Galerie Thaddaeus Ropac presents its seventh solo exhibition of new works by Anselm Kiefer. Under the title Im Gewitter der Rosen [In the storm of
roses], Kiefer has assembled a series of canvases, overpainted collages, watercolours and sculptures sharing the thematic dialectic of war and
peace, love and pain. These leitmotifs draw primarily on three literary sources: Ingeborg Bachmann's poem In the Storm of Roses (1953), the
mediaeval love poem Under der Linden [Under the lime-tree] by Walther von der Vogelweide, and Arthur Rimbaud's early sonnet Le Dormeur du
val [The sleeper in the valley] (1870).
No-one, after 1945, made the question of war and peace more unreservedly the focus of their writing: Ingeborg Bachmann placed herself at the
mercy of the destructive experiences of her time, and countered the continuing state of war in the world with her own utopia of a fulfilled life. In the
Storm of Roses, written in a hermetic style comparable to that of Paul Celan's poetry, introduces an image around which all further metaphors are
grouped. Night and thunder belong to the storm; related to roses are thorns, leaves, and bushes, which also symbolise the clouds. The dynamic
suggested semantically by the storm is formally reflected in the opposing pairs. The formal asymmetry leaves behind a feeling of undirected motion.
Similarly the depiction of plants, stems, clouds against dark, almost black fields in Anselm Kiefer's canvases, which take up the motifs and the
dialectic of the poem. The elements seem as though whirled around by a storm. Kiefer's new series evinces an increasingly painterly style, although
for these new works – in which the artist's typical material aesthetic of sedimentary structures applied layer by layer predominates – no brush was
ever used. Sometimes the paint is flung on to the canvas, producing elements reminiscent of the Drippings of European Informel and American
Expressionism.
Hans Werner Henze set this poem to music in 1957, in his Nachtstücken und Arien.
Walter von der Vogelweide's Middle High German song Under der Linden, which belongs to the so-called Mädchenlieder, tells of the experience of
a simple maid and her courtly lover. The poem's bed of flowers and the broken flowers and blades of grass fit perfectly into the iconographic sphere
of (broken) stems, flowers and ears of corn which Anselm Kiefer has used increasingly since his work on the series Für Paul Celan, Die
Ungeborenen and Morgenthau Plan.
In Arthur Rimbaud's poem Le Dormeur du val, which he wrote at the age of sixteen, under the shadow of the Franco-Prussian war, a man lying in the
grass is also the principal motif: here the sleeper is a young soldier, shot dead by German troops. This early work is a favourite among Rimbaud's
poems published in anthologies and schoolbooks.
The exhibition will be accompanied by a publication with an article by Orhan Pamuk.
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Die Galerie Thaddaeus Ropac zeigt ihre siebte Einzelausstellung mit neuen Werken von Anselm Kiefer. Unter dem Titel Im Gewitter der Rosen
versammelt Kiefer einen Zyklus von Leinwänden, übermalten Collagen, Aquarellen und Skulpturen, denen die thematische Dialektik von Krieg und
Frieden, Liebe und Schmerz gemeinsam ist. Diese Leitmotive speisen sich in erster Linie aus drei literarischen Quellen: Dem 1953 verfassten
Gedicht Im Gewitter der Rosen von Ingeborg Bachmann, dem mittelalterlichen Liebesgedicht Under der Linden von Walther von der Vogelweide
und Arthur Rimbauds frühen Sonett Le Dormeur du val (1870).
Bedingungsloser hat niemand nach 1945 die Frage von Krieg und Frieden zum Zentrum seines Schreibens gemacht: Die Schriftstellerin Ingeborg
Bachmann hat sich den destruktiven Erfahrungen ihrer Zeit ausgesetzt und sie hat dem fortdauernden Kriegszustand der Welt ihre Utopie eines
gelungenen Lebens entgegengesetzt. Im Gewitter der Rosen, ein Gedicht, dessen hermetischer Stil mit der Lyrik Paul Celans vergleichbar ist, führt
ein Bild ein, um das sich alle weiteren Metaphern gliedern Zum Gewitter lassen sich Nacht und Donner zuordnen und zu Rosen Dornen, Laub und
Büsche, die zugleich die Wolken versinnbildlichen. Die semantisch durch das Gewitter suggerierte Dynamik wird formal mit Gegensatzpaaren
aufgegriffen. Die formale Ungleichmäßigkeit hinterlässt ein Gefühl der Bewegung, die ungerichtet ist.
So auch die Darstellungen von Pflanzen, Halmen, Wolken vor dunklen, fast schwarzen Feldern in den Leinwänden Anselm Kiefers, der die Motive
des Gedichts und ihre Dialektik aufnimmt. Die Elemente wirken wir durch einen Sturm durcheinandergewirbelt. Der neue Zyklus von Anselm Kiefer
weist einen zunehmend malerischen Stil auf, obwohl auch für diese neuen Werken, bei denen die für Kiefer so typischen Materialästhetik von
sedimenthaft, Schicht für Schicht aufgetragenen Strukturen vorherrscht, niemals ein Pinsel verwendet wurde. Zuweilen wird die Farbe auf die
Leinwand geschleudert und erzeugt Elemente, die an die Drippings des europäischen Informel und des amerikanischen Abstrakten
Expressionimus erinnern.
Hans Werner Henze vertonte dieses Gedicht 1957 in seinen Nachtstücken und Arien.
Walter von der Vogelweides in Mittelhochdeutsch verfasstes Lied Under der Linden ist dem Zyklus der sogenannten Mädchenlieder zuzuordnen
und thematisiert wohl das Liebeserlebnis eines einfachen Mädchens mit ihrem höfischen Geliebten. Das in dem Gedicht erwähnte Blumen-Bett und
die gebrochene Blumen und Grashalme fügen sich perfekt in die ikonographischen Sphäre von (gebrochenen) Halmen, Ähren und Blumen ein, die
Anselm Kiefer verstärkt seit der Arbeit an den Werken aus den Serien Für Paul Celan, Die Ungeborenen und Morgenthau Plan verwendet.
Der in der Natur (auf dem Gras) liegende Mensch ist auch das Hauptmotiv in Arthur Rimbauds Gedicht Le Dormeur du val, das er als
Sechszehnjähriger unter dem Eindruck des Deutsch-Französischen Krieges schrieb: Hier ist der Schläfer ein von deutschen Truppen erschossener,
junger Soldat. Dieses Frühwerk ist eines der beliebtesten in Anthologien und Schulbüchern publizierte Gedicht Rimbauds.
Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit einem Text von Orhan Pamuk.