In unserer Kabinettausstellung: Gerhard von Graevenitz – Uli Pohl nehmen wir zwei Künstler in den Blick, die mit ihrem Werk im Zentrum der seit Mitte der 1950er Jahre aufkeimenden Avantgardebewegungen stehen, in denen ein radikaler Neubeginn in der Kunstgefordert wird: Gruppen wie ZERO, GRAV, Gutai oder Nouvelles Tendances stellen mit neuen künstlerischen Ansätzen das Experimentieren mit Material, Licht, Raum und Bewegung in den Mittelpunkt. Dabei werden die herkömmlichen Rollen der Kunst-Schaffenden und der Kunst-Betrachtenden dezidiert in Frage gestellt.
Das Werk von Gerhard von Graevenitz (1934–1983) wird von Begriffen wie Reihung, Progression, Struktur und Zufall als Gestaltungsprinzipien geprägt. Sichtbar wird dies bereits an den Objektreihen der »Weißen Strukturen« und »Rasterbilder«, die Graevenitz ab 1958 noch während seines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München entwickelt. Graevenitz ordnet halbkugelförmige Erhöhungen und Vertiefungen auf monochrom weißen Flächen so an, dass durch den Lichteinfall sich stetig ändernde Muster erscheinen. Bei den Rasterbildern experimentiert Graevenitz mit der Materialität – zum einen mit dem Vorgang des Brennens und zum anderen mit der Prägung der pastosen Oberfläche mittels einer Backsteinstruktur, die sich über die gesamte Fläche des Bildträgers verteilt.
Als Mitbegründer der internationalen Künstlergruppe Nouvelles Tendances ist Gerhard von Graevenitz auf allen wichtigen Ausstellungen der 1960er/70er Jahre vertreten und gilt als Hauptvertreter der kinetischen Kunst. 1968 Teilnahme an der documenta IV. 1970 entsteht eine Lichtwand für die Sonderausstellung der Biennale in Venedig.
Uli Pohl (*1935), der ebenfalls in München studiert, erarbeitet seit 1958 »lichtplastische Objekte«. Transparente Skulpturen, die er aus dem vollen Materialblock heraus entwickelt. In einem minutiösen und langwierigen Arbeitsprozess bildet er – durch Sägen, Fräsen, Feilen und Schleifen des Acrylglases – die Form aus einer meist quadratischen Grundfläche.
Abschließend wird die Oberfläche so fein geglättet, dass sie eine makellose Transparenz erhält: »Acrylglas [ist] für mich das (vorläufig) brauchbarste Medium, das hell und durchsichtig ist, das weder seine eigene Subjektivität zur Geltung bringt noch die meine, ein Material, in dem sich alle Spuren der Bearbeitung tilgen lassen, so dass ich in meinem Objekt anonym werde.« (Pohl 1962)
In den ZERO und Neue Tendenzen Ausstellungen der 1960er Jahre ist Uli Pohl eine feste Größe. Er lehrt an den Hochschulen in Hamburg und Bremen von 1967 bis 1974. 1970 entsteht eine Großplastik für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Osaka. 1971 wird ihm in Bremen der für zeitgenössische Kunst renommierte »Kunstpreis der Böttcherstraße« verliehen.