Anlässlich der Ausstellung führt Jochen L. Stöckmann ein Gespräch mit Daniel Ben Sorge und Lothar C. Poll, nachzuhören auf der Website der Galerie.
50 Jahre nach der ersten Einzelausstellung von Maina-Miriam Munsky im Jahr 1971 zeigt die Galerie Poll mit Gravidität erstmals das in den 1960er Jahren entstandene Frühwerk der Künstlerin. Ihre damals noch surreal anmutenden Bilder und Zeichnungen des weiblichen Körpers kreisen bereits um Sujets wie Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Geburt. Erst in den 1970er Jahren findet Munsky zu ihrem an der Neuen Sachlichkeit geschulten, hyperrealistischen Stil, mit dem die seither von der Galerie vertretene Künstlerin bekannt wurde.
Charakteristisch für die frühen Bilder ist die Zusammenfügung des Motivs aus zwei Leinwänden, die durch horizontale oder vertikale, weiße oder schwarze Holzleisten in Rahmenstärke voneinander getrennt werden. Die meist mit rosafarbenem Kunstharz gemalten Föten wirken wie Ornamente (Tube, Zwei Kästen, Fertilität, Gravidität, Embryos, Geburt II + IV, alle 1967). Auch die frühen Bleistift-Zeichnungen (ohne Titel, alle 1968) zeigen Studien von Föten im Mutterleib und sind wie die Gemälde aus mehreren Bildfenstern aufgebaut.
„Die Grenzbalken dienten der Abschirmung vor allzu großer Direktheit, die Leiber, teigig fließend und ohne feste Konturen, erinnerten an Pflanzenhaftes, an präexistenzielle Zustände. Es war dies, auf die Gesamtentwicklung Munskys betrachtet, selbst eine keimhafte Phase ihrer Arbeit“, schreibt Lucie Schauer 1976 im Katalog zur Ausstellung der Künstlerin im Märkischen Museum der Stadt Witten. Die Faszination für Embryonen in Spiritusbehältern, denen Munsky 1967 bei einem Besuch der naturwissenschaftlichen Abteilung des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt begegnet war, gab den Anstoß zur künstlerischen Beschäftigung mit dem Thema der Schwangerschaft: Die mit perspektivischen Linien dargestellten Glasgefäße gliedern die Bilder in nahezu konstruktivistischer Manier, während die Föten in eher fließenden, weichen Formen umgesetzt wurden und so einen motivischen Kontrast zu den Behältern bilden.
Die Faszination für Embryonen in Spiritusbehältern, denen Munsky 1967 bei einem Besuch der naturwissenschaftlichen Abteilung des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt begegnet war, gab den Anstoß zur künstlerischen Beschäftigung mit dem Thema der Schwangerschaft: Die mit perspektivischen Linien dargestellten Glasgefäße gliedern die Bilder in nahezu konstruktivistischer Manier, während die Föten in eher fließenden, weichen Formen umgesetzt wurden und so einen motivischen Kontrast zu den Behältern bilden.
Ab 1968/69 wendet sich die Künstlerin dem Vorgang der Geburt direkt zu. Der Augenblick der Entbindung wird realistisch, aber noch in einem weich und diffus fließenden, malerischen Duktus der Pinselführung geschildert (Kind, Zangen I + II, alle 1968). Ab 1970 entstehen die ersten Bilder der Künstlerin, für die eigenhändig aufgenommene Fotografien aus einem Berliner Krankenhaus als Vorlage dienten. „Maina-Miriam Munsky ging mit weißem Kittel und Kamera in den Kreißsaal, unbeobachtet, doch selbst haarscharf beobachtend. Die Fotos sind der realistische Rohstoff für Ölbilder und Radierungen. Die bildnerische Realisation jedoch überschreitet die Fotos bei weitem. Das liegt nicht allein an der Übersteigerung der Farben, sondern auch am Bildausschnitt, am Blickwinkel“, konstatiert Lucie Schauer 1971 in ihrer Ausstellungsbesprechung in der Welt. Schwangerschaft, Geburt und klinische Eingriffe in den menschlichen Körper bleiben bis zu ihrem Tod zentrale Bildthemen der Künstlerin.
