Bruno Seitz ist in den letzten gut zehn Jahren vor allem für seine pastosen, mehrschichtigen, motivlosen und zumeist kleinformatigen Ölmalereien bekannt geworden. Die Aquarelle, die er seit 2022 schafft, dürften einer breiteren Öffentlichkeit hingegen noch weitgehend unbekannt sein. Im Gegensatz zu den sich voluminös und reliefartig aufbauenden Ölmalereien wirken die Aquarelle von Bruno Seitz im ersten Moment – auch entsprechend ihrem Medium – lichter und leichter. Bei einem bewussten Vergleich beider Werkgruppen ergeben sich allerdings diverse Korrespondenzen, welche die Aquarelle als logische und konsequente Fortsetzung seines künstlerischen Schaffens der letzten Jahre zeigen.
Ähnlich den Ölbildern verwendet der Künstler auch für seine Aquarelle bisher eher kleine Formate, Papierbögen von gut 20 auf gut 30 cm, zumeist im Querformat. Wie in den Ölmalereien bilden auch die Aquarelle nichts Konkretes ab. Das vielschichtige und farblich reiche Zusammenspiel aus mehrheitlich durchlässigen Farbinseln und aus horizontal wie vertikal ausgerichteten Farbbahnen suggeriert ein assoziatives Sehen und lässt uns an sich permanent verändernde liquide Formen, organisch Gewachsenes, mineralisch Strukturiertes oder geologisch Geschichtetes denken. Der räumliche Eindruck dieser wässrig-transparenten Bilder ist komplex und vielfältig: Nahes und Fernes, Mikro- und Makrokosmos werden gewissermassen miteinander verbunden. So wird der Träger nicht komplett mit Farbe zugedeckt, wodurch das Weiss des Papiers als Farb- und Lichtwert entscheidend zur räumlichen Wirkung beiträgt. Auffallend ist auch die Prominenz von Schwarz, welches die anderen Farbtöne allerdings nie dominiert. Die schwarzen Tupfer wie auch die mitunter sehr deutlich sichtbaren Trocknungsspuren anderer Farbtöne wirken als eine Art Ruhepol, als grafisch-lineare, stabilisierende Elemente, welche die übrigen fliessend und strömend wirkenden Farbinseln miteinander verzahnen und dem Formlosen solide Gestalt und Gewicht verleihen. Im vielfältigen Zusammenspiel von Misch- und reinen Tönen wirkt kein Farbton zu aufdringlich oder neutralisiert darunterliegende oder umgebende Farben. Bruno Seitz schafft auf diese Weise sehr feinsinnige Aquarelle, in der die Farben gewissermassen aufeinander Rücksicht nehmen und in einer vielstimmigen Polyphonie ihren jeweiligen Platz finden.
Dr. Invar-Torre Hollaus, Basel im März 2024