Kenton Nelson
im Eventcenter 'SpardaWelt'
Am Hauptbahnhof 3, 70173 Stuttgart
04.12.2013 - 03.01.2014
Obstacles and competition.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine Damen und Herren, aber ich sehe mir immer mal wieder gerne amerikanische Filme aus den 30er, 40er oder 50er Jahren an und lasse mich in eine andere Zeit entführen und sei es nur für 2 Stunden. „Vom Winde verweht“ oder die Filme mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall oder Kino mit Carry Grant und Katherine oder Audrey Hepburn liebe ich. Dort finde ich schöne Menschen, gut gekleidet, die sich zu benehmen wissen und das alles in schicksalsschwangeren Situationen, manchmal melodramatisch agierend. Und das Schönste ist, dass diese Filme fast immer mit "Happy End" schliessen. Da kann ich so richtig schwelgen.
Auch Kenton Nelson liebt diese Filme und auch Kenton Nelson sieht gerne elegant gekleidete, wohl agierende Menschen und macht sie zum Thema seiner Bilder. Und das in einer meisterhaften Manier!
Allein, die Wiederauferstehung alter Zeiten und alter Ideale zu Bildern zu machen, wäre zu wenig, um von einer qualtätvollen Malerei und einem faszinierenden Werk zu sprechen. Kenton Nelson nimmt all dies, um ein hochsensibles und intelligentes Spiel in Gang zu setzen, welches uns, wenn wir uns einmal darauf eingelassen haben, kaum mehr loslässt.
In formaler Meisterschaft baut er faszinierende Kompositionen auf, scheinbar ganz einfach und doch sehr komplex, die in ihrer Farbigkeit und Formensprache ein ausgeklügeltes System veranschaulichen.
Nehmen wir ein Bild in der Ausstellung heute etwas näher unter die Lupe. Etwa das Bild "Departure".
Eine junge blonde Frau im adretten dunkelroten Kleid mit weißem Kragen wartet auf einer Bank sitzend, die Knie zusammengegedrückt, die Unterschenkel mit Füßen x-förmig auf den Boden gestellt, ihre rechte Hand auf die Bank gestützt, ihre linke auf ein Köfferchen gelegt, so dass sich ihr Oberkörper nach hinten rechts zurücklehnt, sie die Reize des jungen weiblichen Körpers präsentiert. Sie ist ganz nah an den Betrachter gerückt. Weit im Hintergrund, so weit, dass die Figuren wie Miniaturen in einem Architekturmodell wirken, sieht man sechs Personen und einen Hund. Diese Figuren sehen wir sozusagen auf Augenhöhe, die junge blonde Frau von weit unten. Die strenge formale und farbliche Komposition wird erst auf den zweiten Blick deutlich. Die Distanz der Hauptfigur zu den Hintergrundsfiguren und das Warten auf der Bank sind dagegen sofort zu verstehen. Denn sie weisen unmissverständlich darauf hin: Das Bild handelt vom Abschied, "Departure" nennt der Künstler Kenton Nelson dieses Werk. Doch was zeigt uns Kenton Nelson wirklich?
Hat die junge Frau in "Departure" etwas zu tun mit den Personen im Hintergrund oder ist es nur Zufall, dass sie sich dort aufhalten? Ist die junge Frau glücklich oder traurig wegzufahren? Worauf wartet sie eigentlich? Auf einen Bus, einen Fahrer oder macht sie nur kurz halt, um gleich weiterzugehen? Wir wissen es nicht und können es auch nicht erfahren, weil wir nicht auf Augenhöhe mit der Person und der Situation befinden. Aus der Maus- oder Froschperspektive können wir nur mutmaßen, was passiert.
Kenton Nelsons Bildfiguren, wie aus einer anderen Zeit herübergekommen, sind Prototypen allgemein verständlicher Charaktere. Sie repräsentieren Mann und Frau und die damit einhergehenden Chlichés. Nelson gibt uns Settings vor, wie Filmszenen aus einem Cimemascope Streifen. Sie suggerieren vermeintliche Aspekte.
