Clare Goodwin: Whispering Widows

Clare Goodwin: Whispering Widows

Limmatstraße 214 Zurich, 8005, Switzerland Saturday, August 26, 2017–Saturday, October 7, 2017 Opening Reception: Friday, August 25, 2017, 6 p.m.–8 p.m.

 “Lavendel ist eine alte, alte, alte Lady. Lavendel ist (sind Sie es nicht?), ich dachte Sie seien es. Lady Lavendel, von Spinnweben umwölkt … Hüterin dunkler Ecken.” (1)

cut-out #8 by clare goodwin

Clare Goodwin

Cut-out #8, 2017

Sold

whispering widows (grace) by clare goodwin

Clare Goodwin

Whispering Widows (Grace), 2017

Sold

cut-out #7 by clare goodwin

Clare Goodwin

Cut-out #7, 2017

Price on Request

whispering widows (alison + douglas) by clare goodwin

Clare Goodwin

Whispering Widows (Alison + Douglas), 2017

Price on Request

Limmatstraße 214
Zurich, 8005, Switzerland

Wenn wir über die Malereipraxis von Clare Goodwin nachdenken, fällt einem der Begriff Hochzeit ein. Vielleicht impliziert der Titel ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Lullin + Ferrari, die Vorstellung von zurückgelassenen Ehefrauen, doch das Gefühl einer bestehenden, unorthodoxen Beziehung war in den Details stets präsent. Denn die präzisen, streng unterteilten und sorgfältig ausgeführten Anordnungen von abstrakten Formen beruhen auf einem stark eklektischen und sich fortlaufend erweiternden Inventar von Quellenmaterial. 

Goodwin hat ihre Bilder stets mit Vornamen betitelt. Hohe Kunst und Heimdekoration scheinen sich auf der Leinwand in einer bunten Seifenoper zu begegnen, die in ihrem Nachspann eine Schar von möglichen menschlichen Charakteren aufführt. Während die Verknüpfung von englischen Namen mit einer unbegrenzten, internationalen Formensprache – die uns auf eine abwechslungsreiche Reise durch die Geschichte der abstrakten Malerei nimmt – neugierige Gedanken nährt, ist es Goodwins tiefgründige und weitreichende Verbindung mit früheren Ideen und persönlichen Versatzstücken, die ihren menschlichen Geschichten ermöglicht, in die Vorstellung zu fliehen, wie minimalistisch auch die Konstellationen erscheinen mögen. 

“Unmöglich zu verstehen, beige, Du starrst es lange an, starrst bis in seine tiefste Eigenart; bis Du beige siehst in der Ernsthaftigkeit des Beigeness seines eigenen beige zu sein.”2 Goodwin’s Übersichtsausstellung ‘Constructive Nostalgia’ im CentrePasquArt in Biel 2016, die häusliche Dioramen von zwei- und dreidimensionalen Arbeiten und architektonische Erfindungen beinhaltete, – lieferte die geeigneten Rahmenbedingungen für die Untersuchung der Vergangenheit als ästhetische Währung der Gegenwart. Im Gegensatz dazu löst ‘Whispering Widows’ sofort die Vorstellung eines vermutlich komplizierten und ziemlich geschwätzigen Ensemble von Darstellerinnen aus. ‘Widow’ lässt sich im Altenglischen als “leer sein” übersetzen, eine merkwürdige Definition vielleicht, da es eine aktive Wahl oder Akzeptanz des Zustands des Verlassen-seins beinhaltet. Als eine übergreifende Sensibilität für die Ausstellung aber beschreibt der Begriff den herausgearbeiteten, durchdachten Dynamismus von Goodwins letzten Arbeiten auf Leinwand, Papier und in Objektform.

Bekannt für ihre hard-edge Kompositionen und gewagten Farbkombinationen, hat Goodwin in ihren neuesten Werkgruppen ein neues zufälliges Element in den Prozess der Bildfindung eingeführt. Wo sie früher der Begegnung und Verschiebung der Formen im Raum erlaubte, ein fortschreitendes, kompositionelles Spiel zu bilden, scheint das neue Lexikon von Motiven nun auf einem wässrigen, amorphen Grund zu sitzen, oder aus diesem heraus zu wachsen. Dieser Widerspruch zwischen kompositionellen Bestandteilen und Verschüttung, aktiver Gestaltung und zufälligem Resultat, bringt im eigentlichen Sinne eine zusätzliche Dimension zum Vorschein. Wenn in anderen Werken die Möglichkeiten von unbehandelten Leinwandgründen erprobt wurde, welche sowohl als Grenze aber auch als Oberfläche operierten, scheinen in den neu entstandenen Gemälden die Motive die Oberhand gewonnen zu haben. Somit verlagert sich das Augenmerk auf die Bedingungen der kreierten optischen Illusionen. 

