Amelie Guth 'Knapp neben der Spur'

Amelie Guth 'Knapp neben der Spur'

Berlin, Germany Friday, December 5, 2008–Saturday, January 24, 2009

Amelie Guth (Germany)
Knapp neben der Spur...

am Freitag, den 5. Dezember 2008
von 16.00 bis 21.00 Uhr

Die Künstlerin ist anwesend

Ausstellungsdauer: bis 24.01.2009

Knapp neben der Spur

Eine Frau mit einem schwarzen Hut sitzt auf einem Stuhl und zieht konzentriert ihren Strumpf an. Ihre Augen sind gesenkt, ihren Kopf sehen wir im Profil. Den Gesichtsausdruck kann der Betrachter nur erahnen, er bleibt ein wenig unbestimmt, wie alles in den Gemälden von Amelie Guth. Es ist eine erotische Pose, die das Modell einnimmt – und doch liegt ein Hauch von Traurigkeit darüber. Die Frauenakte von Amelie Guth bewegen sich auf einem subtilen Grad zwischen Verführung und Melancholie, zwischen Humor und Ernst. Der menschliche Körper wird zum zentralen Thema, ob in Aktstudien, Porträts oder Darstellungen alltäglicher Beschäftigungen. Die verschiedensten Personen tauchen beim Picknick, Kartenspiel, oder im Café auf, und sind oft völlig in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken. Ob allein, oder in Gesellschaft – sie scheinen sich in einem stetigen, stummen Dialog mit sich selbst zu befinden. Und erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass sie ein wenig skurril sind – auf irgendeine Art eben „knapp neben der Spur“. Als Gradwanderer, Seiltänzer des Lebens, bezeichnet die Künstlerin ihre dargestellten Persönlichkeiten deshalb gern.

So geben die Leinwände Amelie Guths immer Individuen wieder, Menschen aus pastos aufgetragener Farbe, die durch ihren Gesichtsausdruck und ihre Körperhaltung charakterisiert werden – und nicht zuletzt durch die Objekte, mit denen sie dargestellt sind. Bücher oder Hüte verleihen den Gemälden eine stilllebenhafte Komponente.

Stillleben begründen den zweiten Schwerpunkt ihres künstlerischen Schaffens. Früchte, Wein und Fisch oder malerische Utensilien wie Pinsel und Farbtöpfe werden mit dem gleichen künstlerisch forschenden Blick festgehalten – auch sie, Charakterstudien. Und ganz wie die porträtierten Menschen scheinen die Stillleben nie still zu stehen.

Amelie Guths Werke zeichnen sich durch Bewegung und Leichtigkeit aus, der lockere Pinselstrich hält ein pulsierendes Leben fest. Oft bleiben die Gemälde unvollendet, zumindest ein wenig. Diese Skizzenhaftigkeit verleiht den Gemälden besondere Lebendigkeit und fordert gleichzeitig die Phantasie des Betrachters. Die bräunliche Malpappe, die die Künstlerin anstatt einer Leinwand verwendet, bleibt in vielen Bildern sichtbar und unterstreicht die Eigenschaft des Unfertigen. So sind die Beine in dem Porträt einer Frau (Kat.62) nur ein Umriss, und auch ihr Arm verläuft sich auf der Leinwand. Das nicht ganz Perfekte, nicht ganz Richtige, schätzt die Künstlerin besonders. Wenn sich das Modell bewegt, entsteht eine spannende Dynamik – und die Leinwand entwickelt ein interessantes Eigenleben.

In manchen Gemälden ergänzt ein Text die Malerei. Ein Wort, ein Spruch oder auch ein Gedicht geben dem Betrachter Denkanstöße und dem Werk weitere Dimensionen. So ist der Spruch, der sich neben einigen Malutensilien befindet, gleichzeitig für jede Kunst gültig und ganz persönlich: „Die Verzweiflung des Malers vor dem Stillleben!“

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Teetering on the Edge

A woman with a black hat is sitting on a chair, concentrating on pulling up one of her stockings. Her eyes are lowered; her head is depicted in profile. The viewer can only sense her facial expression – it remains slightly ambiguous, as everything in Amelie Guth’s paintings. The sitter strikes an erotic pose, yet there is a whiff of sadness about her. Guth’s female nudes adopt a subtle balance between seduction and melancholy, humour and gravity.

The human body is the main focus of her work, whether in nudes, portraits, or depictions of everyday activities. People from different walks of life are depicted having a picnic, playing cards or sitting in a café. Often, they are entirely immersed in their own world of thoughts. Whether they are alone or amidst company, they seem to be engaged in a constant, silent dialogue with themselves. It is only upon closer inspection that they appear to be slightly odd – somehow “teetering on the edge”. For this reason, the artist likes to think of her depicted personalities as performing a balancing act - as acrobats in the tightrope of life.

Amelie Guth’s canvases always depict individuals. Persons created through thick layers of paint, who are characterised not only by their facial expressions and poses, but also by the objects with which they are depicted. Books or hats add a still life quality to the paintings.

Still lives form the second focus of her artistic creation. Fruit, wine and fish, or painterly utensils such as brushes and pots of paint are recorded with the same inquiring glance – becoming character studies in their own right. And just as the portrayed persons, the still lives never seem to stand still.

Amelie Guth’s work is characterised by movement and lightness, with the loose brushwork recording pulsating life. The paintings often remain unfinished, at least to a certain extent. It is this sketchiness which bestows a particular liveliness on the paintings, while challenging the viewer’s imagination. The brown cardboard, which the artist uses instead of a canvas, remains visible in many pictures, thus emphasising their unfinished quality. As such, the legs in the Portrait of a Woman (cat.62) are but an outline, and so is her arm. It is the not-quite-perfect, not-quite-right aspect of painting which the artist particularly likes. The movement of the sitter may cause an exciting dynamic, making the canvas develop an interesting life of its own.

In some pictures, a text complements the painting. A word, saying or a poem provides the viewer with food for thought, while adding further dimensions to the work of art. As such, the saying which is cautiously positioned next to some painterly utensils, is valid for all art while remaining very personal: “The despair of the painter in front of the still life!”