Die Galerie Martina Kaiser freut sich sehr, den Jahresauftakt mit einer Einzelausstellung von Johanna Wiens zu beginnen. In „Weit weg, unkonkret nah“, Neue Stadtbilder präsentiert die Düsseldorfer Künstlerin und Meisterschülerin von Gerhard Merz ätherische Städteporträts, die ein neues Verständnis von Urbanität und Perspektivität vermitteln.
Mit dieser Ausstellung knüpft Johanna Wiens an ihre 2014 erfolgte Schau „Köln und das verlorene Gedächtnis“ in der Galerie und in der Flora Köln an, die den Einsturz des Kölner Stadtarchivs künstlerisch aufarbeitete und von Konrad Adenauer laudiert wurde.
In „Weit weg, unkonkret nah“ sind es nun internationale Metropolen, die sie in der ihr typischen Weise verfremdet - und so neue An- und Einsichten urbaner Räume entstehen lässt. Betont schemenhaft und damit klarer Konturen enthoben, verwandelt die Künstlerin Stadtansichten samt ihrer orthodoxen Architektur in fluide Gebilde, die den Heraklit’schen Gedanken des Panta rhei aufgreifen: Alles scheint im Fluss, in steter Bewegung und damit dem permanenten Wandel unterworfen. Johanna Wiens erteilt mit ihrer Ästhetik des Unkonkreten der reinen Form und der aus ihr resultierenden Enge eine klare Absage. Begrenzungen von Form und Farbe scheinen wie ausgelöscht, stattdessen mutieren Gebäude, Straßen und Plätze in pastosen Verläufen zu abstrahierten Objekten, die fortwährendes Werden ausstrahlen.
Geprägt von ihrem mehrjährigen Asienaufenthalt folgt Johanna Wiens mit ihrem Ansatz der verschwindenden Form der chinesischen Lehre der Entsättigung und des Gelöstseins von den Dingen, um sie so schlussendlich neu zu sehen. Verstärkt wird das durch die Einnahme der Vogelperspektive. Aus der bewusst gewählten Distanz ergibt sich ein ganzheitlicher Blick, der den Betrachter klarer und objektiver auf alles schauen lässt. Die erhobene Perspektive impliziert damit gleichsam das erhobene Bewusstsein und eine Befreiung von herkömmlichen Mustern und (Seh)Gewohnheiten. So stellen die Bildwelten von Johanna Wiens ein Paradoxon dar: Gerade in ihrer Abstraktion, der entrückten Perspektive sowie der expliziten Menschenleere erscheinen uns die porträtierten Orte und Städte atmend, lebendig und identitär. Und spiegeln die Stadt als eine utopische Vorstellung von Welt, deren Möglichkeiten grenzenlos, also unendlich sind. Ein Umstand, den man sonst eher dem Land und der Landschaftsmalerei zuschrieb, wo der Fokus auf das Horizontale Weite, ja Unendlichkeit suggerierte. Johanna Wiens fokussiert hingegen das der Stadt eigene Charakteristikum der Vertikalen, um Unermesslichkeit zu veranschaulichen.
Im Zentrum der Ausstellung steht das Hauptwerk „Tokio Blues“, ergänzt durch kleinere Arbeiten, die spezielle Ausschnitte aus dem Großformat zeigen und den Grad der Abstraktion hier konsequent fortführen und exponentiell steigern. Das Resultat sind Bilder von immenser Sogkraft, die das Reale virtuos ins Transzendente übersetzen. (Yorca Schmidt-Junker)
Johanna Wiens (*1976) lebt und arbeitet in Meerbusch bei Düsseldorf. Ihre erste künstlerische Ausbildung erhielt sie durch ihren Onkel, den Maler Rudolph Messner, in Vancouver/Kanada, um nach dem Abitur schließlich an der Kunstakademie Düsseldorf zu studieren. Dort war sie in der Malklasse von Jörg Immendorf und avancierte später zur Meisterschülerin bei Gerhard Merz. Arbeitsaufenthalte führten sie nach Südamerika sowie von 2007-2010 nach China, Taiwan und Japan, wo sie sich intensiv mit den Lehren der asiatischen Malerei beschäftigte. Neben zahlreichen Ausstellungen in deutschen Galerien und der Teilnahme an der Art Karlsruhe fertigte sie Bilder für Sets der Deutschen Oper am Rhein und die Komödie Düsseldorf.
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Galerie Martina Kaiser is pleased to celebrate the start of the new year with a solo exhibition by Johanna Wiens. With “Far away, unconcretely close”, the Düsseldorf artist and master student of Gerhard Merz presents ethereal portraits of cities that convey a new understanding of urbanity and perspectivity.
With this new exhibition, Johanna Wiens follows up on her 2014 show "Cologne and the Lost Memory" in our gallery and accompanying show in the Flora, which artistically dealt with the collapse of the Cologne City Archive and was lauded by Mr. Konrad Adenauer.
In “Far away, unconcretely close”, it is now international capitals that she alienates in her typical way - and thus allows new views and insights of urban spaces to emerge.
The artist transforms cityscapes and their orthodox architecture into fluid entities that take up Heraclitus' idea of Panta rhei: Everything seems to be in flux, in constant motion and thus subject to permanent change. With her aesthetics of the non-concrete, Johanna Wiens clearly rejects pure form and the narrowness resulting from it. Limitations of form and colour seem to have been erased; instead, buildings, streets and squares mutate into abstract objects in impasto gradients that radiate perpetual becoming.
Influenced by her stay in Asia over several years, Johanna Wiens' approach
to the disappearing form is her reference to the Chinese doctrine of desaturation and detachment from things in order to ultimately see them anew. This is reinforced by taking a bird's eye view. The deliberately chosen distance results in a holistic view that allows the beholder to look at everything more clearly and objectively. The elevated perspective thus implies an elevated consciousness and a liberation from conventional patterns and (visual) habits. Thus Johanna Wiens' pictorial worlds represent a paradox: It is precisely in their abstraction, the distant perspective and the explicit absence of people that the places and cities portrayed appear to be breathing, alive and identitary. And reflect the city as a utopian idea of the world whose possibilities are limitless, i.e. infinite. A circumstance that was otherwise attributed more to the countryside and landscape painting, where the focus on the horizontal suggested vastness, even infinity. Johanna Wiens, on the other hand, focuses on the vertical characteristic of the city to illustrate immensity.
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At the centre of the exhibition is the main work "Tokyo Blues", complemented by smaller works that show special sections of the large format and consistently continue and exponentially increase the degree of abstraction here.
The results are images of immense pull, which virtuously translate the real into the transcendent. (Yorca Schmidt-Junker)
Johanna Wiens (*1976) lives and works in Meerbusch near Düsseldorf. She received her first artistic training from her uncle, the painter Rudolph Messner, in Vancouver/Canada, and after graduating from high school she went on to study at the Düsseldorf Art Academy. There she was in the painting class of Jörg Immendorf and later advanced to become a master student of Gerhard Merz. Working stays took her to South America as well as to China, Taiwan and Japan from 2007-2010, where she intensively studied the teachings of Asian painting. In addition to numerous exhibitions in German galleries and participation in Art Karlsruhe, she has produced paintings for sets of the Deutsche Oper am Rhein and the Komödie Düsseldorf.