Thomas Zipp 'the family of ornament und verbrechen'

Thomas Zipp 'the family of ornament und verbrechen'

Vienna, Austria Friday, January 26, 2007–Thursday, March 15, 2007

Thomas Zipp

Vernissage: 26. Januar 2007, 19.00 Uhr
Der Künstler ist anwesend. Es spricht Harald Falckenberg

Opening: January 26, 2007, 7 pm
The artist will be present. Introduction by Harald Falckenberg

Thomas Zipp (D, *1966, lebt und arbeitet in Berlin) inszeniert in seiner Ausstellung „The family of Ornament und Verbrechen“ die Räume der Galerie Krinzinger neu. Luster werden von den Decken hängen, Objekte und Collagen reagieren auf die historistischen Gegebenheiten.

Thomas Zipp ist Maler, arbeitet jedoch auch mit Fotografie und Video, stellt Objekte her, richtet Installationen ein – manchmal schreibt er sogar Texte und Musik. Seine bevorzugte Technik ist die Collage, die ihm den konzeptionellen Rückgriff auf historische Vorläufer erlaubt und trotzdem die Distanz zu den verwendeten, aufgegriffenen Elementen wahrt. Zdenek Felix spricht bei Zipp von einer mutierten Form der Collage. Ihre dramatische Wirkung stammt von den vergrößerten Fotokopien (Kunstreproduktionen), die den Hintergrund für gemalte, kleinformatige Gemälde bilden - sozusagen als umgekehrte Collage. Seine Bildschöpfungen erscheinen häufig entrückt und geisterhaft. Zipps Interesse am visionären Gehalt der klassischen Moderne taucht immer wieder als Versatzstück auf und dient als Anknüpfungspunkt für seine eigenen Utopien. Veit Loers nannte Zipps Vorgehensweise einen „narrativen Konzeptionalismus“ und meinte damit auch seine spontane Fabulierlust. Diese Fabulierlust wird gespeist von Historischem und auch in der Wiener Ausstellung verweist er auf einen lokalen sowie internationalen historischen Kontext, indem er sich auf den Text „Kunst und Verbrechen“ (1908) von Adolf Los bezieht. Diese fast hundert Jahre alte Kulturkritik wieder neu zu lesen ist auch eine umgekehrte Collage. Wir rückprojizieren den heutigen Zustand der Welt, ihre Produktionsprozesse und den Zustand des Handwerks und der Industrie auf diese historische Kritik. Durch diese Rückprojektion bekommt die Kritik von Loos einen ganz neuen Filter. Mit dem Vergnügen des Nachgeborenen entdecken wir in seiner Kritik gerechtfertigte und überzogene Aspekte und erschaudern vor der Momentaufnahme seiner Perspektive.

„Der moderne mensch, der sich tätowiert, ist ein verbrecher oder ein degenerierter. Es gibt gefängnisse, in denen achtzig prozent der häftlinge tätowierungen aufweisen. Die tätowierten, die nicht in haft sind, sind latente verbrecher oder degenerierte aristokraten. Wenn ein tätowierter in freiheit stirbt, so ist er eben einige jahre, bevor er einen mord verübt hat, gestorben. [...] Was aber beim papua und beim kinde natürlich ist, ist beim modernen menschen eine degenerations-erscheinung. Ich habe folgende erkenntnis gefunden und der welt geschenkt: Evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande. Ich glaubte damit neue freude in die welt zu bringen, sie hat es mir nicht gedankt. Man war traurig und ließ die köpfe hängen. Was einen drückte, war die erkenntnis, daß man kein neues ornament hervorbringen könne. [...] Traurig gingen die menschen dann zwischen den vitrinen umher und schämten sich ihrer impotenz. Jede zeit hatte ihren stil, und nur unserer zeit soll ein stil versagt bleiben? Mit stil meinte man das ornament. Da sagte ich: Weinet nicht! Seht, das macht ja die größe unserer zeit aus, daß sie nicht imstande ist, ein neues ornament hervorzubringen. Wir haben das ornament überwunden, wir haben uns zur ornamentslosigkeit durchgerungen. Seht, die zeit ist nahe, die erfüllung erwartet unser. Bald werden die straßen der städte wie weiße mauern glänzen. Wie Zion, die heilige stadt, die hauptstadt des himmels. Dann ist die erfüllung da.[...] Wehe dem staate, dessen revolutionen die hofräte besorgen! [...]Nun gut, die ornament-seuche ist staatlich anerkannt und wird mit staatsgeldern subventioniert. Ich aber erblicke darin einen rückschritt. Ich lasse den einwand nicht gelten, der sich in die worte kleidet: "wenn aber das ornament schön ist...!" Mir, und mit mir allen kultivierten menschen, erhöht das ornament die lebensfreude nicht. [...]Der ungeheure schaden und die verwüstungen, die die neuerweckung des ornamentes in der ästhetischen entwicklung anrichtet, könnten leicht verschmerzt werden, denn niemand, auch keine staatsgewalt, kann die evolution der menschheit aufhalten. Man kann sie nur verzögern. Wir können warten. Aber es ist ein verbrechen an der volkswirtschaft, daß dadurch menschliche arbeit, geld und material zugrunde gerichtet werden. Diesen schaden kann die zeit nicht ausgleichen. [...]“ Auszüge aus Adolf Loos aus: Ornament und Verbrechen (1908)