Öffnungszeiten zur OPEN ART München:
11. September 2015, 18 - 21 Uhr
12. September 2015, 11 - 18 Uhr
13. September 2015, 11 - 18 Uhr
Im zweiten Teil der Painting Show präsentiert Rüdiger Schöttle Malerei von Thomas Helbig (DE), Ma Ke (CN), Karin Kneffel (DE), Andrew Palmer (GB), Qiu Ruixiang (CN) und Thomas Zipp (DE), nachdem im ersten Teil der Malereiausstellung (12. Juni – 31. Juli 2015) Werke von Helene Appel (DE), Jānis Avotinš (LT), Adrian Ghenie (RO), Toulu Hassani (IR), Kour Pour (GB) und Florian Süssmayr (DE) gezeigt wurden.
In Thomas Helbigs neuesten Arbeiten leuchten wie bei Photogrammen immaterielle Spuren von Schmuck, Zierketten und kosmischen Motiven im Dunkel des Malgrundes auf. Helbig verwendet farbige Bühnenstoffe als Trägermaterial. Im Unterschied zur Leinwand schluckt die Oberfläche das auftreffende Licht oder reflektiert es in einem weichen Schimmer. Die Sichtbarkeit der goldenen Webkante verstärkt die feierliche Anmutung des Stoffes und unterläuft gleichzeitig auf subtile Weise dessen Pathos. Ihr täuschendes Gegenlicht, in dem die fragilen Negativformen erscheinen, verdanken sie dem Farbnebel, den der vorangegangene Sprühvorgang hinterlassen hat. Die eigentlichen Dinge sind verschwunden, was wir wahrnehmen ist ihr Nachglühen. Diese Umkehrung der Malerei fungiert hier wie das sprichwörtliche "Hinters Licht führen" und so wirft Helbig im hybriden Spiel mit Material und Farbauftrag die Frage des Mediums nach Darstellung und Repräsentation auf. Thomas Helbig hat an der Akademie der bildenden Künste in München und am Goldsmiths College in London studiert. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Im Zentrum von Ma Kes Schaffen steht die oftmals in ein surreal anmutendes Setting platzierte menschliche Figur. Durch verzerrte Darstellungsformen nimmt sie eine starke Präsenz im Bildgeschehen ein: Häufig ist der Körper in der Breite gedehnt gemalt oder die Köpfe sind mit einer unnatürlich hohen Stirn versehen. Immer wieder scheinen Ma Kes Charaktere mit eigentümlichen Apparaturen zu hantieren bzw. haben diese den Anschein, mit den Körpern verbunden zu sein. Handelt es sich um McLuhan'sche Gerätschaften des elektronischen Zeitalters, die Ma Ke als Klotz am Bein visualisiert? Der Medientheoretiker Marchall McLuhan betrachtete Medien als Erweiterungen – „extensions“ – aber auch als Amputationen des menschlichen Sinnesapparates. In seinen Theorien geht es darum, wie die Medialität den Menschen und damit auch die Gesellschaft verändert und unmittelbar menschliches Denken, Handeln und unsere Wahrnehmung bestimmt. Auch Ma Ke wurde durch chinesische Medienpolitik sowie gesellschaftliche Praktiken Chinas geprägt. Er war zunächst stark von traditioneller chinesischer Ölmalerei und dem sozialistischen Realismus beeinflusst, bis er an der Kunstakademie von Tianjin eine ganz neue Wahrnehmung entwickelte, sich von Restriktionen befreite und zu seiner eigenen bildnerischen Sprache fand. Seinen MFA absolvierte er an der Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Beijing. Ma Ke wurde in Zibo in der Provinz Shandong geboren. Er lebt und arbeitet in Beijing.
