Sonja Braas: The Passage

Sonja Braas: The Passage

Maximilianstrasse 45 Munich, Germany Friday, September 14, 2012–Saturday, October 20, 2012

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Sonja Braas: The Passage
15. September - 20. Oktober 2012
Eröffnung Freitag, 14. September 2012 // 18:00 - 21:00 Uhr
Die Künstlerin ist anwesend.

Sonja Braas‘ Serie “The Passage” (2009 – 2012) suggeriert in filmähnlicher Form die Darstellung einer Reise durch eine minimalistische, an Polarregionen erinnernde Landschaft. Wie in extremen Zeitraffer schaffen zweiundfünfzig - jeweils eine wöchentliche Aufnahme repräsentierende - Bilder den zeitlichen Rahmen eines Jahres.
Der chronologische Ablauf wird dabei impliziert durch den sich kontinuierlich ändernden Himmel, sowie durch die Veränderung der Quelle und Intensität des Lichts: Es findet eine graduelle Verdunkelung des anfangs fast gleissenden Tageslichts statt, hin zu einer nahezu absoluten, nur vom Licht des Mondes und der Sterne unterbrochenen Dunkelheit. Darauf folgend geschieht die langsame Umkehrung zurück zur ursprünglichen Helligkeit.
Das Fehlen jedes Größenvergleichs führt zum Verlust der räumlichen Orientierung: es ist unklar, wo man sich im Verhältnis zur Umgebung befindet, ob man sich durch die Landschaft oder über sie hinwegbewegt und ob sie aus Schnee, Eis oder Wasser besteht. Nur der Horizont ist konstant in seiner Position und Distanz. Veränderungen in der Struktur der Landschaft führen zur Wahrnehmung von Bewegung. Es ist keine zielgerichtete Bewegung: das letzte Bild schliesst an das erste an, vielleicht ist man am gleichen Ort angekommen, an dem man begonnen hat. Die Implikation ist die einer Schleife - die Reise beginnt oder endet nicht, sondern wiederholt sich.
Tatsächlich existiert weder die Landschaft noch Bewegung oder Zeit in der suggerierten Form. Alle Bilder der Serie entstanden als Inszenierungen in analogen Modellen, die in ihrer Reduktion von Detail und Farbigkeit nicht Narration, sondern die abstrakte Verknüpfung und Erfahrung von Raum und Zeit und von Veränderung und Bewegung als Element der Zeit in den Vordergrund stellen. Mittels der Bewegung verbinden sich Raum und Zeit, der Raum wird zum Ort eines zeitlichen Durchlaufs. Aus der Bewegung leitet sich das Bewusstsein für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab, die im normalen Umgang mit der Zeit als einer linearen Ordnung folgend verstanden werden. Jedes Durchbrechen der Linearität – ähnlich einem Traum oder dem plötzlich gegenwärtigen Aufblitzen von etwas Vergangenem oder Zukünftigem - stellt den Betrachter außerhalb dieser Ordnung und scheint keine eigentliche Realität zu besitzen.
Dort setzt “The Passage” an, scheinbar dem linearen, vorwärts gerichtetem Zeitmodell folgend, stehen die einzelnen Bilder nicht nur für die jeweils abgebildeten Momente, sondern durch die suggerierte chronologische Abfolge und die durch das Medium der Fotografie implizierte Authentizität, auch für die Dauer und Distanz zwischen ihnen. In der Austauschbarkeit zwischen Anfangs – und Ausgangspunkt und der Abwesenheit kausaler Zusammenhänge zwischen den Bildern liegt jedoch die potentielle Aufhebung dieser Zeitvorstellung. Es geht nicht um den fotografischen Versuch, lineare Zeitabläufe zu dokumentieren, wie es etwa Eadweard Muybridge in seinen Serienfotografien der zwingenden Abfolge von Bewegungsabläufen anstrebte, sondern um eine Auseinandersetzung mit einer subjektiven, vom Beobachter abhängigen Zeit.
Die an einen Film erinnernde serielle Darstellung der angehaltenen Momente, die einen zeitlichen Ablauf suggeriert aber nicht beweist, erlaubt im Gegensatz zum Film, der den anzusehenden Augenblick diktiert, den gleichzeitigen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es liegt an dem Betrachter, die Richtung der Bewegung und damit Zeitraum und -richtung zu definieren; Sicherheit in der Festlegung der zeitlichen und örtlichen Position wird ersetzt durch Vermutung und Interpretation. Durch die graduelle Erkenntnis, dass das Gesehene nicht der Erwartung des Authentischen entspricht und der daraus resultierenden Auflösung der Illusion des chronologischen Ablaufs, werden Raum und Zeit zu Abstraktionen, zu reinen Illusionen, die nicht mehr unabhängig sind vom Betrachter, sondern im Gegenteil endgültig durch ihn bestimmt werden.

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Sonja Braas: The Passage
September 15th - October 20th, 2012
Opening Friday, September 14th, 2012 // 6:00 pm - 9:00 pm
The artist will be present.

Sonja Braas’ series “The Passage” (2009 – 2012) suggests the depiction of a journey through a minimalist landscape reminiscent of polar regions. Fifty two images create the time frame of one year, with each image representing one week, thus evoking the perception of a film like, extreme time lapse.
A chronological succession of the images is implied by the continuously changing sky as well as the change of source and intensity of the light: a gradual darkening from a near white out to an almost complete darkness, which only the light of the stars and the moon interrupts and a subsequent reversal of this process to the original lightness.
The lack of scale leads to the loss of any spatial orientation; it is unclear, where one is located in relation to the surrounding environment, whether one is moving through the landscape or above it and whether the landscape consists of snow, ice or water. Only the horizon is constant in its position and distance. Changes in the landscape’s structure lead to a perception of movement. This movement has no destination, the last image appears to relate to the first, perhaps one has arrived at the beginning. The implication is that of a loop – an infinite repetition instead of a definite beginning or an end to the journey.
Neither the landscape nor the movement or time exist in the suggested form. All images were created as sets, that emphasize through the reduction of detail and color not a narrative but the abstract correlation of space and time and of change and movement as elements of time. Through movement space and time connect, space becomes the stage for the passage of time. Movement creates awareness of past, present and future, which are generally associated with a linear order. Any deviation from this linearity – as in a dream, a sudden appearance of something past or future – positions the viewer outside this order and appears not to be real.
Seemingly following the linear time model the individual images of the passage represent not only the pictured moments, but because of the suggestion of a chronological succession supported by the perceived authenticity implied by the medium of photography, also the time and distance between them. Inherent in the exchangeability of starting and end point and the lack of causality between the images is the potential suspension of this linear understanding of time. As opposed to an attempt to document linear time, as in for instance Eadweard Muybridge ‘s work of serial photographs of motion sequences, the passage approaches time as being subjective and dependent on the viewer. In contrast to the accelerated succession of images in film - which dictates the sequence and directions of images to be viewed - the serial depiction of frozen moments in “The Passage” suggests but does not prove a chronology and allows the viewer to see past, present and future simultaneously. It is up to the viewer to define the direction of movement and through that time frame and direction. Certainty in determining the position in time and space is replaced by assumption and interpretation. Through the gradual realization that the images do not fulfill the expectation of authenticity and the resulting dissolution of the illusion of the chronological succession, space and time become abstractions, pure illusions, that are no longer independent from the viewer, but entirely defined by him.