Expertise Ernst Barlach Lizenzverwaltung, Ratzeburg
Barlach was only too well aware of the phenomenon of initially only creeping, then penetrating cold from early childhood. As the eldest son he was expected to accompany his father, the general physician Dr. Georg Barlach, on his nocturnal visits to treat his sick patients, particularly because they often lasted much longer than planned. In his autobiography "Ein selbsterzähltes Leben", he noted pointedly: "My father... did not in his own words operate as an 'express doctor' and at the patients' bedside would forget about freezing horses, coach and child." During his training as a reservist in the First World War, his susceptibility towards the cold and frost only deepened, as he had to endure both in substantial measure.
The 'Freezing Girl' touches us. We sense that the work has been inspired by Barlach's own experiences. She stands calmly before us, her feet firmly planted on the ground, occupying a small space: We are left in no doubt that she cannot escape the cold. We are offered no perspective, and the solidity of the plinth and her firmly rooted feet merely underscore the ineluctability of her situation.
By confining the surface area, Barlach is directing the viewer's attention to the answer to the question: What is the young woman's response to the intense physical cold? In order to attain a convincing execution of his chosen theme, Barlach places the emphasis on the face, the focal point of its meaning, whereas the plain garment recedes into the background. The girl is wearing a broad cape which she pulls tightly to her face with her concealed hands to create two large overlapping folds.
At once the defensive posture of her hands/upper arms beneath the garment become readable: Together with the tightly drawn fabric, they form a kind of double shield, whose optical heft is reinforced by the woman's visibly drooping shoulders and the attendant inclined angle of the head.
Of decisive importance in resolving the issue of how the young woman will eventually deal with her plight are her facial features. Instead of a non–convex rendering of her eyeballs, two simple indents carry the overall statement. One could have expected a care–worn, perhaps grim expression, but Barlach opts for a different emphasis. Although the softness of her facial features underscores her vulnerability and exposure to the biting frost, ultimately the shivering girl does not appear to be desperate; rather a stoical impression prevails, which connotes a mental strength: It IS cold, I AM at the mercy of the frost, but I won't necessarily be defeated by the situation. A more distant, overall perspective reinforces the conviction that this young woman is capable of coping with her miserable predicament. Consequently, she fits quite well into Barlach's cannon of motifs. He frequently portrays individuals facing setbacks or cruel twists of fate. But rather than experiencing this as a catastrophe, they perceive it as an acknowledged necessity, never – however frequently – to lose heart and succumb. Here Barlach's psychologically highly attuned creativity prompts us to draw such a conclusion.Writing about himself, Barlach once stated that "... a frosty December morning can be a mirror: The person one recognises must be accepted and experienced."
(Horst Müller)
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Expertise Ernst Barlach Lizenzverwaltung, Ratzeburg
Barlach kannte das Phänomen zunächst nur langsam einkriechender, dann aber durchdringender Kälte schon aus seiner frühen Kindheit, nämlich von den nächtlichen Touren her, auf denen er als ältester Sohn seinen Vater, den praktischen Arzt Dr. Georg Barlach, auf seinen Fahrten zu Kranken begleitet hatte, besonders deshalb, weil sie nicht selten viel länger dauerten als geplant. In der Autobiographie "Ein Selbsterzähltes Leben" heißt es dazu prägnant: mein Vater ... "betrieb nach seiner eigenen Formulierung keine 'Dampfdoktorei' und vergaß an Krankenbetten frierende Pferde, Kutscher und Kind." – Im Ersten Weltkrieg, während seiner Reservistenausbildung, verstärkte sich sein Gespür für Kälte und Frost, weil er beides in beträchtlichem Maße erdulden musste.
Das 'Frierende Mädchen' berührt; wir spüren, dass Selbstempfundenes dahintersteht. Sie steht ruhig, beide Beine gleich belastend, vor uns, auf einer sehr kleinen Grundfläche: Es soll deutlich werden, dass sie der Kälte nicht entkommen kann. Es gibt keinerlei Durchblick, und die so besonders gefestigt wirkende Sockel– und Fußzone betont das Unausweichliche der Situation.
Durch die klein gewählte Standfläche lenkt Barlach den Fokus des Betrachters auf die Beantwortung einer Frage: Wie ist die Reaktion der jungen Frau auf das Vorhandensein großer physikalischer Kälte? Um eine überzeugende Umsetzung des selbstgewählten Themas zu erreichen, verleiht er dem Bedeutungszentrum des Gesichtes eindeutig den Hauptakzent, während das schlichte Gewand in seiner Wirkung zurücktritt. Das Mädchen trägt einen breiten Umhang, den sie mit beiden darunter verborgenen Händen so zum Gesicht hebt, dass das Tuch vorne zwei leicht übereinanderliegende, große Falten bildet. Auf einmal erscheint die Abwehrhaltung der Hände/Oberarme unter dem Gewand schlüssig; sie formen zusammen mit dem so gespannten Stoff eine Art Doppelschild, dessen optisches Gewicht durch die sichtlich eingezogene Schulter der Frau und die dadurch entstehende Kopfduckung verstärkt wird.
Entscheidend für die Frage, wie die junge Frau mit dieser Situation letztlich umgeht, sind ihre Gesichtszüge. Anstelle der nicht konvex dargestellten Augäpfel tragen zwei einfache Kerben die Gesamtaussage. Zu erwarten wäre eine harte, vielleicht verkniffene Miene, doch Barlach entscheidet sich für eine andere Akzentuierung. Die Weichheit ihrer Gesichtszüge betonen zwar die Verletzbarkeit und das Ausgesetztsein im harten Frost. Doch letztlich wirkt das frierende Mädchen nicht wie eine Verzweifelte; es überwiegt ein stoischer Eindruck, der gleichsam gedanklich nüchtern daherkommt: Es IST kalt, ich BIN dem Frost jetzt ausgeliefert, aber ich zerbreche nicht zwingend an dieser Situation.
Ein Gesamtblick aus größerer Entfernung verstärkt die Überzeugung, dass diese junge Frau ihrer misslichen Lage gewachsen ist. Sie befindet sich so sehr passend im Barlach’schen Motivkanon. Er zeigt uns häufig Einzelne, denen heftige Rück– oder Schicksalsschläge widerfahren. Diese erleben das aber nicht als Katastrophe, sondern als erkannte Notwendigkeit, sich – immer wieder – nicht unterkriegen zu lassen. Barlachs mit hoher psychischer Ausdruckskraft erfüllter Gestaltungswille legt auch hier diesen Schluss nahe. Über sich selbst schreibt Barlach "... ein frostiger Dezembermorgen kann ein Spiegel sein: wie man sich erkennt, so sei es hingenommen, und so muß es durchlebt werden."
(Horst Müller)