Unter dem Titel BETON. Neue Bilder zum Arbeiter zeigt die Galerie Poll Bilder und Zeichnungen zum Typus des Arbeiters von Ralf Kerbach aus den Jahren 2018 bis 2020. Ergänzt wird die Ausstellung durch einige frühere Arbeiten des Künstlers. Kerbach setzt sich darin mit der existentiellen Situation des arbeitenden Menschen auseinander. Vor dem Hintergrund seiner Herkunft aus der DDR und in der Auseinandersetzung mit der Doktrin des Sozialistischen Realismus analysiert der Künstler die Veränderungen der Arbeitswelt.
Auslöser für das Thema der neuen Bilderserie ist die vor drei Jahren begonnene denkmalgerechte Sanierung eines alten Bauernhauses, die den Künstler und Professor für Malerei und Grafik schwere, körperliche Arbeit auf einer Baustelle erfahren ließ und mit neuen Baumaterialien und Arbeitsmethoden konfrontierte. „Das hat mich wieder mit einer Wirklichkeit in Verbindung gebracht, die ich als Hochschullehrer so nicht mehr hatte. Und hat dadurch Bilder freigesetzt, von denen ich sage: Die musst du malen“, erläutert der Maler im Katalog.
Auf zumeist großformatigen Leinwänden stellt Kerbach Arbeiter in einer skizzenhaften, offenen und auf wenige Farbtöne reduzierten Malweise dar: Sein Abbrucharbeiter (2020), ein Mann im Overall vor leuchtend rotem Grund, kommt mit einer Schubkarre auf uns zu, sein Freier Maurer (2019), ein Mann mit bloßem muskulösen Oberkörper, trägt in der einen Hand die Maurerkelle und in der anderen den Eimer mit Mörtel. Die Automatisierungsprozesse der Arbeitswelt betrachtet der Maler sarkastisch: Die Arbeiter auf Beton I und Beton II (2020) drohen sich selbst einzubetonieren, der Rohrleger (2019) hat sich zur Steigerung der Arbeitsleistung einzelne Rohrteile so über den rechten Arm gestülpt, dass er zur mechanischen Gliederpuppe wird und auf dem Bild Typ Styropor (2020) verschwindet der Mensch gänzlich hinter dem auf dem Bau vielfach als Dämmstoff verwendeten Material.
„Die neuen Bilder von Ralf Kerbach sind eine Momentaufnahme, die Auskunft gibt darüber, wo er heute mit seiner Kunst angekommen ist und wohin ihn das Zeichnen und Malen in den letzten vier Jahrzehnten geführt hat. Wenn Adorno recht hat und nicht der Künstler sein Werk, sondern das Werk den Künstler erklärt, dann lohnt es sich, diese Bilder zum Typus des Arbeiters, (…), in ihrer Formensprache und im Gestus der Figuren als präzise Bildzeichen zu lesen, die etwas mitteilen über sein momentanes Selbstverständnis und seine Kunstpraxis heute. Denn von Anfang an war für ihn die Kunst ein Lebensmittel, ein permanenter Versuch, sich durch die Formulierung immer neuer Bildzeichen als Denkchiffren seiner Existenz zu versichern, sich selbst zu beobachten und zu verstehen in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit“, resümiert Eckhart J. Gillen in seinem Katalogbeitrag.
Ralf Kerbach, geboren 1956 in Dresden, studierte von 1977 bis 1979 an der Hochschule für Bildende Künste seiner Geburtsstadt bei Prof. Gerhard Kettner, bis man ihn zur Exmatrikulation drängte. Daraufhin siedelte er 1982 nach West-Berlin über. 1986/87 erhielt er ein Stipendium in Olevano und verbrachte ein Jahr später längere Zeit in Paris. Bis 1990 lebte und arbeitete er in Valquières bei Montpellier. 1991 reiste er als Stipendiat der Deutsch-Brasilianischen Sommerakademie nach João Pessoa/Paraíba, Brasilien. Seit 1992 ist er Professor für Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Ralf Kerbach lebt und arbeitet bei Dresden. Seine Werke befinden sich in wichtigen privaten und öffentlichen Sammlungen, unter anderen in der Berlinischen Galerie, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, im Museum der bildenden Künste Leipzig und im Museum Barberini Potsdam.
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In an exhibition entitled CONCRETE: New Images of the Worker, Galerie Poll will be presenting images and drawings on the typology of the worker made by Ralf Kerbach from 2018 to 2020. The exhibition will supplement these pieces with several of the artist's earlier works. In all the works shown, Kerbach engages with the existential situation of the human being at work. Against the background of his origins in the GDR, and through an engagement with the doctrine of socialist realism, the artist analyses changes in the world of work.
The catalyst for the theme of this new series of images was the period restoration of an old farmhouse begun three years ago. Doing this work gave Kerbach, an artist and professor of painting and graphic arts, direct experience of the hard physical labour of a construction site, while confronting him with new building materials and working methods. “This brought me back into contact with a reality that I no longer experienced as a university teacher, releasing images to which I could only say: You have to paint them,” Kerbach explains in the catalogue.
On mostly large-format canvases, Kerbach paints workers in a style reminiscent of sketches, open and reduced to just a few shades of colour. His Demolition Worker (2020) is in overalls against a bright red background approaching us with a wheelbarrow; his Freelance Bricklayer (2019) stands with a bared, muscular upper body carrying a trowel in one hand and a bucket of mortar in the other. As a painter, Kerbach views the automation processes of the working world with sarcasm: The workers seen in Concrete I and Concrete II (2020) threaten to themselves in concrete, and his Pipe Fitter (2019) has laid individual pipe sections over his right arm in order to increase his work output, with the effect that he becomes a mechanical puppet. Or in the image Styrofoam Type (2020) the human being disappears entirely behind this material, which is so frequently used in construction as insulation.
“The new paintings by Ralf Kerbach are a snapshot that tell us where he has arrived with his art today, and where drawing and painting have taken him over the last four decades. If Adorno is correct in saying it is not the artist who explains his work, but the work that explains the artist, then it is worth reading these images on the typology of the worker ... in their formal language and in the gesture of the figures … as precise visual signs communicating something about how Kerbach now understands himself and about his artistic practice today. For him, art has always been a form of nourishment, an unceasing attempt to find self-assurance by continually formulating new visual signs as ciphers for thinking his existence, to observe and understand himself in his engagement with reality," concludes Eckhart J. Gillen in his catalogue essay.
Ralf Kerbach was born in Dresden in 1956, where he also studied from 1977 to 1979 with Professor Gerhard Kettner at the Academy of Fine Arts (Hochschule für Bildende Künste), when he was forced to leave the university. He then relocated to West Berlin in 1982. In 1986/87, he received a scholarship in Olevano and a year later he spent a longer period of time in Paris. Until 1990 he lived and worked in Valquières near Montpellier. In 1991 he travelled to João Pessoa in the state of Paraíba in Brazil as a fellow of the German-Brazilian Summer Academy. Since 1992 he has been professor of painting and graphic arts at the Academy of Fine Arts in Dresden. Ralf Kerbach lives and works near Dresden. His works are held important private and public collections, including the Berlinische Galerie, the Staatliche Kunstsammlungen Dresden, the Museum der bildenden Künste Leipzig, and the Museum Barberini Potsdam.