Tim Roda 'make BELIEVE'

Tim Roda 'make BELIEVE'

Rudi-Dutschke-Straße 26 Berlin, Germany Friday, September 18, 2009–Saturday, October 31, 2009

Eröffnung: Freitag, 18. September 2009, 19 – 21 Uhr

Tim Roda hat etwas, was viele aufstrebende Künstler nicht haben – drei Jungs unter 11 Jahren und eine blühende Ehe. Und weil er diese seit mehr als einem Jahrzehnt zum Inhalt seiner theatralisch inszenierten Fotografien macht, ist Rodas Werk ebenso eine Ausnahme. Es befasst sich mit einem Inhalt, den wir nicht so oft in der zeitgenössischen Kunst sehen – dem Familienleben. Die Banalität, die in der zeitgenössischen Fotografie häufig vorkommt, lehnt er ab. Dafür zeigt er auf seinen Schwarz-Weiß-Bildern durchweg seine Frau und kleinen Jungs, so dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn, Ehefrau und Ehemann, Mutter und Kind in jeder Komposition eine zentrale Rolle spielt. Aber der gebürtige Pennsylvanier hat mehr als nur seine unmittelbare Familie zur Inspirationsquelle. Die verschwiegen schräge Häuslichkeit, die wir in jedem der 35mm Bilder sehen, kombiniert erträumte Erinnerungen der eigenen Kindheit des Künstlers sowohl als auch autobiographische Momente der Gegenwart und die gemeinsame Geschichte der Vergangenheit seiner Großfamilie. Die Fotografien sind Balanceakte zwischen Dokumentation und Täuschung; Familienporträts mehrerer Generationen werden Teil innerhalb Rodas eigener; sind Dokumente einer Familie, die dem Vergangenen ein Denkmal setzen, während sie auch mit den Gegenwärtigen spielen. Und, so wie Rodas Kunst sich direkt in sein Leben mischt, interveniert sein Leben auch innerhalb seiner Kunst.

Ein Gefühl von Sehnsucht gepaart mit einer traumhaften Verspieltheit – wieder zu erkennen in selbst gemachten Kostümen und übertriebenen Erzählungen – durchzieht durchgehend Rodas Oeuvre und macht jede Vignette zu einer zeitlosen, virtuellen Realität, welche zum Teil Erinnerung ist, zum Teil Geschichte und zum Teil Echtzeit-Aufnahme von sich entfaltendem Leben. Das ist nirgends besser als in seinen neuesten Arbeiten belegt, in denen Roda ein fremdes häusliches Leben und seine persönliche Vergangenheit untersuchte. Sie entstanden direkt im Anschluss an sein Fulbright Stipendium in Italien und werden in diesem Herbst zum ersten Mal in Rodas Galerien in New York City, Seattle und Berlin zu sehen sein. Nach einiger Zeit in Rom, hatte sich die Familie auf den Weg nach Süden Richtung Pentidatillo begeben - das Dorf, in dem Rodas Großvater aufgewachsen ist. Wissbegierig das Leben seiner Vorfahren so detailgetreu wie möglich zu erforschen, verwischte Roda die Linien zwischen seiner Kunst und seinem Leben mehr als in jeder anderen Serie davor. Die fünf Rodas zogen in ein Ein-Zimmer-Haus, welches zugleich als Wohnraum und Studio diente. Die resultierenden Bilder gleichen Ausschnitten des wahren Lebens, weil sie es auch waren. Die Jungs machten ihre Hausaufgaben oder frühstückten und unterbrachen dies kurz, um an einem von Rodas Sets zu arbeiten.

Seitdem Plato die Kunst in seine Höhle sperrte, haben die Kunst und somit auch die Künstler sich damit herumgequält, dass Kunst nur das Zweitbeste neben dem „Echten“ ist. Der Modernismus erreichte eine selbstreferenzielle Autonomie worin die Kunst als ein obskurer, wenngleich auch idealer „platonischer“ Ort existieren konnte, welcher nicht vom wirklichen Leben, sondern von stilistischen Gesetzen verwaltet wurde. Malerei und Bildhauerei waren separiert von den materialistischen, alltäglichen Angelegenheiten normaler Leute. Dies war Kunst um der Kunst willen und das komplette Gegenteil von Rodas verweilendem, performativem Nachstellen eines vergangenen Lebens und dem Dokumentieren eines Lebens im Hier und Jetzt. Obwohl die Fotografien ihre Wurzeln in der Tradition der Familien-Schnappschüsse haben, weist Rodas Werk darüber hinaus. Wenngleich seine Arbeiten eine sich stetig entfaltende Dokumentation seiner Beziehung zur eigenen Vergangenheit und Gegenwart darstellen, sind sie doch vor allem eine faszinierende Erforschung von beidem: dem Lauf der Zeit und die Dynamik menschlicher Beziehungen.