Während Goodwin in der Vergangenheit ihre Kompositionen bis auf eine Ebene von Malewitscher Einfachheit reduzierte, geht sie in ihren neuesten Bildern einen Schritt weiter, indem sie den Ton und den Kontrast ihrer gewählten Farbpalette in einigen Bildern bis auf einen kaum sichtbaren Pastellanteil dämpft. Wenn man die Machart und die Beziehungen bestimmter Farben betrachtet, denkt man in einigen Fällen unweigerlich an eine Bildschirmanzeige, besonders wenn wir die Bilder durch die Schaufenster betrachten, die für die Dauer der Ausstellung mit einer rosa Plastikfolie beschichtet wurden. Allerdings, es sind die analogen Metaphern, die im Falle von Goodwins neuem bonbon- farbigem Spektrum Bestand haben – die Kreation von Musik oder Klängen und das Gleiten einer Ausblendtaste auf einem Mischpult.

Bedenkt man den Titel der Ausstellung, ist es schwierig, sich die Bilder nicht als die Farben vorzustellen, die aus einem Vorhang linsen, wo Wissen weitergereicht wird mittels hohler Hände zu bereiten Ohren. Eigentlich haben sich diese neuen Kompositionen direkt aus der früheren Serie der ’Curtain’ Bilder entwickelt. Die Schlussszene der 1975 entstandenen Filmversion der Stepford Wives kommt einem in den Sinn; ein Supermarkt-Wirbel von pastellfarbigen, verbleichten Stoffen und Schlapphüten in den Farbklängen eines Süsswarengeschäfts. 

Durch die Wahl von Pastelltönen stellt Goodwin eine Vielzahl von vergangenen und aktuellen Themen der Kunst, des Designs, der Erinnerung und der Geschmacksgeschichte zur Diskussion – gut oder schlecht, veraltet oder schon wieder modisch Retro. Es sind Farben die einerseits zum Alltag gehören, andererseits im kunsthistorischen Zusammenhang in der Tradition der Arbeit von Agnes Martin, Avis Newman, Eva Hesse und anderen anzusiedeln sind. Es ist einfach, unter der Oberfläche von Goodwins Rorschach-Hintergründen eine Serie von Metagemurmel zu vernehmen – wo Avocado-farbige Badezimmer sich in den Annalen der Designgeschichte befinden, sagen wir mal, oder wann ist das pinkfarbene Kleid der Brautmutter zu blass, so dass sie sich vollkommen aus dem Bild ausblendet / auf Abwegen im Brautkleid Territorium. 

In dieser Ausstellung gibt es viele Indizien, die auf die handgefertigte und prozessorientierte Herstellung schliessen lassen: Dies führt vielleicht eine bodenständige Ebene ein im ansonsten esoterischen Gebiet der Farbtheorie. Goodwin hat auch eine Serie von Collagearbeiten in die Ausstellung einbezogen und einige Skulpturen auf dem makellos-weissen Galerieboden gefährdet verteilt. Anscheinend aus anderen Werken auf Papier geschnitten und in Kastenrahmen in gewünschten Anordnungen gefügt, rufen diese Collagen eindeutig Werke der Britischen Kunstgeschichte in Erinnerung. Natürlich scheinen in einem solchen Kontext schnell die Bildfindungen von Matisse auf, aber hier klingt durch die Wahl der babyblau Farbe und der Sandfarben auch die Kunst der St Ives Gruppe an und die Landschaft, im Gegensatz zu Innenräumen oder dem Körper, zerklüftet in eine Serie von unlösbaren Rätseln. Im Gegenteil dazu können die Skulpturen als Dinge von artefaktischer oder anthropologischer Bedeutung betrachtet werden, wenn sie nicht so beiläufig auf dem Boden zurückgelassen worden wären. Diese sandgestrahlten Beine und Spindeln, knochenähnlich in ihrer Feinheit, fügen sich zu einem alten Holzstuhl zusammen. 

Goodwin in ihrer Rolle als Kuratorin von verlorenen Dingen und Kustodin der Vergangenheit erinnert uns mit Freude erneut an die verschiedenen intellektuellen Räume, die uns die ungegenständliche Welt – mit ihren Rastern, Flecken und Mustern – bietet, mit der wir uns erneut verbinden und Spuren unserer persönlichen Geschichten zurück lassen können. 

“Schau dies intensiv an und Du beginnst zu sehen, weshalb es mit der Farbe weiss vielmehr auf sich hat, viel mehr als das Auge erfassen kann. Weshalb, schau dort rüber, das sieht bestimmt so aus wie das Weiss, das pur genannt wird, aber es ist es keineswegs. Das ist ein off-weiss Weiss, bitte.“3 

1, 2 und 3 stammen aus Ken Nordine’s Word Jazz Colours(1966) 

© Rebecca Geldard (aus dem Englischen übersetzt von Etienne Lullin) 

Clare Goodwin, geboren 1973 in Birmingham, lebt und arbeitet seit 2003 in Zürich. Studierte an der Winchester School of Art von 1993-1996 (BA Painting) und am Royal College of Art, London von 1996-1998 (MA Painting). Einzelausstellungen unter anderen Constructive Nostalgia, CentrePasquArt, Biel (2016); Broken Parallels, Karin Sachs Gallery, München (2014); Bradford Jolly, Christinger De Mayo Gallery, Zürich (2014); Unforced Errors, CGP London (2013); Clare Goodwin feat WeAreTheArtist, Kunsthalle Winterthur (2012); Kiss on the Blue, Rotwand Gallery, Zürich (2011).