Frank Bauers Gesamtwerk entsteht und entwickelt sich in engster Verbindung mit dem großen Interesse des Künstlers an der Fotografie, was sich in mehr als der Hälfte seines Bücherbestandes widerspiegelt. Bauers Verwendung eines Episkops zur Übertragung von Bildern auf die Leinwand stellt ihn dabei in eine bedeutende Traditionslinie: Von zwei seiner Lieblingsmaler, Vermeer und Caravaggio, vermutet man, dass sie die Camera obscura für ihre Zwecke nutzten; solch virtuose Maler wie Canaletto und Sir Joshua Reynolds taten es ihnen gleich. Die Erfindung der Fotografie erweiterte die vorhandenen Möglichkeiten dramatisch, jedoch stritten zahlreiche Maler ihren eigenen Einsatz von Fotografie als visuelles Hilfsmittel rigoros ab. Bauer hingegen zelebriert sie: Tatsächlich sind es keine Gemälde von Personen oder Szenen, die er unter Zuhilfenahme von Fotografien schafft - vielmehr sind es die Fotografien selbst, die das Sujet bilden. Er bediente sich im Laufe der Jahre verschiedener Arten von Kameras, "von Handys mit niedriger Auflösung bis zu hochwertigen Rollfilmkameras", doch nahm er die meisten seiner Fotos mit einer Schlitzverschlusskamera auf, der Nikon FE2. Dabei ist der Künstler nie darauf aus, einen perfekten Moment einzufangen oder eine technisch einwandfreie Fotografie zu produzieren. Unvollkommene Exemplare, oft verschwommen, manchmal über- oder unterbelichtet, stellen eine weitaus interessantere Herausforderung an die handwerklichen Fähigkeiten des Künstlers dar. Eine Bauer- Fotografie bezieht ihre Stärke und Authentizität nicht allein aus ihrer Genauigkeit in der Reproduktion, sondern gerade auch aus ihrer Nonchalance. Das erste Stillleben, das einen entscheidenden Wendepunkt in Bauers Werk darstellte, war die Studie seines eigenen Frühstückstisches - ein Motiv, auf das er immer wieder zurückgekommen ist und kürzlich in einer Serie von zwölf bemerkenswerten kleinformatigen Gemälden resultierte. Selbst wenn eine formalere Studie eines Freundes oder einer Freundin die Grundlage für eine Arbeit bildet, scheint dem oder der Porträtierten nicht bewusst zu sein, dass er oder sie fotografiert wird. Auch in den Frühstückstisch-Studien ist nicht der gerichtete und unserer Zusammenkunft harrende Tisch das Thema, sondern das zufällige Ambiente eines gerade abgeschlossenen Essens. Formal haben Bauers Gemälde sicherlich weitaus mehr mit Fotorealismus als mit Popästhetik gemeinsam. Auch als Erwiderung auf den gestischen Exzess des Abstrakten Expressionismus verherrlichte diese neue Bewegung banale amerikanische Motive wie Imbisse, Wohnwagen, Shops und chrombeladene Automobile. Der erste bedeutende Verfechter des Fotorealismus, der Autor und Galerist Louis K. Meisel, nannte einmal drei notwendige Voraussetzungen, um Teil dieser Bewegung zu sein: "1. Der Foto-Realist gebraucht die Kamera und die Fotografie, um Informationen zu sammeln. 2. Der Foto-Realist gebraucht ein mechanisches oder halbmechanisches Instrument, um die Informationen auf die Leinwand zu übertragen. 3. Der Foto-Realist muss die Fertigkeit besitzen, das abgeschlossene Werk fotografisch erscheinen zu lassen." Frank Bauer erfüllt diese Kriterien offensichtlich mit Bravour, seine Verwendung eines Episkops zur Übertragung des fotografierten Bildes auf die Leinwand inbegriffen. Im Geiste ist Bauers Ansatz Hoppers wehmütigen, melancholischen Szenarien um einiges näher als denjenigen der Fotorealisten. So ist die Darstellung des deutschen Künstlers von zwei Personen in Hotelzimmer (2008) verblüffend hopperesk, auch was die Verteilung der Figuren auf unterschiedliche Flächen der Komposition betrifft. Die Stimmung gleicht der in Hoppers eigenem Hotel Room (1931) sowie zahlloser anderer Werke des Amerikaners, in denen das Individuum in einem klaustrophobischen Raum isoliert ist oder, im Falle von Paaren, die Gestalten merkwürdig abgetrennt voneinander wirken. Viele von Bauers Werken durchzieht ein sonderbares, düsteres Gefühl des Unheimlichen - besonders auffällig in Nächtlicher Garten (2010), doch selbst die Geburtstags-Stillleben von 2010 und 2013 erwecken den Anschein, als bergen sie dunkle Geheimnisse. Obwohl sich Bauer seiner Nähe zu Edward Hopper bewusst ist, war es der italienische Maler Giorgio Morandi, der ihm als Spiritus Rector diente, als er mit seinen Stillleben begann. Er war tief von Morandis Stringenz beeindruckt, den feinen Tonabstufungen, seiner ausgewogenen Komposition. Doch gab es auch andere Bezüge. Bauer selbst erinnert sich noch lebhaft an einen Höhepunkt seiner umherziehenden Kindheit: Gemeinsam mit seinen Eltern besuchte er die Pinakothek in München und sah dort erstmals Werke von Dürer und Cranach. Später wurde Caravaggio sein Hauptbezugspunkt, neben einem buntgemischten künstlerischen Kontingent, zu dem Vermeer, Manet, Alex Katz, Balthus und die Minimalistin Agnes Martin zählten.
