„Kopfkino“ ist der programmatische Titel der zweiten Einzelausstellung des Kölner Künstlers Peer Boehm mit neuen Malereien und Kugelschreiberzeichnungen in der Galerie Poll.
Unser Gedächtnis speichert gleichermaßen Erlebnisse der Kindheit, Reiseerfahrungen oder politische Ereignisse als ungeordnete, oft schemenhafte Eindrücke. Dieses kollektive, individuell ganz unterschiedlich verankerte Bilderreservoir ruft der Künstler in seinen Leinwand- und Papierarbeiten auf. Es geht ihm dabei nicht um die eine „richtige“ Sichtweise, denn es gibt viele mögliche Bilder, die im Kopf des Betrachters entstehen können, je nach Alter und Erfahrungshorizont. Auch im Austausch über diese individuellen Eindrücke liegt der Reiz von Boehms Arbeiten.
„Kopfkino“ verweist auf das Erinnern als zentrales Thema von Peer Boehms künstlerischem Schaffen, aber auch auf eine Reihe von Kugelschreiberzeichnungen, die er für die Ausstellung auf Briefpapier des k.o. club festhielt, einem 1969 in Hannover gegründeten Verein für Avantgarde-Filme. Peer Boehm hat zehn Motive gefunden, die im inhaltlichen Zusammenhang zu diesem Bildträger seiner Zeichnungen stehen. Mit Bildtiteln wie „Endlich Fenster zur Straße“, „Es ist dann doch noch gut ausgegangen“ oder „Heute Umbau“ führt der Künstler den Betrachter in eine cineastische Assoziationswelt.
Boehm findet seine Motive in Fotoalben auf dem Flohmarkt, in Magazinen oder dem Internet. Personen und Orte abstrahiert er durch digitale Bearbeitung und reduziert das Motiv auf Hell-Dunkel-Kontraste bis an den Rand der Unkenntlichkeit, bis er es schließlich auf die Leinwand oder auf das Papier überträgt und dann weiter künstlerisch bearbeitet.
Boehms Bildsprache beruht auf dem Prinzip der Aussparung, helle und dunkle Flächen werden nebeneinandergestellt. Dadurch wirken seine Bilder und Zeichnungen wie eine schemenhafte Erinnerung. Ereignisse der Zeitgeschichte werden ebenso zum Bildinhalt wie banale Alltagssituationen oder traditionelles Brauchtum, so „Berlin 1989“ von 2024 mit auf der Mauer tanzenden Menschen, „Fänger sein“ von 2021 oder „Die Maikönigin“ von 2023.
Peer Boehm hat eine Lasurtechnik entwickelt, in der er seine Motive mit Aquarell, Acryl und Tusche auf die Leinwand überträgt. Manchmal setzt er Kaffee oder Rost als Malmittel ein, die bräunliche Färbung lässt sein Motiv wie eine verblichene Fotografie erscheinen.
Durch Überlagerung verschiedener Lasuren entsteht eine halbtransparente Tiefe. Meist dominiert auf den Bildern ein Farbton, häufig Blau oder Braun. Es gibt auch Arbeiten, auf denen Boehm zwei Motive wie bei einer fotografischen Mehrfachbelichtung ineinander blendet, zum Beispiel das großformatige Gemälde „Antibes“ von 2023. Der blaue Hintergrund zeigt die in die Küstenfelsen eingelassene Terrasse des exklusiven Hotels Eden Roc. Darüber hat Boehm mit roter Farbe einen gestreiften Sonnenschirm gelegt. Entstanden ist ein Bild, das die Erinnerung an einen warmen, flirrenden Sommertag in Frankreich aufruft.
Um seine Kugelschreiberzeichnungen zu fixieren, hat Peer Boehm ebenfalls eine spezielle Technik entwickelt. Wenn eine Zeichnung fertig ist, nimmt er ein Bügeleisen zur Hand. Mit der über die Jahre gesammelten Erfahrung gelingt es ihm dabei, in einer Art gesteuertem Zufall in den Zeichnungen Partien zu erzeugen, die wie aquarelliert wirken und ihnen zusätzliche Tiefe geben.
