Flera Birmane: Wake up

Flera Birmane: Wake up

Schlüterstrasse 54 Berlin, Germany Friday, September 21, 2012–Wednesday, October 31, 2012

FLERA BIRMANE
Wake up
Einzelausstellung / solo exhibition
von 21. September bis 31. Oktober 2012
Vernissage: am 21.09 von 18.00 bis 21.00 Uhr

Wake up!
Bilder von Flera Birmane in der TVDART Galerie Berlin Es ist wie eine Sequenz aus einem film noir der Jahre nach 1945, wenn auch kein Mord passiert und kein Privatdetektiv sich blicken lässt: acht große Leinwände, die eine Geschichte erzählen: die Geschichte einer jungen hübschen Frau, die sich von ihrem eigenem alter ego verfolgt sieht. Flera Birmane, die erst 29-jährige Künstlerin aus Lettland, die seit 2010 die Hälfte des Jahres in Nepal an der Tsering Art School die altbuddhistische Thangka-Malerei studiert, erweist sich in ihren Bildern als Hardliner, der vor diabolischen Ausgeburten der Fantasie nicht zurück schreckt. Eigentlich beginnt die story mit einem Pseudo-Plakat der jungen Frau im Lederlook, die sich abwehrend die Hände vor das Gesicht hält: „wake up“ ist auf den Fingern zu lesen, doch wer wacht hier in den Bildern, die dann folgen, auf? Im Rückspiegel ihres Autos sieht die Frau ihre Verfolgerin, die scheinbar genauso aussieht wie sie. Das zweite Ich erhebt sich im städtischen Niemandsland drohend hinter der Brüstung einer Straßenbrücke, es umkreist en miniature in mehrfacher Ausfertigung die Frau, die sich in einem der Bilder in einen letzten Ausweg flüchtet: in den Türrahmen eines Loft gelehnt, setzt sie sich den Dolch an die Brust, während hinter ihr der Schatten ihrer persona non grata lauert. Als Modell diente Birmane eine Journalistin, die sie durch den Großstadtdschungel von Riga schickte.
Schrägsichten und geheimnisvolle Ausschnitte, die mehr andeuten als preisgeben, treiben auf großem Format den Betrachter in eine klaustrophobische Enge, in der sich eine Paranoia mit verkappten sexistischem Einschlag, angesiedelt in moderner Urbanität, entfaltet. Ein Doppel- und Dreifachleben, das jeder von uns führt oder führen könnte, ob nur in der Vorstellung oder tatsächlich, die Frage nach der eigenen Identität, die sich in mehrere aufspaltet, werden Flera Birmane zum Motiv, das sie 2011 seriell verarbeitete. Die Malerin bediente sich dabei der Vorurteile und Stereotypen, die in den Köpfen der modernen Gesellschaft herumspucken und durch die Massenmedien produziert und lanciert werden. Auf eine bedrückende Schwarz-Weiß-Skala in raffinierten Nuancen reduziert, die das US-Kino der Nachkriegszeit wieder wach ruft, schickt die junge Lettin den Betrachter über die Highroad oder auf die Dachterrasse eines Hauses in Riga, die den Blick auf die skyline der Altstadt freigibt: hier lagert die Protagonistin scheinbar ungestört zum mittäglichen Sonnenbad, während sie schon der Schatten der Schuhe ihres fantasierten Aggressors erreicht: eine Frau im maskulinen Outfit, die sich, als Bild im Bild auf dem Teller appliziert, zum Essen breit macht.
Es ist eine Ikonographie aus Malerei, Horrormovie, Psychotrip, Schundroman und latentem Sexismus, die Birmane hier zu einer lautlosen Malerei verbindet, die durch ihren Hyperrealismus verschiedene Bewusstseinsebenen so schockartig evoziert, als hätten sich Hirngespinste bereits in Realität verwandelt. Wake up! kann nur der rettende Zuruf sein, der aus dieser Doppelbödigkeit wieder erwachen lässt. Doch Birmane adressiert ihn nicht an ihre Protagonistin selbst, sondern prompt an den Betrachter, den sie auf Augenhöhe mit seinen eigenen egomanen Ich-Spaltungen und vorgefassten Bildern konfrontiert.
Aus der Reihe fallen bei tvdart Birmanes jüngst entstandener „Trip to the moon“: hier schminkt sich eine junge Blonde im Spiegel des Visiers des Astronauten vor der Kulisse des sternenbeglänzten Alls, und in „Stardust“ verzehrt diesselbe Frau mit harmosen keep smiling statt Sternenstaub mit spitzen Fingern einen Vogel, der ihren Teller ziert: subtiler Flirt mit dem Außerirdischen, die NASA macht esön möglich.
Birmane richtet sich mit ihrer Kunst an junge Großstadt-Leute, die sich mit ihren Gedanken und ihrem Leben in den Bildern gespiegelt finden können. Die Malerin, die unter anderem an der lettischen Kunstakademie in Riga studierte und hier 2007 bis 2009 Meisterschülerin in der Malereiklasse war, präsentiert ihre Gemälde seit 2004 auf Ausstellungen auf dem Baltikum. Lettische Privatsammler und das Staatliche Museum in Riga haben vor Ankäufen nicht gezögert. Schließlich folgt Birmane den Spuren eines Surrealismus, der auch in der lettischen Malerei bereits Tradition hat.
„Flera Birmane: Wake up“, vom 21. 09. bis 01. 11. 2012 in der TVDART Galerie, Schlüterstr. 54, Eingang Niebuhrstraße, 10629 Berlin, Tel.: 030-88914445, geöffnet dienstags bis freitags von 13 bis 19 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr. Die Vernissage ist am 21.09.2012 von 18.00 bis 21.00 Uhr