of a Jamawar shawl. Chhachhi uses the erstwhile royal garment to narrativize a spiraling history of invasion, violence and synthesis. The other light-box juxtaposes a text that reflects on the AK 47 with vignettes of the continuing quotidian violence in Kashmir. The work combines overlapping references to map the mercurial nature of how history is recorded and how both violence and prestige participate in this process of official codification.
Probir Gupta is a painter who also makes sculptural works. His paintings mine the traditions of both Expressionism and Abstraction, blending in literal references to industrial production, political iconographies and linguistic devices. Capitalist Symbols and Products pays homage to the body-politic of India, struggling in recent times with profound changes in its economic and social constructions, its very self-image. His large sculptural installation, The National Product (Gandhi) and Others, positions a monumental figure of the father of the country amid a plethora of commercial signboards, each with their own tongue-in-cheek reference to India’s loss of innocence, its religious and communal strife, or the abuse of Gandhi’s legacy by political and commercial forces.
Pushpamala N. stages elaborate costume dramas to create photographic records which question all manner of representations of women in India today. Her Ethnographic Series is only part of the much larger project: “Native Women of South India: Manners & Customs” (made in collaboration with Clare Arni). Here, the artist herself poses as a wide variety of characters to re-create late 19th Century sepia-toned photographs, evidence of the British Empire’s scientific cataloguing of their colonial subjects. In her Mother India series the artist presents the anthropomorphized image of the nation-state (used on posters, food packaging and political propaganda) with all its black humor amplified.
Ram Rahman is a photographer and graphic designer who specializes in architectural subjects and the life of the city. His series of posters created for the activist group SAHMAT, commemorates key events and figures in the history of modern India. He borrows from the visual language of Russian Constructivism, combining images with texts, to speak of memory and to draw parallels with contemporary social struggles. In an on-going series of black-and-white street photographs, he documents the billboards and signage created for political campaigns and public rallies. The photographer deflates these grandiose displays of ambition and ego, picturing them as comical, impotent and ineffectual.
Raqs Media Collective (Jeebesh Bagchi, Monica Narula, and Shuddhabrata Sengupta) work in a wide variety of media and address multiple concerns and issues through their investigative and polyphonic practice. Their sculptural installation The Reserve Army examines the intersection of a personal artistic practice (in this case, that of the early 20th Century Indian sculptor Ram Kinkar Baij) with the construction of icons to represent the newly independent nation-state, as well as the rather clumsy union of Modernism and a traditional, folkloric Indian culture. By replicating and embellishing the Baij sculptures created to stand in front of the Reserve Bank of India, the work also addresses the recent changes that have taken place in Indian economic policies within a globalized scenario. The Interrupted Cartographer is like a theatrical prop without an actor, a stylized and illuminated table with chair that speaks of historical divisions and negotiated compromises.
Dayanita Singh has photographed a wide range of subjects, from families to factories, beds to Bollywood theatres. Presented here is Myself Mona Ahmed (1989-2001), the photographer’s portrait of her long-time friend who is a “hjira” (or “trans-gendered” in Western parlance). This suite of photographs is both revealing and taciturn, deeply personal and collaborative. The story of Mona takes place across New Delhi and involves the power struggles within a marginalized community and the subject’s search for both stability and a semblance of family.
Concurrent with the exhibition at
Krinzinger Projekte, Schottenfeldgasse 45, Vienna
Erdgeschoos: An exhibition of new works by Mithu Sen
Resulting from her residency at Krinzinger Projekte, Mithu Sen will create a suite of new works that combine drawing, collage, photography and sculpture into a synthetic installation. Often autobiographical, frequently erotic and always playful, the artist melds found images and objects into striking juxtapositions and humorous anecdotes. Her style owes something to Surrealism and Art Brut, but also draws heavily on Indian tribal and folk art, urban popular culture, and traditional miniature painting.
2. Stock: Bharat Sikka: Indian Men and Urban Landscapes
The photographs of Bharat Sikka often hover between a posed self-consciousness and a more spontaneous snap-shot aesthetic. Examples from two on-going series will be shown together, illustrating the anxieties at the heart of India’s entry into a more international realm of business and culture. The photographer’s “Indian Men” are generally upper-class and well-off, pictured alone within their homes or at work, seemingly isolated from the world around them. His “Urban Landscapes” can be harsh, desolate, and hauntingly beautiful. In these works he captures the continuing rifts in India society, evidenced in its new architecture and lack of civic infrastructures.