Masamichi Yoshikawa - Üppige keramischen Paläste
Schönheit entzieht sich bekanntermaßen einer allgemeinen Objektivierung und gerät deshalb oft in inflationären Gebrauch. Doch trifft kein anderes Wort die Erhabenheit und Harmonie, die von den Porzellanskulpturen des japanischen Künstlers Masamichi Yoshikawa ausgeht und die sich durch den Einklang von Form und Oberfläche herstellt. Der Künstler kreiert Räume aus Porzellanplatten, die sich auf unterschiedliche Weise ineinander verschachteln und durchdringen. Dünne Wände verbinden sich mit dicken Quadern, Riegel schieben sich dazwischen. Die Kubaturen sind ungleichmäßig, asymmetrisch, von tiefen Einschnitten geprägt. Jedes Teil der LUXURIANT POTTERY PALACES trägt die Spuren der Finger des Künstlers, verweist auf die Handarbeit und die Intensität, mit der er sich seinen Objekten widmet. Zur vollendeten Schönheit reifen sie durch die Seihakuji-Glasur. Wie ein schmelzender Gletscher umgibt sie die Arbeiten und verleiht ihnen damit einen transzendentalen Charakter. Die Objekte sind Träger einer spirituellen Gegenwart. Der Künstler interpretiert kulturelle japanische Traditionen völlig neu.
Yoshikawa gehört zu den bedeutendsten Keramikern Japans. Mit seine Porzellankunst hat er längst Geschichte geschrieben. Geboren wurde der Künstler 1946 in Chigazaki. Er studierte Industriedesign an der Tokyo Design Academie und entdeckte danach die Keramik für sich. Seinen Lebensmittelpunkt fand er in Tokoname, einem historischen Keramikzentrum, das neben Seto, Echizen, Shigaraki, Bizen und Kandacho Kui zu den „Sechs alten Öfen“ Japans zählt. An diesem Ort mit jahrhunderter alter Keramiktradition beschäftigte sich Yoshikawa mit makellosem weißem Porzellan und seiner spirituellen Seite. Weiß steht im Gegensatz zu dem roten Ton, aus dem vor allem Geschirr für die Teezeremonie gefertigt wird. Die intensive Auseinandersetzung mit Porzellan und seinen Eigenschaften führte den Künstler zu einer radikalen Abkehr von der Funktion. Bei den Objekten, die sich an gebauter Architektur orientieren, steht die Freiheit der einzelnen Formen im Mittelpunkt. Yoshikawa lässt sie unterschiedlichste Verbindungen eingehen, filigran und kleinteilig oder blockhaft fest. Es liegt beim Betrachter, in der konstruktiven Dychtomie die Idee eines Lebensraumes zu finden, der weit mehr vermittelt als sichtbare Materie.
Neben freier Plastik arbeitet Yoshikawa auch an Gefäßkeramik. Das handgeformte Porzellan übergießt er mit Seihakuji-Glasur. Diesen für die Komposition wichtigen Vorgang veranschaulicht er durch die teilweise Sichtbarkeit des Scherbens an der unteren Außenwand der Teeschalen. Die Glasur erstarrt plötzlich. Auch Tropfen des Verlaufs bleiben sichtbar und machen die Kostbarkeit und Tiefe des lichten Blau-Grün erlebbar. Die große Meisterschaft, die er im Umgang mit dieser Glasur beherrscht, zeigt sich vor allem auch bei Gefäßen mit Bemalungen und Einritzungen. Mit zarten, kobaltblauen Strichen zeichnet er geometrische Muster und Skizzen, die durch die Seihakuji-Glasur zu Zeichen werden, die aus dem Innern des Materials zu kommen scheinen. Geheimnisvolles aus tieferen Schichten zeigt sich an der Oberfläche. Die Zeit ist eine weitere Dimension, die der Künstler seinen Werken einschreibt.
In der Ausstellung zum Werk von Masamichi Yoshikawa in der Galerie Friedrich Müller, Japan Art, werden neueste Arbeiten des weltweit bekannten Künstlers vorgestellt.
Doris Weilandt
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Masamichi Yoshikawa’s lavish ceramic palaces
Beauty is known to elude universal objective definition and the concept is thus frequently used in an inflationary way. Yet no other word so fittingly describes the sublimeness and harmony exuded by Japanese artist Masamichi Yoshikawa’s porcelain sculptures, characteristics that arise from the harmonious interplay of form and surface. The artist creates spaces out of porcelain panels that interlock and penetrate one another in different ways. Thin walls merge with thick cuboids, bars slide in-between. The volumes are uneven, asymmetrical, and feature deep incisions. Each piece of the LUXURIANT POTTERY PALACES bears traces of the artist’s fingers, indicating how he hand-makes these objects with true intensity. The seihakuji glaze perfects their consummate beauty: It envelops the pieces like a melting glacier and in doing so gives them a transcendental character. The works exude a spiritual presence. The artist reinterprets Japanese cultural traditions in an entirely new way.
Yoshikawa is among the most important ceramicists in Japan. He has long since made history with his porcelain art. Born in Chigasaki in 1946, he studied Industrial Design at the Tokyo Design Academy before discovering ceramics. He then based his life in Tokoname, a historical ceramics center that, along with Seto, Echizen, Shigaraki, Bizen, and Kandacho Kui, is one of the “Six Ancient Kilns” of Japan. In this place steeped in centuries of producing ceramics, Yoshikawa devoted himself to immaculate white porcelain and its spiritual properties. White stands in contrast to the red clay used mainly to produce the vessels for the tea ceremony. His intensive exploration of porcelain and its properties led Yoshikawa to radically turn his back on function. The freedom of the individual shapes takes center stage in his objects, which take their cue from built architecture. Yoshikawa allows them to enter into the most diverse of relationships, delicate and detailed, or block-like and sturdy. He leaves it to the viewer to find the idea of a habitat, that conveys far more than just visible material, in this structural dichotomy.
Alongside his artistic ceramic works, Yoshikawa also creates ceramic vessels. He pours seihakuji glaze over the hand-formed porcelain. He makes this process, which is so important to the composition, visible by in part leaving the “biscuit”, the fired but unpainted clay, visible in some places on the lower outside walls of the teabowls. The glaze hardens suddenly. Glaze drips also remain visible, allowing us to experience just how precious and profound is the light blue-green glaze. The artist’s great mastery in handling this glaze can also be seen in the vessels with painted and scratched decorations. With delicate, cobalt-blue strokes he draws geometric patterns and sketches: The seihakuji glaze then transforms these into cyphers that seemingly emerge from within the material itself. Mysteries from deeper layers can then be discerned on the surface. Time is another dimension that the artist inscribes in his works.
The exhibition of Masamichi Yoshikawa’s work at Galerie Friedrich Müller, Japan Art, will feature the latest pieces by the world-renowned artist.
Doris Weilandt