Wir freuen uns sehr, Ihnen neue Arbeiten des deutschen Künstlers Michael Bauch (geb. 1951 in
Wiesbaden, lebt und arbeitet in Hamburg) in seiner zweiten Einzelausstellung in unserer Galerie zu
zeigen. Bauch studierte von 1974-78 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Kai
Sudek und Gotthard Graubner. Seit 1978 ist er in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen
vertreten.
Die Karriere von Michael Bauch beginnt in den frühen 1980er Jahren, als die sogenannten Neuen
Wilden mit expressiver, figurativer Malerei im deutschsprachigen Raum in Europa aktuell waren.
Bauch stand dieser Bewegung distanziert gegenüber – bereits damals galt sein Interesse der
durchdachten Malerei.
Die Vorgehensweise von Bauch lässt sich als ein Weg zur Form beschreiben. In seinen Bildern ist
die allmähliche Verfertigung des Bildes beim Malprozess zu beobachten und nachzuvollziehen.
Durch den Sehvorgang nehmen Betrachterin und Betrachter am Produktionsprozess teil. Diese
aktive Teilnahme ist entscheidend für das Verständnis der Malerei von Bauch. Seine Bilder sind
Konzentrationen einer Praxis mit dem Material, also Leinwand, Grundierung und Farbe. Seit Beginn
seiner künstlerischen Arbeit schärft er sein Verständnis des Malerischen. Bauch verzichtet ganz
bewusst auf breite Keilrahmen, wie sie viele aktuelle amerikanische Maler verwenden, um den
objekthaften Charakter seiner Bilder zu mildern. Die von ihm angestrebte Eigenheit seiner Kunst
richtet sich auf das Malerische. Und doch ist sein Prinzip nicht das der Komposition, sondern das
der Aktion. Zunächst befolgt Bauch eine praktische Annäherung an die Leinwand: In einem ersten
Arbeitsschritt umreisst er mit scheinbar zufälligen, sich wiederholenden zeichnerischen
Bewegungen die Leinwände, um in ihnen Formen aufzufinden und zu klären. Im Verlauf der
Ausarbeitung gibt Bauch seinen Bildern eine erste Farbigkeit, die er im Malprozess oft ändert:
Form und Farbe schärfen sich bei ihm aneinander – das wird besonders dort sichtbar, wo er
Reihungen einer Form über mehrere Leinwände weiterverfolgt.
In unserer Ausstellung zeigt Michael Bauch Variationen von zwei neuen Serien von Malerei, die in
unterschiedlichen Formaten ihre jeweilige Formgebung durchspielen, verkehren und neu ausrichten.
Die Bilder verweisen auf Positionen der Malerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
ohne aber epigonenhaft zu sein. Sie erlauben unterschiedliche, persönliche Assoziationen und
bieten Korrespondenzen, je nach Stimmung der Betrachterin und des Betrachters.
Die Ausstellung beginnt mit einem grossformatigen, roten und orangen Bild, das eine asiatische
Stimmung evoziert und eine schlangenhafte, tänzerische Bewegung besitzt. Alle Bilder in der
Schau weisen schnelle Pinselschwünge auf, die direkt auf eine weissgrundierte Leinwand oder auf
kruder, vorgefundener Juteleinwand gesetzt sind. Die Bereiche zwischen den Farbbahnen sind
langsam und genau ausgemalt und manchmal in zahlreichen Schichten aufgebaut. Allen Bildern ist
durch den malerischen Vorgang eine Dringlichkeit und Radikalität eigen, die vom Publikum
Ausdauer und Genauigkeit erfordert. Die Malerei von Bauch verlangt nach einer konzentrierten
Rezeption, die in der gegenwärtigen abstrakten Malerei unüblich ist.
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Gespräch zwischen Michael Bauch (MB) und Etienne Lullin (EL) im Atelier in Hamburg,
26. September 2014 und in der Galerie in Zürich, 23. Oktober 2014.
Rot, oranges Bild, das erste Bild in der Ausstellung:
EL: Für mich ist das ein Drachenbild.
MB: Das Bild besitzt ein leichtes Lächeln. Nicht Alles muss eine zwingende Logik haben. Es besitzt
eine Unebenheit, schnelle Setzung der Linien – Es sind sehr bewusste, beherrschte Setzungen im
Bild wie Kalligraphie, Signatur oder Schrift.