Im Falle dieser Ausstellung geht es offensichtlich um Situationen, die weniger die "Heile Welt" thematisieren. "Obstacles and competition" nennt Kenton Nelson seine Ausstellung. Doch wer hat Hindernisse zu überwinden oder sieht sich einer Konkurrenz ausgesetzt, die Bildfiguren oder wir?
Der Künstler formuliert und komponiert seine Bilder in einer Weise, dass wir nicht genau sagen können, was wirklich gemeint ist. Das ist Absicht. Auch, dass das, was wir letztendlich in seine Bilder hineininterpretieren, mehr mit uns und unserer aktuellen emotionalen Situation zu tun hat, als mit der tatsächlichen Darstellung. Davon hängt ab, ob wir "obstacles and competition" als herausfordernd und anspornend oder als lähmend und deprimierend empfinden. Was denkt die weibliche Figur in „Suggest“? Liest Sie ein interessantes Buch oder einen Brief, der ihr etwas „vorschlägt“? Und was wird vorgeschlagen, wie der Titel suggeriert? Ein Business Modell, ein Plan für ein neues Haus, die Route für eine Rundreise? Ein Lebensmodell? An indecent offer? Die Frau ist, wie alle Akteure Kenton Nelsons, halb offiziell, d.h. adrett gekleidet und halb privat, weil sie sich einer Tätigkeit hingibt, die mit ihr zu tun hat. In den Bildern, in denen Paare oder mehrere Beteiligte involviert sind, gibt es stets kleine Spannungen zwischen den Akteuren, die je nach Sichtweise, positiv oder negativ gewertet werden können. Ein Hauch von Sehnsucht ist aber allen Bildern eigen.
Kenton Nelson spricht durch seine settings unser Unterbewusstsein an. Wir werden mit Situationen konfrontiert, die unsere eigenen Erfahrungen und die damit einhergehenden Gefühle und Emotionen in Erinnerung bringen. Wir sind innerhalb und außerhalb der Bilder. Wir sind Empfindende und Zuschauer, wir sind aktiv und passiv. Wir sind emotional einbezogen.
Und wo bleibt der Künstler hierbei? Ist er mit im Bild oder allwissender Beobachter? Könnte er hinter jeder der Bildfiguren stecken? Oder lässt er offen, was er wirklich davon hält? Gibt es denn auch zwischen ihm und uns "obstacles and competition"? Offensichtlich! Kenton Nelson gibt nicht zu erkennen, was er über die Personen denkt und wo er wirklich steht. Und auch das macht die Spannung seine Bilder aus. Gleich einem Autor, der mit seinen Protagonisten eine Geschichte beginnt und die Protagonisten diese dann in einer Art Eigenleben weiter entwickeln, so dass der Autor nur folgen und staunen kann und wir mit ihm.
Es ist ein Spiel, das Kenton Nelson mit uns treibt: ein hochgradig subtiles und wohl kalkuliertes, ein äußerst intelligentes und komplex ästhetisches Spiel. Es ist ein Spiel, das er perfekt beherrscht und in welchem wir ihm fasziniert folgen, weil es uns verwirrt und zugleich bereichert. Wir sind Teil seiner Inszenierung und je nachdem, wie gestimmt wir uns einbringen, kann es für uns freundlich, dramatisch oder ansteinflössend zugehen - nur eines ist sicher: kalt lassen uns die Bilder von Kenton Nelson nie.
Gehen Sie, meine Damen und Herren, auf dieses Spiel mit Kenton Nelsons Bildern ein und Sie werden mit Sicherheit bereichert und vielleicht auch ein wenig verwirrt diese Ausstellung verlassen. Nelsons Werke bleiben im Gedächtnis und nicht nur dort. In Erinnerung an die wunderbaren Klassiker aus Hollywood sprechen sie einmal mehr unsere emotionale Seite an. Enjoy! and follow Kenton Nelson into a World of glamour and secrets, obstacles and competition.