Maina-Miriam Munsky, 1943 in Wolfenbüttel geboren und 1999 in Berlin gestorben, studierte an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, an der Accademia di belle Arti in Florenz und an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, wo sie ihr Studium 1970 als Meisterschülerin bei den Professoren Alexander Camaro und Hermann Bachmann abschloss. 1968 fand ihre erste Einzelausstellung in der Künstlergalerie Großgörschen 35 in Berlin statt. Munsky zählt zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe Aspekt (1972-1978). Von 1982 bis 1984 hatte die Malerin eine Gastprofessur an der HBK Braunschweig inne. 1984 erhielt sie den Kunstpreis des Landes Niedersachsen. Ihre Arbeiten befinden sich in wichtigen Sammlungen, darunter das Museum of Modern Art, New York; die Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin; das Museum Kunstpalast, Düsseldorf; das Städel Museum, Frankfurt am Main sowie die Kunstsammlung der Bundesrepublik Deutschland. Munsky war mit dem Zeichner und Grafiker Peter Sorge (1937-2000) verheiratet. 1972 wurde der Sohn Daniel Ben geboren.
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On the occasion of the exhibition, Jochen L. Stöckmann will lead a discussion between Daniel Ben Sorge and Lothar C. Poll, which will be available afterwards on the gallery’s website.
Fifty years after Maina-Miriam Munsky’s first solo exhibition in 1971, Galerie Poll is showing the artist’s early work from the 1960s for the first time in an exhibition titled Gravidity. In 1971, when Galerie Poll began to represent Munksy, her pictures and drawings of the female body had already begun to revolve around subjects such as fertility, pregnancy, and birth, though they still had a surreal cast. It was not until the 1970s that she found her hyperrealist style, schooled in New Objectivity, with which she has since become known.
Characteristic of her early paintings is the construction of a motif across two canvases separated from each other by horizontal or vertical white or black strips of wood in the thickness of a frame. The foetuses, mostly painted with pink resin, have the appearance of ornaments (Tube, Two Boxes, Fertility, Gravidity, Embryos, Birth II + IV, all 1967). The early pencil drawings (untitled, all 1968) similarly show studies of foetuses in the womb and are composed of several pictorial frames.
“The bars marking the borders served as a shield from too much directness; the bodies, doughy and flowing and without firm contours, were reminiscent of plant-like, preexistential states. Seen in terms of Munsky’s overall development, this was itself an embryonic phase of her work,” Lucie Schauer writes in 1976 in the catalogue to the artist’s exhibition held at the Märkisches Museum in the city of Witten.
Munsky’s fascination with embryos in containers of preserving fluid, which she encountered during a 1967 visit to the natural science department of the Hessisches Landesmuseum in Darmstadt, provided the impetus for her artistic exploration of the theme of pregnancy: the glass vessels, depicted with perspectival lines, structure the paintings in an almost constructivist fashion, while the foetuses were realized in rather flowing, soft forms which form a motivic contrast to the containers.
From 1968/69, the artist turned directly to the process of birth. She depicts the moment of childbirth realistically, though still with the soft and diffusely flowing, painterly gesture of brushwork (Child, Forceps I + II, all 1968). From 1970 onwards, she produced her first paintings, modelled on photographs she took herself in a Berlin hospital. “Maina-Miriam Munsky donned a white coat and made her way into the delivery room with a camera, unobserved but herself observing with a precise eye. The photos are the realistic raw material for her oil paintings and etchings. Her visual productions, however, far exceed her photographic sources—not only because of her exaggeration of colours, but also because of the framing of the picture, its angle of vision,” Lucie Schauer notes in her 1971 exhibition review in the newspaper Die Welt. Pregnancy, birth, and clinical interventions in the human body remained central pictorial themes for Munsky until her death.
Maina-Miriam Munsky was born in Wolfenbüttel in 1943 and died in Berlin in 1999. She studied at the State University for Fine Arts in Braunschweig (Staatliche Hochschule für Bildende Künste), the Academy of Fine Arts in Florence (Accademia di belle Arti), and the Berlin State School of Fine Arts (Hochschule für Bildende Künste), where she completed her studies in 1970 as a master’s student under Professors Alexander Camaro and Hermann Bachmann. Her first solo exhibition took place in 1968 at the artists’ gallery Großgörschen 35 in Berlin. Munsky is one of the founding members of the Gruppe Aspekt (1972–1978). From 1982 to 1984, she held a guest professorship as a painter at the HBK Braunschweig. In 1984 she received the Art Prize of the State of Lower Saxony. Her work is held by significant collections, including the Museum of Modern Art, New York; the Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin; the Museum Kunstpalast, Düsseldorf; the Städel Museum, Frankfurt am Main; and the Art Collection of the Federal Republic of Germany. Munsky was married to the illustrator and graphic artist Peter Sorge (1937–2000). Their son Daniel was born in 1972.