Karin Kneffel erfasst mit ihrer realistischen Malerei ein breites Spektrum an Motiven, denen Sie sich mit gleichbleibender unvoreingenommener Distanziertheit wie auch Präzision in der Darstellung annähert. Seit Anfang der 2000er Jahre bilden Interieurs und Fensterbilder einen Schwerpunkt ihres Schaffens. Die Spiegelungen in polierten Fußböden, schimmerndem Mobiliar, glatten Scheiben, Fernsehmonitoren oder in Gemälden im Gemälde erzeugen Vexierspiele über das Erkennen von Außen und Innen, Vorder- und Hintergrund wie auch Vergangenem und Gegenwärtigem. Kneffel transferiert alles auf die zweidimensionale Fläche der Leinwand und lässt Raum und Zeit in einem Moment anhalten. Der gekonnte Einsatz von Lichteffekten unterstützt die Undefinierbarkeit und mysteriöse Stimmung der Szenarien. Sie muten wie schockgefroren an und erinnern zuweilen an Stills aus Filmen von David Lynch. Kneffel setzt immer wieder das nasse Element des Wassers ein, das in Form von Tropfen oder Rinnsalen auf den Fensterscheiben sitzt, durch die hindurch sich den BetrachterInnen teils ganze Bildräume offenbaren. In den Wasserflecken lodern nochmals Farben und Oberflächen der Requisiten auf. Die Malerei Kneffels changiert durch diesen Kunstgriff gelegentlich beinahe ins Abstrakte. Karin Kneffel war Meisterschülerin bei Gerhard Richter und ist Professorin für Malerei an der Akademie der bildenden Künste München.
Andrew Palmers abstrakt-geometrische Malereien ähneln in ihrer Bildsprache jenen von Thomas Helbig. Wie auch bei Helbigs Arbeiten erinnern die mäandernden, undefinierbaren Flächenbereiche und Linien seiner Gemälde an makrokosmische Strukturen oder lassen mikroskopische Aufnahmen wie auch geologische Formationen ersinnen. Es eröffnen sich symbolische Orte und Welten mit verästelten Wegen, die in uns oder weit außerhalb von uns liegen könnten. Immer wieder tauchen geometrische, schwerelos anmutende Gebilde auf, die als transparente Körper den Bildhintergrund durchscheinen lassen. Vordergrund und Hintergrund, Konkretes und Abstraktes kippen ineinander. Nicht zuletzt trägt Palmer seine Materialien – Ölfarbe, Acrylgips oder Lack – nicht nur auf Leinwände, sondern auch auf gefundenes Gestein auf. Die bearbeiteten Bereiche lassen hierbei die Illusion aufkommen, man sähe die glatt geschliffenen Ebenen der Steingebilde mit ihren schimmernden Farbflächen und Aderlinien vor sich. Sie stehen in Kontrast zu den rauen, unbehandelten Oberflächen der Gesteine. Palmer schaut sich Gestaltungsformen und Oberflächenstrukturen der Natur ab und macht diesen in seinen Malereien und Objekten regelrecht Konkurrenz. „Die Kunst steckt in der Natur“, wusste bereits Albrecht Dürer und Haeckels „Kunstformen der Natur“ erfreuten sich schon bei bildenden KünstlerInnen der vorherigen Jahrhundertwende großer Beliebtheit. Andrew Palmer wurde in Salisbury (UK) geboren und absolvierte sein Kunstdiplom an der Slade School of Fine Art. Er lebt und arbeitet in London.
Qiu Ruixiang rückt wie sein chinesischer Künstlerkollege Ma Ke die menschliche Figur in den Mittelpunkt seines Schaffens. Seine Protagonisten erwecken den Anschein entweder in handwerkliche Arbeiten vertieft zu sein oder meditative leibliche Übungen - wie Qigong, eine chinesische Konzentrations- und Bewegungsform zur Kultivierung von Körper und Geist - auszuführen. Die Figuren treten stets aus einem in verschiedenfarbigen Schattierungen gehaltenen Dunkel hervor und sind von einer starken Lichtquelle dramatisch in Szene gesetzt, womit sie sich aus der Umgebung herausheben und ihre inneren Spannungen gesteigert zum Ausdruck gebracht werden. Regelmäßig sind die Charaktere alleine in ihre Tätigkeiten versunken und wirken in stiller Emotionalität von der äußeren Welt abgegrenzt. Verstärkt wird dieser Effekt durch eine teilweise eingesetzte Draufsicht, bei der im übertragenen Sinne ein auktorialer Erzähler – von oben und aus der Distanz – das Geschehen beobachtet. Ruixiangs Figuren strahlen eine kontemplative und in sich gekehrte Aura aus. Seine Arbeiten bestechen gerade dadurch, dass sie sich von allzu Zeitgenössischem unterscheiden und eine unaufdringliche Farbigkeit und Ruhe zelebrieren. Qiu Ruixiang hat an der Akademie der bildenden Künste von Xi'an studiert. Er stammt aus Shanxi und lebt und arbeitet in Xi'an.
