Eröffnung: Freitag, 18. September 2009, 19 – 21 Uhr
Tim Roda hat etwas, was viele aufstrebende Künstler nicht haben – drei Jungs unter 11 Jahren und eine blühende Ehe.
Und weil er diese seit mehr als einem Jahrzehnt zum Inhalt seiner theatralisch inszenierten Fotografien macht, ist Rodas
Werk ebenso eine Ausnahme. Es befasst sich mit einem Inhalt, den wir nicht so oft in der zeitgenössischen Kunst
sehen – dem Familienleben. Die Banalität, die in der zeitgenössischen Fotografie häufig vorkommt, lehnt er ab. Dafür
zeigt er auf seinen Schwarz-Weiß-Bildern durchweg seine Frau und kleinen Jungs, so dass die Beziehung zwischen
Vater und Sohn, Ehefrau und Ehemann, Mutter und Kind in jeder Komposition eine zentrale Rolle spielt.
Aber der gebürtige Pennsylvanier hat mehr als nur seine unmittelbare Familie zur Inspirationsquelle. Die verschwiegen
schräge Häuslichkeit, die wir in jedem der 35mm Bilder sehen, kombiniert erträumte Erinnerungen der eigenen
Kindheit des Künstlers sowohl als auch autobiographische Momente der Gegenwart und die gemeinsame Geschichte
der Vergangenheit seiner Großfamilie. Die Fotografien sind Balanceakte zwischen Dokumentation und Täuschung;
Familienporträts mehrerer Generationen werden Teil innerhalb Rodas eigener; sind Dokumente einer Familie, die dem
Vergangenen ein Denkmal setzen, während sie auch mit den Gegenwärtigen spielen. Und, so wie Rodas Kunst sich
direkt in sein Leben mischt, interveniert sein Leben auch innerhalb seiner Kunst.
Ein Gefühl von Sehnsucht gepaart mit einer traumhaften Verspieltheit – wieder zu erkennen in selbst gemachten Kostümen
und übertriebenen Erzählungen – durchzieht durchgehend Rodas Oeuvre und macht jede Vignette zu einer
zeitlosen, virtuellen Realität, welche zum Teil Erinnerung ist, zum Teil Geschichte und zum Teil Echtzeit-Aufnahme von
sich entfaltendem Leben.
Das ist nirgends besser als in seinen neuesten Arbeiten belegt, in denen Roda ein fremdes häusliches Leben und seine
persönliche Vergangenheit untersuchte. Sie entstanden direkt im Anschluss an sein Fulbright Stipendium in Italien und
werden in diesem Herbst zum ersten Mal in Rodas Galerien in New York City, Seattle und Berlin zu sehen sein. Nach
einiger Zeit in Rom, hatte sich die Familie auf den Weg nach Süden Richtung Pentidatillo begeben - das Dorf, in dem
Rodas Großvater aufgewachsen ist. Wissbegierig das Leben seiner Vorfahren so detailgetreu wie möglich zu erforschen,
verwischte Roda die Linien zwischen seiner Kunst und seinem Leben mehr als in jeder anderen Serie davor.
Die fünf Rodas zogen in ein Ein-Zimmer-Haus, welches zugleich als Wohnraum und Studio diente. Die resultierenden
Bilder gleichen Ausschnitten des wahren Lebens, weil sie es auch waren. Die Jungs machten ihre Hausaufgaben oder
frühstückten und unterbrachen dies kurz, um an einem von Rodas Sets zu arbeiten.
Seitdem Plato die Kunst in seine Höhle sperrte, haben die Kunst und somit auch die Künstler sich damit herumgequält,
dass Kunst nur das Zweitbeste neben dem „Echten“ ist. Der Modernismus erreichte eine selbstreferenzielle Autonomie
worin die Kunst als ein obskurer, wenngleich auch idealer „platonischer“ Ort existieren konnte, welcher nicht vom wirklichen
Leben, sondern von stilistischen Gesetzen verwaltet wurde. Malerei und Bildhauerei waren separiert von den
materialistischen, alltäglichen Angelegenheiten normaler Leute. Dies war Kunst um der Kunst willen und das komplette
Gegenteil von Rodas verweilendem, performativem Nachstellen eines vergangenen Lebens und dem Dokumentieren
eines Lebens im Hier und Jetzt. Obwohl die Fotografien ihre Wurzeln in der Tradition der Familien-Schnappschüsse
haben, weist Rodas Werk darüber hinaus. Wenngleich seine Arbeiten eine sich stetig entfaltende Dokumentation
seiner Beziehung zur eigenen Vergangenheit und Gegenwart darstellen, sind sie doch vor allem eine faszinierende
Erforschung von beidem: dem Lauf der Zeit und die Dynamik menschlicher Beziehungen.