CAMERA WORK präsentiert:
NADAV KANDER „Yangtze – The Long River“
ROBERT POLIDORI „Pripyat and Chernobyl“
(22. Januar – 26. März 2011 in der Galerie CAMERA WORK
Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag 11:00 – 18:00 Uhr)
CAMERA WORK freut sich mit „Yangtze – The Long River“ von Nadav Kander und „Pripyat and Chernobyl“ von Robert Polidori zwei der sicherlich beeindruckendsten Serien der jüngsten Photogeschichte auszustellen. Die Photographien beider Künstler zeugen eindrucksvoll von den Auswirkungen des menschlichen Eingriffs in seine Umwelt.
Nadav Kanders im Jahr 2009 mit dem renommierten Prix Pictet ausgezeichnete Photostrecke dokumentiert beispiellos den rasanten strukturellen Wandel entlang des chinesischen Flusses Jangtse. Ein aktuell im HATJE CANTZ erschienener Katalog mit einem Vorwort des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi A. Annan begleitet die Ausstellung. Dem gegenüber gehört Robert Polidori zu den ersten Photographen, die im Jahr 2001 Zugang in die Sperrzone der ukrainischen Arbeiterstadt Pripjat und dem angrenzenden Kernkraftwerk Tschernobyl, deren nukleare Havarie sich am 26. April 2011 zum 25. Mal jährt, erhalten haben. Eindrucksvoll dokumentieren Polidoris Photographien die Auswirkungen der sicherlich größten industriellen Katastrophe der Nachkriegszeit.
Nadav Kanders sonnenarme, in weißen Dunst und Nebel getauchte Photographien spiegeln die epochalen Veränderung Chinas wieder. Der Jangtse, die Lebensader Chinas und der drittgrößte Fluss der Erde, ist dabei zu einem Symbol der sich unaufhaltsam wandelnden Nation geworden. Über drei Jahre von 2005 bis 2007 ist der im Jahr 1962 in Israel geborene Photograph immer wieder an den Fluss zurückgekehrt, um das Leben in den über 186 Städten und unzähligen Siedlungen von der Mündung bis zu der Quelle im Himalaja zu dokumentieren. Dabei hat der Photograph seinen Fokus auf die einschneidenden Folgen des wirtschaftlichen Booms auf den Menschen gelegt. Gigantische Brücken, unter denen beschaulich gepicknickt wird, kolossale Betonburgen für Tausende von Menschen oder Berge aus Schutt und Schlamm, zwischen denen eine Frau ihr Geschirr spült, stehen im harten Kontrast zu den letzten Spuren der ursprünglichen Natur, die mancher Orts nur noch zu erahnen ist. Es entsteht ein detailliertes Bild eines Landes in dem sich Tradition und Moderne in einem gewaltigen Kampf befinden.
Fünfzehn Jahre nach der fatalen Kernschmelze im Atomkraftwerk Tschernobyl, näherte sich Robert Polidori im Jahr 2001 mit seiner Großformatkamera nüchtern und distanziert dem Ort des Schreckens. Polidori gehörte zu den ausgewählten Personen, denen sogar Zutritt in den Kontrollraum des explodierten Blocks IV gewährt wurde. Lediglich für fünf Minuten durfte der Photograph den lebensbedrohlichen Raum mit Schutzanzug und Gasmaske betreten. Polidori ermöglicht dem Betrachter einen schauderhaften Blick in einen mittlerweile extraterrestisch anmutenden Ort an dem eine fatale Kette an menschlichen Fehlentscheidungen zu einer unvergleichbaren Katastrophe geführt hat. Polidoris in der Arbeiterstadt Pripjat entstandenen Photographien zeigen wiederum eindrucksvoll auf, wie fluchartig die Bewohner ihr Leben hinter sich lassen mussten. Diverse Plünderungen im gefährlichen Sperrgebiet haben mittlerweile das ursprüngliche Bild zerstört, jedoch spürte der Photograph noch Spuren des gesellschaftlichen Lebens auf. Die blutrote noch beschriftete Tafel in einem Klassenzimmer, die unheilvoll über dem Boden verstreuten Gasmasken oder die Überreste eines Operationssaals sind allgegenwärtige Indizien, die den Betrachter erahnen lassen, welche panischen Szenen sich damals abgespielt haben müssen.
Nadav Kander gewann mit seiner Serie „Yangtze – The Long River“ im Jahr 2009 den hoch dotierten Prix Pictet. Im selben Jahr erregte er mit der Serie „Obama’s People“ großes Aufsehen. Das New York Time Magazine druckte die komplette und vielfach preisgekrönte 52-seitige Strecke im Zuge einer Sonderausgabe zur Vereidigung des amerikanischen Präsidenten. Die eindrucksvolle Serie ist noch bis zum Frühjahr 2011 in dem aus der Sammlung CAMERA WORK hervorgegangenem Museum THE KENNEDYS am Brandenburger Tor zu sehen. Nadav Kander photographiert für unterschiedliche Magazine wie Another Man, Dazed & Confused, The Rolling Stone, The Sunday Times Magazine, The New York Times. Seine Werke befinden sich unter anderem in den Sammlungen des VICTORIA AND ALBERT MUSEUM (London) und der NATIONAL PORTRAIT GALLERY (London) und werden darüber hinaus in der ROYAL PHOTOGRAPHIC SOCIETY (Bath), dem TATE MUSEUM (London) und dem PALAIS DE TOKYO (Paris) ausgestellt. Nadav Kander ist in Israel geboren, in Südafrika aufgewachsen und lebt in London.
Robert Polidori wurde im Jahr 1951 im kanadischen Montreal geboren und lebt derzeit in New York und Paris. Umfangreiche Photoreportagen in Zeitschriften wie The New Yorker – deren Redaktionsphotograph er neben Martin Schoeller ist – Architectural Digest, Geo oder Vanity Fair begründeten Polidoris internationalen Erfolg, der durch Preise wie den Deutschen Fotobuchpreis oder den Alfred-Eisenstaedt-Award offiziell gewürdigt wurde. Internationale Museumsaustellungen wie im METROPOLITAN MUSEUM (New York), im MARTIN-GROPIUS-BAU (Berlin) oder im MUSÉE D’ART CONTEMPORAIN DE MONTRÉAL (Montreal) ergänzen seine zahlreichen Galerienausstellungen. Neben glanzvollen Aufnahmen aus den Palästen der Welt wie Versailles oder dem Kreml dokumentiert Robert Polidori die oftmals verheerenden Auswirkungen des menschlichen Eingriffs in seine Umwelt. Exemplarisch sei, neben seiner eindringlichen Serie zur Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, die Dokumentation zu den Auswirkungen des Hurrikans „Katrina“ im Jahr 2005 genannt. Zahlreiche aufwendige Publikationen zum umfangreichen Werk Polidoris, darunter der unsere Ausstellung begleitende im STEIDL Verlag erschienene Band „Sperrzonen: Pripyat and Chernobyl“, sind in den vergangen Jahren veröffentlicht worden.