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The development of Frank Bauer´s oeuvre is intimately intertwined with his interest in photography, which accounts for more than half the books in his library. Bauer´s use of an episcope to transfer images to canvas places him in an important tradition. Two of his own favorite painters, Vermeer and Caravaggio, are both believed to have employed a camera obscura, as did such virtuoso painters as Canaletto and Sir Joshua Reynolds. The invention of photography dramatically expanded the possibilities, though many practitioners staunchly denied the use of photographs as visual aids. Bauer, in contrast, celebrates them. Indeed, he does not create a painting of a person or a scene with the aid of photographs; the photographs themselves are his subjects. He has employed various kinds of cameras over the years, "from low-resolution mobile phones to high-quality roll-film apparatuses", though most of the photos were taken with a focal-plane shutter camera, the Nikon FE2. It is never the artist ´s goal to capture some perfect moment or produce a technically perfect photograph. Imperfect specimens, often blurred, sometimes over- or under-exposed, present a far greater and more interesting challenge to his technical skills. A Bauer photograph draws its strength and authenticity not just from its reproductive accuracy, but also from its very nonchalance. Bauer´s first still life, which represented a crucial turning point in his work, was a study of his own breakfast table - a theme to which he has repeatedly returned and one that resulted in a recent series of twelve remarkable small-format paintings. With the breakfast-table studies, as well, the subject is not the set table in waiting that we encounter but the incidental ambience of a meal recently completed. Formally, to be sure, Bauer´s paintings have far more in common with Photorealism than with the Pop aesthetic. Partly a reaction against the gestural excesses of Abstract Expressionism, the new movement hymned such banal American subjects as diners, house trailers, shops, and chrome-laden automobiles. The author and gallerist Louis K. Meisel, the first important champion of Photorealism, once cited three essential requirements for inclusion in the movement: "1. The Photo- Realist uses the camera and photograph to gather information. 2. The Photo-Realist uses a mechanical or semimechanical means to transfer the information to the canvas. 3. The Photo-Realist must have the technical ability to make the finished work appear photographic." Obviously Frank Bauer meets the criteria with flying colors, including his use of an episcope to transfer the photographic image to canvas. In spirit, Bauer´s approach is much closer to Hopper´s wistful, melancholy scenarios than to those of the Photorealists. The German artist´s depiction of two people in Hotel Room (2008) is intriguingly Hopperesque, including the separation of the figures in distinct planes of the composition. In mood, it relates to Hopper´s own Hotel Room (1931) and to numerous other works in which an individual is isolated in a claustrophobic space or a couple is present yet the two of them curiously detached from one another. An odd, sinister feeling hovers about many of the works - most obviously, in Nocturnal Garden (2010), but even the birthday still lifes from 2010 and 2013 could harbor dark secrets. Though Bauer acknowledges an affinity to Edward Hopper, it was the Italian painter Giorgio Morandi who served as spiritus rector when he began to produce still lifes. He admired Morandi´s stringency, his subtly graduated tones, his compositional balance. But there were other sources, as well. As he still vividly remembers, a highlight of his peripatetic childhood was a visit with his parents to the Pinakothek in Munich, where he first saw the works of Durer and Cranach. Later Caravaggio became a major point of reference, along with a very mixed artistic contingent that included Vermeer, Manet, Alex Katz, Balthus, and the minimalist Agnes Martin.