Unter der Nähmaschine Unter der Nähmaschine so ist Abed Al Kadiris Ausstellung in der Galerie Tanit überschrieben, die einen weiteren Schritt in seinem schon 2006 begonnenen autobiographischen Projekt Die Geschichte vom Gummibaum darstellt. Gleichermaßen Reflexion über die Fragilität der Familie wie schonungslose Selbsterkundung setzen sich die Arbeiten aus „Unter der Nähmaschine“ im Wesentlich mit nur einem Bild auseinander, nämlich mit der einzigen erhaltenen Photographie, die die Kernfamilie des Künstlers gemeinsam zeigt, wie sie während des Libanesischen Bürgerkriegs in den Trümmern ihres Wohnhauses steht. Deutlich erkennbar ist der blankgeputzte Gendarmenhut des Vaters, die verbrannten Überreste der Nähmaschine der Mutter, einer Näherin, sind hingegen nur noch schemenhaft am Rand auszumachen. Die in Bleistift und Wachsmalkreide ausgeführten Werke auf Papier lassen ein Familienportrait der Krise, der Verletzlichkeit und der Kapitulation entstehen und erzeugen eine Kakophonie, die sich zu gleichen Teilen aus dem im Staat wütenden Konflikt und der im Elternhaus des Künstlers herrschenden häuslichen Gewalt nährt. Zwei plastische Arbeiten sowie eine Videoinstallation fußen auf einer einprägsamen Kindheitserinnerung an die Textilfabrik des Onkels, wo der Künstler stundenlang zu Füßen seiner Mutter unter ihrer Nähmaschine saß – und wo ihm Papier und Bleistift zu Gefährten in einem Zufluchtsort mit Wänden aus weichen Stoffbahnen erwuchsen. Al Kadiri hat sich in diesen Erinnerungsraum zurückbegeben und thematisiert durch den Blick auf seine arbeitende Mutter nicht nur Fragestellungen zu Maskulinität, Patriarchat und Feminismus und deren Wechselbeziehungen, sondern entwirft in seiner Arbeit gleichzeitig eine einfühlsame Hommage an die Mutter wie auch einen Entwurf zur Aufarbeitung generationsübergreifender Traumata
Under the Sewing Machine Under the Sewing Machine is Abed Al Kadiri’s exhibition at Galerie Tanit and a continuation of his ongoing autobiographical project The Story of the Rubber Tree (2016–). Both a reflection on the fragility of family and an unguarded investigation of the self, the work in Under the Sewing Machine largely reckons with a single image: the only existing pho tograph that captures the artist’s immediate family together, standing in the rubble of their home during the Lebanese civil war, his father’s spotless gendarmerie hat plainly visible and his seamstress mother’s charred sewing machine a shadowy remnant. A family portrait of crisis, vulnerability, and surrender, the backdrop for these pencil-and-crayon works on paper is articulated through the cacophony of the raging conflict in Lebanon and the internal turmoil of domestic violence in the artist’s own home. Two sculptural pieces and a video work draw on a distinct childhood memory of his uncle’s textile factory, where the artist would spend hours at his mother’s feet, under her sewing machine, with only paper and pencils as his companions—a refuge encircled by soft walls of fabric. Al Kadiri has immersed himself in this memory, not only raising questions around masculinity, patriarchy, feminism, and the relationship between those notions through the lens of his working mother but creating both a sensitive homage to her and a blueprint for shedding light on intergenerational trauma.