Peer Boehm, 1968 geboren in Köln, studierte von 1990 bis 1994 Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik an der Universität zu Köln. 2021 wurde er mit dem Kunstpreis Wesseling ausgezeichnet, der 2023 mit einer Ausstellung im gleichnamigen Kunstverein verbunden war. In Berlin waren seine Arbeiten 2022 im Willy-Brandt-Haus ausgestellt. Noch bis 21. April 2024 ist eine Werkübersicht des Künstlers mit Arbeiten aus 17 Jahren im Museum Modern Art Hünfeld zu sehen. Seine Werke befinden sich in deutschen und internationalen Privatsammlungen. Peer Boehm lebt und arbeitet in Köln.
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“Cinema of the Mind” is the evocative title of Cologne artist Peer Boehm’s second solo exhibition at the Poll Gallery, featuring new paintings and ballpoint pen drawings.
Our memories store childhood experiences, travel adventures, and political events alike as disorganised, often vague impressions. The artist taps into this collective reservoir of images, anchored so differently in each of us, in his works on canvas and paper. His aim is not to present a single “correct” perspective, as there are numerous images that might emerge in the viewer’s mind, depending on their age and range of experience. The exchange provoked by these differing personal impressions further adds to the allure of Boehm’s works.
“Cinema of the Mind” alludes not only to the act of remembering as a central theme in Peer Boehm’s artistic oeuvre, but also to a series of ballpoint pen drawings he has created for the exhibition on letterhead from the k.o. club, a society for avant-garde films founded in 1969 in Hannover. Boehm has selected ten motifs that relate thematically to the medium of his drawings. With picture titles such as “Finally, a Window to the Street”, “It Turned Out Well after All”, or “Remodelling Today”, the artist ushers the viewer into a world of cinematic associations.Boehm finds his motifs in albums acquired at flea markets, in magazines, or on the internet. He abstracts people and places through digital editing, simplifying the motif through light and dark contrasts to the brink of unrecognisability, before transferring it onto canvas or paper for further artistic refinement.
His pictorial language is based on the principle of erasure, which juxtaposes contrasts of light and dark. One result is that his paintings and drawings resemble vague memories. Contemporary historical events are just as likely to feature as subjects as are mundane everyday scenes or traditional customs, such as “Berlin 1989” from 2024 depicting people dancing on the wall, “Playing Catcher” from 2021, or “The May Queen” from 2023.
Peer Boehm has developed a glazing technique where he transfers his motifs onto the canvas using watercolour, acrylic, and ink. At times he employs coffee or rust as painting materials, giving his motifs the appearance of faded photographs.
The layering of various glazes achieves a semi-transparent depth. Typically, a single colour dominates the paintings, often blue or brown. Boehm also produces works where he blends two motifs similar to a photographic double exposure, such as in the large painting “Antibes” from 2023. The blue background features the terrace of the exclusive Eden Roc Hotel carved into coastal cliffs. Over this, Boehm has added a striped sun umbrella in red paint, creating an image that evokes memories of a warm, shimmering summer’s day in France.
To set his ballpoint pen drawings, Peer Boehm has also developed a special technique. Once a drawing is complete, he takes up an iron. With years of accumulated experience, he manages to create areas in the drawings that appear watercoloured through a controlled process of chance, which adds additional depth.
Peer Boehm, born in Cologne in 1968, studied art history, archaeology, and German language and literature at the University of Cologne from 1990 to 1994. In 2021, he was awarded the Wesseling Art Prize, accompanied by an exhibition at the eponymous art association in 2023. His works were displayed in Berlin in 2022 at the Willy Brandt House. Until 21st April 2024, an overview of his work, featuring pieces created over a seventeen-year period, can be viewed at the Museum Modern Art Hünfeld. His works are held in private collections in Germany and internationally. Peer Boehm lives and works in Cologne.