Als einer der richtungsweisenden deutschen Bildhauer seiner Generation löst sich Hans Steinbrenner schon früh von seinen ursprünglich
der figürlichen Tradition verpflichteten Arbeiten und entwickelt konsequent eine ganz eigene abstrakte Formensprache.
Zunächst entstehen aus weichen, runden Formen gestaltete Kompositionen, organisch anmutende, vom Raum durchdrungene und
das Raumvolumen verdichtende Formkörper und Figurationen. Zu Beginn der 1960er Jahre schließlich findet Steinbrenner zu einer
plastischen Sprache, die auf kubische Elemente zurückgreift. Bald sind diese Quaderkompositionen an menschliche Proportionen
angelehnt, von da an nennt der Künstler all seine Skulpturen ohne weitere namentliche Unterscheidung “Figur”. Mit zeichnerischer
Präzision reduziert er die Anschauung des menschlichen Körpers zu streng geometrischen Skulpturen, deren einzelne Elemente nicht
symmetrisch angeordnet, sondern geringfügig gegeneinander verschoben sind. Die rhythmisierte Vertikale verleiht der Skulptur jeweils
eine lebendig wirkende Silhouette und auch die Bewegtheit der Oberflächen steht in einem spannungs
reichen Kontrast zur strengen
Geometrie der Einzelformen. Zugleich entsteht die Harmonie des Gesamteindrucks dieser Arbeiten durch das vollendete Austarieren
des Verhältnisses aller Teile zum Ganzen, von Symmetrie und Asymmetrie, von Statuarik und Dynamik.
Dieses Zusammenspiel statischer und dynamischer Momente kennzeichnet auch das malerische Werk Hans Steinbrenners, das von
der Idee des sich über die Fläche definierenden Raums ausgeht. Seine Bilder, die er „Kompositionen“ nennt, zeigen verschiedenfarbige
Rechtecke unterschiedlicher Größe und erzeugen durch den Einsatz von Hell- und Dunkelwerten den Eindruck von Dreidimensionalität
und reliefartigen Zusammenhängen: Während die dunkelsten Elemente das Auge des Betrachters in die Tiefe ziehen, scheinen die
hellen Formen geradezu hervorzuspringen. Dabei vermitteln Steinbrenners Bilder, so wie seine Skulpturen, stets den Eindruck eines
inneren Gleichgewichts. „Malerei ist die farbige Gestaltung und Inszenierung der Fläche, Bildhauerei die raumkörperhafte Gestaltung
des Blocks“, fasst er 1967 in seinen „Gedanken und Reflexionen“ zusammen.
Hans Steinbrenner (1928-2008) konnte unmittelbar im Anschluss an sein Studium der Bildhauerei an der Werkkunstschule in Offenbach,
der Städelschule in Frankfurt (Meisterschüler bei Hans Mettel) und der Kunstakademie München (Meisterschüler bei Toni Stadler) bereits
Ende der 1950er Jahre nicht nur in Paris ausstellen, sondern auch an den legendären Skulpturenausstellungen im Antwerpener
Middelheimpark und „Sonsbeek“ im niederländischen Arnhem teilnehmen, bevor er 1964 bei der dritten documenta in Kassel und
schließlich 1997 bei der ersten Ausstellung der Skulpturenbiennale „Blickachsen“ in Bad Homburg vertreten war.
Von 1999 an war Steinbrenner Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Sein bildhauerisches und malerisches Werk
wird bis heute regelmäßig in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt und gehört zum Bestand zahlreicher privater und öffentlicher
Sammlungen in Europa, in Japan und den USA. Darüber hinaus sind Skulpturen Hans Steinbrenners vielerorts in Deutschland und etwa
auch in Tel Aviv im öffentlichen Raum installiert und prägen insbesondere das Stadtbild seiner Heimat Frankfurt.
Die Ausstellung, die jetzt in der Galerie Scheffel zu sehen ist, zeigt Holzskulpturen und Bronzen Hans Steinbrenners aus verschiedenen
Schaffensperioden ebenso wie große Leinwände und kleinformatige Malerei auf Hartfaser – und ermöglicht dadurch einen
aufschlussreichen Einblick in das Gesamtwerk dieses wegweisenden Künstlers.