Thomas Zipp behandelt in seinem Schaffen künstlerische, wissenschaftliche, religiöse und soziale Utopien und thematisiert dabei deren Hoffnungen, Versprechen wie auch ihr Scheitern. Zur Umsetzung seiner Assoziationen benutzt er nicht nur malerische Mittel, sondern greift stets auch auf Zeichnung, Fotografie, Fotokopie, Skulptur und Objekt zurück, wobei die diversen Medien von Zipp bevorzugt in programmatisch raumgreifenden Inszenierungen assembliert werden. Darüber hinaus ist Thomas Zipp auch in der Musik und Textarbeit aktiv. Sein „narrativer Konzeptualismus“ greift verschiedenste gestalterische Stilmittel auf. So lassen sich seine Arbeiten teils als ironisch und humorvoll, teils als poetisch-sinnlich bis düster-melancholisch interpretieren. Die Darstellung von Begrifflichem spielt in Zipps Gemälden eine zentrale Rolle, womit sich sein malerisches Œuvre deutlich von einer lauten, bunten und poppigen Malerei unterscheidet. Immer wieder kreisen jene Begrifflichkeiten um die Themenfelder Körper und Geist, Norm und Abweichung, Unbewusstes oder Visionäres. Psychologische Konzepte und Theorien und Forschungen über die Geschichte der Psychiatrie alla Michel Foucault sind von Zipp bevorzugt aufgegriffene Gegenstandsbereiche. Stets ist auch eine Auseinandersetzung mit historischen Kunstströmungen wie dem Kubismus, Futurismus oder dem Surrealismus in Zipps Werken erfahrbar. Thomas Zipp studierte an der Städelschule Frankfurt und der Slade School of Fine Art in London. Er ist Professor für Malerei und Multimedia an der Universität der Künste Berlin.
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Opening times OPEN ART Munich:
September 11, 2015, 6 pm - 9 pm
September 12, 2015, 11 am - 6 pm
September 13, 2015, 11 am - 6 pm
In Part Two of the Painting Show, Rüdiger Schöttle presents works by Thomas Helbig (DE), Ma Ke (CN), Karin Kneffel (DE), Andrew Palmer (GB), Qiu Ruixiang (CN), and Thomas Zipp (DE). Part One featured works by Helene Appel (DE), Jānis Avotiņš (LT), Adrian Ghenie (RO), Toulu Hassani (IR), Kour Pour (GB), and Florian Süssmayr (DE).
In Thomas Helbig’s most recent works, immaterial traces of jewelry, decorative chains, and cosmic motifs light up against the dark background of the medium, much like in photograms. Helbig uses colorful stage fabrics as carrier material. In contrast to a canvas, the surface swallows the light that hits it, or reflects it as a soft gleam. The visibility of the golden selvage reinforces the solemn appearance of the fabric and, at the same time, undermines its pathos in a subtle way. Its deceptive backlighting, in which the fragile negative forms take shape, are owed to the paint mist left by previous spraying activity. The thing in itself has disappeared; what viewers perceive is an afterglow. This reversal of painting acts as a form of trickery, and Helbig raises the medium’s question of presentation and representation in a hybrid play of material and color application. Thomas Helbig studied at the Academy of Fine Arts Munich and at Goldsmiths, University of London. He lives and works in Berlin.
At the center of Ma Ke’s work, one often finds the human form placed in seemingly surreal settings. In distorted representational forms, it assumes a strong presence in the picture: The bodies are frequently stretched vertically, and at times the heads are equipped with unnaturally high foreheads. Time and again, Ma Ke’s characters seem to tamper with strange gadgets, some of which, conversely, seem to be connected to the body. Are the blocks Ma Ke shows attached to a figure’s leg the McLuhanian machines of the electronic age? The media theoretician Marshall McLuhan views media as extensions of the human sensory apparatus, but also as amputations thereof. In his theories, he queries how mediality changes human beings and, with them, society, and how it thus directly determines human thought, action, and perception. Ma Ke was also heavily influenced by Chinese media policies and social practices in China. In the beginning, his work was informed by traditional Chinese oil paintings and socialist realism, until he developed a wholly new way of perceiving at the Art Academy of Tianjin, liberated himself from restrictions, and found his way to his own artistic language. He received his MFA at the Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Beijing. Ma Ke was born in Zibo in the Shandong province. He lives and works in Beijing.
