Es erscheint ein Katalog mit einem Text von Christoph Peters.
Jochen L. Stöckmann wird anlässlich der Ausstellung ein Gespräch mit der Künstlerin führen, nachzuhören auf der Website der Galerie.
Während des Lockdowns Ausstellungsbesichtigung nur nach Terminvereinbarung oder online.
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Mit true places II setzt die Galerie Poll die Ausstellungen mit Zeichnungen von Martina Altschäfer aus dem Hochgebirge fort. Waren die 2016 gezeigten Gebirgslandschaften meist menschenleer, stellt die Künstlerin nun Figuren aus der Welt der Mythen und Sagen in ihre aus der Realität und der Imagination gewonnenen true places.
In seinem Katalogtext beschreibt Christoph Peters jene Stimmung, die Martina Altschäfer in den Bann zieht und die sie mit Farbstift, Pastellkreide und Gouache auf Papier zeichnerisch virtuos einfängt: „Seit Menschengedenken sind die Gipfel der Berge Sehnsuchtsorte und verbotene Zonen, Übergangsräume zwischen Himmel und Erde, (…). Sie gelten als Sitz der Götter oder dämonischer Mächte, die für ein freundliches Schicksal, die Abwendung von Zorn oder Strafe mit Opfern, Prozessionen, Gebeten gnädig gestimmt werden müssen. Dort, in der Höhe, ragt der irdische Raum am tiefsten in die Unendlichkeit des Kosmos. Fast scheint es, als folge die schwere Masse träger Materie, indem sie sich zu Gebirgen auftürmt, einer ihr eigenen Transzendenz, wachse über sich selbst hinaus, um sich der Sonne zu nähern – dem Ursprung von Licht und Wärme, ohne die kein Leben möglich wäre. Nirgends auf der Erde strahlt dieses Licht intensiver als auf den schneebedeckten Bergen.“
Martina Altschäfers Zeichnungen entwickeln sich Schicht um Schicht langsam über Monate hinweg. Grundlage sind Fotografien, aber vor allem Eindrücke und Stimmungen, die sich während der Streifzüge durch das Gotthard-Massiv ins Gedächtnis der Künstlerin eingeschrieben haben.
Alle Zeichnungen verbindet Schönheit und Harmonie, die Altschäfer durch Lichtsetzung und Farbigkeit erreicht. Sie lässt die gewaltigen Berglandschaften durch ihre Lichtdramaturgie mal rätselhaft surreal, mal bedrohlich erscheinen. Die Bäuerin mit ihrem Schlitten auf Milch I (2017) scheint ebenso aus einer anderen Welt zu stammen, wie die beiden Wanderer mit bombastischem Blumenschmuck auf Frühling (2020). Altschäfer übersteigert in dieser Zeichnung Figuren alemannischen Brauchtums, mit denen der Winter verabschiedet und der Frühling begrüßt wird. Auf Rauhnacht (2020) ist eine Prozession von sechs Wanderern durch die Berge kurz vor Einbruch der Dunkelheit dargestellt. Auch sie tragen auf dem Weg durch eine einsame, menschenleere Schneelandschaft einen aufwendigen Kopfschmuck.
Der Titel Rauhnacht verweist auf die unheiligen Nächte der Zeit um den Jahreswechsel, in denen das Tor zur „Anderswelt“ geöffnet ist und böse Geister durch Rituale oder magische Handlungen gebannt werden sollen.
In der Wiedergabe des Himmels mit seinen Wolkenformationen und durch die Beleuchtung der dargestellten Szenen lässt die Künstlerin verborgene Naturkräfte in ihren Zeichnungen aufscheinen. Hierbei beherrscht Martina Altschäfer das große Format (bis zu 130 x 160 cm) ebenso wie die Miniatur. Die Linie tritt in ihren Zeichnungen durch das Verwischen und Verreiben der Farben mehr und mehr zugunsten einer malerischen Tiefe zurück.
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A catalogue with a text by Christoph Peters will be published.
On the occasion of the exhibition, Jochen L. Stöckmann will lead a conversation with the artist, which will be available afterwards on the gallery’s website.
During the lockdown, exhibition viewing is by appointment only or online.
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With true places II, Galerie Poll continues an earlier exhibition of high alpine drawings by Martina Altschäfer. Whereas the mountain landscapes shown in 2016 were mostly deserted, the artist now sets figures from the world of myths and legends within her true places derived from reality and imagination.
In his essay for the catalogue, Christoph Peters describes the mood that captivates Martina Altschäfer, and which she captures in drawings on paper, with virtuoso technique, using coloured pencil, pastel chalk, and gouache: “Since time immemorial, mountain peaks have been places of longing and forbidden zones, transitional spaces between heaven and earth ... They are considered to be the seat of the gods or of demonic powers, who must be placated with sacrifices, processions, and prayers to ensure a happy fate or to avert wrath or punishment. It is through mountain peaks that earthly space projects most deeply into the infinity of the cosmos. In towering up as mountains, the heavy mass of inert matter almost seems to be following an inherent transcendence, growing beyond itself to approach the sun – the source of light and warmth necessary for all life. Nowhere on earth does this light shine more intensely than on snow-covered mountains."
Martina Altschäfer’s drawings develop slowly over months, layer by layer. They are based on photographs, yet above all on impressions and moods that have inscribed themselves in the artist’s memory during her forays through the Gotthard massif.
All of her drawings evince the beauty and harmony that Altschäfer achieves through her use of light and colour. Her dramaturgy of light makes the vast mountain landscapes appear at times enigmatically surreal, at times threatening. With her sledge in Milk I (2017), the woman farmer appears to come from another world, as do the two hikers decorated bombastically with flowers in Spring (2020). In this drawing, Altschäfer exaggerates figures of Alemannic customs that bid farewell to winter and welcome springtime. Rauhnacht (2020) – a reference to the twelve nights of celebration near the end of the year to mark the turning of winter – depicts a procession of six hikers through the mountains shortly before nightfall. They too wear elaborate headdresses as they walk through a lonely, deserted, snowy landscape. Custom holds that on the nights named in its title the gate to the “other world” opens up and evil spirits are to be banished through rituals or magical acts.
In the rendering of the sky with its cloud formations, and through the illumination in the scenes she depicts, the artist allows hidden forces of nature to become manifest in her drawings. The works reflect Martina Altschäfer’s mastery of both the large format (up to 130 x 160 cm) and of the miniature. In these drawings, the line as a formative element increasingly withdraws in her blurring and rubbing of colours, giving way to a painterly depth.