EL: Ich denke an Barnett Newman, der sich mit Ornithologie beschäftigte. Ein erfassen der Linie im
Flug, wie die Zips von Newman. Ein asiatisches Formenvokabular. Da fällt mir auch das Buch von
Roland Barthes Im Reich der Zeichen ein.
MB: Meine Bilder besitzen etwas Organisches, sie basieren auf Vertrauen, loslegen, Laufen lassen,
Möglichkeiten finden, Verfahrensweisen ausprobieren – die Form ist dabei nicht ausschlaggebend.
Grosse rotes Bild auf weissem Grund im zweiten Raum:
MB: Das sind vorgefundene Leinwände. Weiss grundierte Leinwand. Es ist der Fortgang einer
neuen Serie, Ich greife die Form raus, die ich haben will. Ich komprimiere die Farbe, die roten
Farbflächen besitzen eine Dichte. Die hauchdünne Linie ist wieder licht, ich versuche das Bild zu
entschlacken.
Schwarzes Bild im zweiten Raum
MB: Es handelt sich um ein geordnetes Bild. Aus einem Formenvokabular greife ich die Form raus,
die ich haben und dann ordnen will. Der Grundgedanke ist, etwas so zu belassen wie es ist. Das
Bild basiert auf einem intellektuellen Gerüst, einem Grundgedanken, oder einer Grundahnung. Ich
gehe meinem Gestaltungswillen nach – versuche ein Gleichgewicht zu finden zwischen
unkontrolliertem Eigenvertrauen und des Einfangens der sich dann darbietenden Form.
EL: Mich interessiert in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen visueller Sprache und der
Sprache an sich. Wie verhält es sich mit dem Bildträger, dem Material?
MB: Im grauen Bild habe ich den Untergrund stehen gelassen. Ich schichte die Form und es ist
ruppig und besitzt eine schöne Krudität. Ich benutze unterschiedliche Leinwände. Das
monochrome schlammgrüne Bild ist runtergedampft, hier wird die Idee meiner Malerei sehr
deutlich erfasst. Wie gesagt, es ist mir wichtig, das Material stehen zu lassen. Der Zugriff gestaltet
das Material und gibt ihm auch Form. Beiläufiges „schlechtes“ Material lässt sich durch den
Arbeitsprozess veredeln. Ich wollte die vorgängige Serie, wovon 2 Arbeiten im ersten Raum zu
sehen sind, aufbrechen, um auf unbekannte Formen zu stossen. Das schwarze Bild im zweiten
Raum bezeichnet das Ende der zweiten Serie und gleichzeitig einen Neuanfang. Es ist genau
austariert. Ich will die Organik erfassen und einfangen. Meine Vorgehensweise folgt
Bildvorstellungen, Ahnungen, die auf einem Mass an Vertrauen in mich selber aufbauen. Du fängst
etwas ein und reagierst vernünftig. Dies berührt auch gesellschaftliche Fragestellungen: Wie gehen
Leute mit sich um, – das Vertrauen in sich selber –, heute ist überall Design – dieser Tendenz stelle
ich das Handwerk entgegen. Die Grundsprache der Malerei bietet eine grosse Assoziationsbreite,
obschon die Mittel beschränkt sind. Unterschiedliche Geschwindigkeiten sind mir wichtig. Erste
Setzungen können sehr schnell erfolgen, das genaue Einfügen von gefassten Farbflächen kann
lange dauern. Das Bild auf der Einladungskarte erfasst die erste Annäherung. Die Farben rasten
aneinander. In den Flächenwerten sind viele Lagen auszumachen. Das Orange steigert sich in
diesem Umfeld eines Balanceakts der Farben. Die Leute hören viel raus, wenn die Gedanken
einfach sind. Ich betreibe keine Formenschieberei. Es ist, als würde ich in ein Gestrüpp, oder in
einen Wald schauen, darauf muss ich die Formen herauslösen. Es handelt sich um eine vorsichtige
Akzeptanz von etwas das vorliegt. Meine Malerei beschreibt eine Haltung, die auf Aufmerksamkeit
beruht.