With her realistic paintings, Karin Kneffel captures a broad spectrum of subjects, which she approaches with a consistent distance and representational precision. Since the early 2000s, interiors and window pictures are two of the main focuses of her oeuvre. The reflections in polished floors, shimmering furniture, flat glass panels, television screens, or paintings within the painting create picture puzzles about recognizing interiors and exteriors, foregrounds and backgrounds, and past and present things. Kneffel transfers everything on the two-dimensional plane of the canvas, and freezes space and time in a single moment. Her expert use of lighting effects supports the undefinable nature and the mysterious atmosphere of her scenarios. They appear flash-frozen and are often reminiscent of stills from a film by David Lynch. Kneffel repeatedly uses the element of water, which sits on window panes in the form of droplets or rivulets and through which entire image spaces are revealed to the viewers. Sometimes colors and prop surfaces blaze up in the water spots. With this device, Kneffel’s style of painting often shifts into the abstract. Karin Kneffel was a student in Gerhard Richter’s master class and is a professor of painting at the Academy of Fine Arts, Munich.
Andrew Palmer’s abstract geometrical paintings resemble those of Thomas Helbig in their visual language. Much like in Helbig’s works, the meandering, undefinable surfaces and lines of Palmer’s paintings are often reminiscent of macrocosmic structures or conjure up microscopic images or geological formations. Symbolic places and worlds with ramified pathways emerge, which may either lie within us or outside, at a great distance from us. Geometric, seemingly weightless figures appear, while the image background shows through their transparent bodies. Foreground and background, the concrete and the abstract topple into each other. Palmer applies his material – oil paint, acrylic primer, varnish – not only to the canvas, but also to found rocks. The painted areas give the illusion of the rock formations’ smooth, polished surfaces with their shimmering color spots and veining. They are a contrast to the rough, untouched areas on the rocks. Palmer copies forms and surface structures from nature and virtually competes with them in his paintings and objects. “Art is embedded in nature,” as Albrecht Dürer already knew, and Hackel’s Art Forms in Nature were already popular among artists at the previous turn of the century. Andrew Palmer was born in Salisbury, UK, and received his art diploma from the Slade School of Fine Art. He lives and works in London.
Qiu Ruixiang places the human form at the center of his work, much like his Chinese colleague Ma Ke. His protagonists appear to be immersed either in manual labor or in meditative physical exercise such as qigong, a Chinese system of concentration and movement used to train body and mind. The figures always emerge from a dark background of different colors, and are dramatically brought to life with a potent light source, which accentuates them from their surrounding and enhances the expression of their inner tensions. The characters are regularly alone as they are lost in their activities and, in their quiet emotionality, seem distant from the outside world. This effect is reinforced by a top view, which the artist sporadically uses and where, in a figurative sense, an omniscient narrator observes from above and from a distance. Ruixiang’s figures emanate a contemplative, introverted aura. His works captivate viewers by their distinction from overly contemporary works and by their celebration of unobtrusive colorfulness and tranquility. Qiu Ruixiang studied at the Xi’an Academy of Fine Arts. He was born in Shanxi and lives and works in Xi’an.
Thomas Zipp explores artistic, scientific, religious, and social utopias in his works, and in doing so discusses their hopes and promises as well as their failures. In expressing his associations, he uses not only the means of painting, but also frequently those of sketching, photography, photocopying, sculpture, and object work. He prefers to assemble the various media in programmatically space-filling installations. Moreover, Thomas Zipp also actively engages in music and text production. His “narrative conceptualism” draws on a plethora of stylistic means. Therefore, his works may be interpreted at times as ironic and humorous, at times as poetic and sensual, and even somber and melancholic. The representation of the conceptual plays an essential role in Zipp’s paintings, distinguishing his paintings from loud, colorful pop paintings. Time and again, these concepts revolve around the themes of body and spirit, norm and deviation, the unconscious and the visionary. Psychological concepts, theories and research about the history of psychiatry à la Michel Foucault are Zipp’s preferred topics of interest. His examination of historic art movements such as cubism, futurism, and surrealism is always tangible in his works. Thomas Zipp studied at the Städelschule in Frankfurt and at the Slade School of Fine Arts in London. He is professor of painting and multimedia at the Berlin University of the Arts.